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Bumm bumm bumm

Wie wird es weitergehen? Düstere Aussichten auf der Bühne und hinter den Kulissen verhießen eine kurze Rede der Intendantin Iris Laufenberg und das Stück „Das Schiff der Träume“ am Deutschen Theater in Berlin

Der Groß­herzog (Julia Gräfner), und die anderen Künst­le­r:in­nen in den Schiffskabinen Foto: Eike Walkenhorst

Von Katrin Bettina Müller

Dies ist ein Untergang mit Ansage. Im letzten Bild der Inszenierung „Das Schiff der Träume (fährt einfach weiter)“, die im Deutschen Theater Berlin ein Premierenwochenende eröffnete, sitzen eine Möwe und ein Nashorn nebeneinander. Stumm, eine ganze Weile. Bis die Möwe fragt: „Erinnerst du dich noch an die Menschen?“. Kurz schnaubt das Nashorn und schweigt weiter.

Erinnerst du dich noch an das Theater in Berlin? So könnte die Frage auch bald lauten, wenn die jetzt angekündigten Einsparungen von 10 Prozent im Berliner Kulturhaushalt tatsächlich kommen sollten. Bevor die Premiere begann, trat die Intendantin Iris Laufenberg auf die Bühne. Wenn 10 Prozent gespart werden müssen, sind Theater und Opern nicht mehr spielfähig, sagte sie. So steht es auch in einem offenen Brief des Deutschen Bühnenvereins. 10 Prozent weniger Etat bedeute nicht etwa 10 Prozent weniger Kunst, sondern gar keine. Weil 90 Prozent in die Infrastruktur der Häuser fließen, Mieten und Honorare, und gebunden sind. Eine Struktur, die sich kurzfristig nicht ändern lässt.

Kultur gehöre zur DNA von Berlin, sagte Laufenberg. Auf Kultur als die attraktive Seite der Stadt und ihre internationale Ausstrahlung verweisen auch Thomas Ostermeier, Intendant der Schaubühne, und Barrie Kosky, ehemaliger Intendant der Komischen Oper, in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung. Die Ankündigung des Senats hat Alarmstimmung, Entsetzen und Unverständnis unter Theaterleitern ausgelöst. Sie rechnen vor, dass 10 Prozent Einsparung in der Kultur 0,25 Prozent Einsparung im gesamten Haushalt bedeutet, die Zerstörung aber wesentlich größer ist.

Am Ende verweist Iris Laufenberg in der kurzen Rede auf die Petition des Bühnenvereins. Das Publikum wird jetzt um Hilfe gebeten, die Theater zu retten.

Dass dieser kulturpolitische Albtraum ausgerechnet auf die Premiere von „Das Schiff der Träume (fährt einfach weiter)“ nach dem Film von Federico Fellini fiel, ist schon ein eigenartiges Menetekel. Denn hier startet im Jahr 1914, der Erste Weltkrieg hat gerade begonnen, eine Gesellschaft von Künstlern, um die Asche einer toten Diva zu ihrer Heimatinsel im Mittelmeer zu bringen. Unterwegs nehmen sie serbische Flüchtlinge auf. Ein Kriegsschiff bedroht sie deswegen und versenkt sie am Ende. Ein Ende, das in den Texten von Thomas Perle von Anfang an angekündigt wird.

Die Regisseurin Claudia Bauer hat die Inszenierung begonnen, krankheitsbedingt wurde sie von Anna Bergmann abgelöst. Das kann mit ein Grund sein, warum das skurrile Kabinett der eitlen, selbstverliebten und empfindlichen Künstlertypen, die hier auf die Reise gehen, so lange seinen Rhythmus nicht findet. Sie sind Karikaturen einer Epoche der Vergangenheit, so lange schon vergangen, dass ihre Zurschaustellung auf der Bühne jetzt kaum die Kraft hat, zur Kunst der Gegenwart und zu den wunden Stellen im Kunstbetrieb heute einen Bogen zu schlagen.

Die Kostüme von Vanessa Rust betonen das Überkandidelte der Untergangsgesellschaft. Was in dieser Inszenierung aber kaum zum Tragen kommt, von Anja Weber als moderierende Begleiterin der Reise mit Namen Orlando nur erzählt wird, ist die zweite Gruppe an Bord, die Geflüchteten. Zwar spielt Webers Text auf das Mittelmeer, mare nostrum, als das Meer an, das inzwischen zum Grab so vieler Toter, die sich in eine andere Welt retten wollten, geworden ist, aber das sind wenige epische Sätze, die sich mit der übrigen Inszenierung kaum verbinden.

Die Kostüme von Vanessa Rust betonen das Überkandidelte der Untergangsgesellschaft

2016 hatte Karin Beier Fellinis Film als Vorlage für ein Stück im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg genutzt und aus dem Aufeinandertreffen der beiden Gruppen eine interessante Perspektive auf ästhetische, soziale und postkoloniale Diskurse entwickelt. Das Hamburger Ensemble spielte dies zusammen mit Gastkünstlern aus Haiti und afrikanischen Ländern. Da ging es nicht nur um verschiedene Klassen und Fragen der Ausbeutung, sondern auch um überholte Traditionen der europäischen Kunst und die Erwartung, von afrikanischen Performern authentische Erlebnisse geliefert zu bekommen. Am Deutschen Theater dagegen bleibt „Das Schiff der Träume“ jenseits aktueller Diskurse, was auch an diesem Theater ungewöhnlich ist.

Unter den Mitreisenden ist auch ein junger Erzherzog mit seiner Schwester. Er (gespielt von Julia Gräfner) sieht in seiner Uniform aus wie ein Kind, das Krieg mit Operette verwechselt. Orlando will unbedingt ein Gespräch mit dem Herzog, seine Schwester wimmelt sie immer wieder ab. Bis er ein einziges Mal auf ihre Frage danach, wie es denn weitergehen wird, antwortet, mit drei leise gelallten Lauten „Bumm bumm bumm“. Keine falsche Aussicht auf das, was im Ersten Weltkrieg geschah. Aber wenigstens amüsiert er sich dabei, erfreut sich durchaus am Untergang seiner Welt.

Wie wird es weitergehen? Gibt es noch eine andere Antwort?

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