Neuer Radweg in Schöneberg: Freie Fahrt nur dank Abschleppdienst
Auf der Schöneberger Hauptstraße ist der lang ersehnte geschützte Radstreifen fertig. Ob jetzt auch Busse zu ihrem Recht kommen, liegt am Ordnungsamt.
Beide Projekte standen im Sommer 2023 auf der berüchtigten Prüfliste der damaligen Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU), wurden aber – mit Modifikationen – wieder freigegeben. Die Mittel stammen in beiden Fällen aus dem Landeshaushalt sowie dem Sonderprogramm „Stadt und Land“ des Bundes. Im Fall der Hauptstraße war das bezirkliche Straßen- und Grünflächenamt für die Umsetzung zuständig, den Kostenrahmen für die Umgestaltung des 1,2 Kilometer langen Abschnitts zwischen Dominicusstraße und Kleistpark gibt das Bezirksamt mit rund 1 Million Euro an.
RadfahrerInnen hatten sehnlich auf den für sie reservierten Streifen gewartet: Viele Jahre lang zogen sie den Kürzeren auf der Bezirksmagistrale, die gleichzeitig Teil der Bundesstraße B1 und traditionelle Einkaufsmeile ist. Zwar gab es eine Busspur, die sie ebenfalls benutzen durften, sie galt jedoch nur tagsüber und war auch dann oft regelwidrig zugeparkt. Jetzt verläuft am rechten Rand der Fahrbahn der mit orangen „Leitboys“ abgegrenzte Radstreifen, links davon folgen eine Busspur sowie ein Fahrstreifen für den restlichen motorisierten Verkehr.
Allerdings zeigt sich, dass beim Jonglieren mit den unterschiedlichen Bedürfnissen der StraßennutzerInnen noch lange kein idealer Zustand erreicht worden ist: RadaktivistInnen beklagen, dass die Reihen der eher symbolischen Minipoller immer wieder von langen – aus ihrer Sicht zu langen – ungeschützten Abschnitten unterbrochen wird, um Gebäudeeinfahrten und Bushaltestellen freizuhalten. Und die Busspur gilt nun zwar ganztägig, enthält aber markierte Bereiche zum Be- und Entladen, die zwischen 9 und 14 Uhr verwendet werden dürfen.
Komplizierte Beschilderung
In der Praxis wird dort auch jetzt wieder falsch geparkt, meist wohl von AutofahrerInnen, die „eben mal schnell“ etwas in einem der anliegenden Geschäfte besorgen oder einen Imbiss zu sich nehmen wollen. Begünstigt wird das von der nicht ganz unkomplizierten Beschilderung: große weiße Tafeln mit drei schwarzen Richtungspfeilen, auf deren mittlerem ein Busspur-Zeichen mit den zeitlichen Einschränkungen prangt, all das so klein, dass die Informationen im Vorbeifahren kaum zu lesen sind.
In der Twitter-Bubble, die sich seit Jahren mit den Zuständen auf der Hauptstraße beschäftigt, macht der Nutzer „poliauwei“ – das Pseudonym von Falschparker-Schreck Andreas Schwiede – zudem auf eine vermeintliche Regelungslücke aufmerksam: Laut der von ihm zitierten Website, die sich aus fachlicher Sicht mit Baustellenanordnungen und der entsprechenden Verkehrslenkung befasst, ist die Anordnung einer Busspur auf einer sogenannten Fahrstreifentafel in den Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht vorgesehen – die Ahndung von Falschparken als Ordnungswidrigkeit wäre so nicht gerichtsfest.
Auf die Stadträtin eingeschossen
„Diese Behauptung ist nicht korrekt“, sagt Stadträtin Ellenbeck auf taz-Anfrage. Allerdings sei die Beschilderung erst seit Anfang des Monats „so fertiggestellt, damit nun rechtssicher geahndet werden kann“. Das Ordnungsamt sei dort jetzt in eigener Zuständigkeit unterwegs, es seien aber auch „Verbundeinsätze und Schwerpunktkontrollen gemeinsam mit der BVG und der Polizei vereinbart“, um die Busspur rund um die Uhr freizuhalten. „Das ist nicht nur für den ÖPNV elementar, sondern auch für die Rettungswege der Feuerwehr.“
Andreas Schwiede und die von ihm gegründete „Abschleppgruppe Berlin“ haben sich seit Längerem auf Ellenbeck eingeschossen: Der Stadträtin, in deren Zuständigkeit auch das Ordnungsamt liegt, werfen sie vor, nicht konsequent gegen Falschparker vorzugehen – das führe alle Bemühungen um eine fairere Verteilung des Verkehrsraums ad absurdum.
Auf diese Kritik angesprochen, sagt Ellenbeck, das Ordnungsamt unternehme „alles Mögliche im Rahmen seiner personellen Möglichkeiten“. Selbstverständlich wünsche sie sich eine bessere personelle Ausstattung des Amts – „denn bei aller Kritik muss man darauf hinweisen, dass in unserem Bezirk sehr viele Straßen durch die Mitarbeitenden zu kontrollieren sind – mehr als 400 Kilometer öffentliches Straßenland“. Dabei lege man einen Schwerpunkt auf Schulwegsicherheit und Barrierefreiheit. „Dennoch“, so Ellenbeck, „bin ich zuversichtlich, dass wir auch in der Hauptstraße eine spürbare Verbesserung der Situation zeitnah erreichen werden.“
So richtig wird das ihre Kritiker nicht überzeugen: Die fordern nämlich – nicht nur in Tempelhof-Schöneberg – nicht nur „Knöllchen“, sondern konsequentes Abschleppen als einzig wirksame Maßnahme gegen Falschparken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen