Zehnter Westbalkangipfel: Deutschland verpasst seine Chance
In Berlin diskutieren die EU-Mitgliedsanwärter über ihre Zukunft. Deutschland verpasst die Möglichkeit, vor rechtem Einfluss zu schützen.
A ls Angela Merkel 2014 die Oberhäupter der sechs nicht zur EU gehörenden Westbalkanstaaten zum ersten „Berlin-Prozess“ zusammenrief, war die Reaktion in den betroffenen Ländern durchaus positiv. Nach der Absage aus Brüssel und damit des Wortbruchs der EU schaffte Deutschland doch noch, eine Perspektive für den Eintritt in die EU zu geben. Man war ein Hoffnungsträger in Südosteuropa.
Von Frankreich und anderen Staaten wurden aber weiterhin Hürden aufgebaut. Möglicherweise wollten sie den Einfluss des balkanisch-europäischen Islam beschränken oder sorgten sich um die mit einer Erweiterung komplizierteren Entscheidungsprozesse.
Obwohl einzelne Staaten durchaus die Voraussetzungen für die Aufnahme erfüllt hatten, wurden sie brüskiert: So Makedonien, das sich nun Nordmazedonien nennen musste. Doch auch zwischen den Staaten krachte es.
Serbien und die serbische Teilrepublik blockierten lange Jahre nicht nur die Reisefreiheit für Kosovo und Bosnien, sondern auch den Warenaustausch. Erst bei der diesjährigen Konferenz setzte sich der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti durch, indem er einseitig die Reisebeschränkungen für Bosnier aufhob.
Gescheiterte Annäherung an EU
Die von der deutschen Diplomatie geförderten Fortschritte bei der Bildung eines geregelten gemeinsamen Marktes wurden immer wieder konterkariert. Ebenso Serbiens Wunsch, mit dem Projekt „Open Balkan“ einen gemeinsamen Markt zu schaffen.
Die deutsche Grundidee, den Westbalkan über die Angleichung der Gesetze und Prozeduren an die EU zu führen, ist bisher gescheitert. Und auch die Idee, über die Jugend eine Verständigung und Versöhnung zwischen den Nationen herzustellen. Inzwischen gewinnen die Rechtsaußen immer mehr an Einfluss in der EU, jetzt soll der pronationalistische Viktor Orban sogar die Richtung für die Integration des Westbalkans vorgeben.
Putin und Trump werden die Region in ihrem Sinn beeinflussen. Deutschland hatte die Chance, etwas Großes zu schaffen. Doch die scheint vorbei zu sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin