piwik no script img

Resilienz des BundesverfassungsgerichtsSchutzwall für Karlsruhe

Der Bundesrat will, dass gesetzliche Änderungen zum Bundesverfassungsgericht nur noch mit seiner Zustimmung möglich sind. Die CDU/CSU ist dagegen.

In der Stärke der AfD sehen die Länder auch eine Gefahr für das Bundesverfassungsgericht. Und wollen handeln Foto: Uli Deck/dpa

Berlin taz | Die Länder wollen das Bundesverfassungsgericht noch stärker gegen verfassungsfeindliche Attacken schützen als der Bund. Änderungen des Bundesverfassungsgerichts-Gesetzes (BVerfGG) sollen künftig nur noch mit Zustimmung des Bundesrats möglich sein. Eine entsprechende Resolution beschloss der Bundesrat an diesem Freitag.

Der Bundesrat reagiert damit auf eine Initiative von SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU, die im Juli vorgestellt wurde. Wichtige Strukturmerkmale des Bundesverfassungsgerichts sollen im Grundgesetz verankert werden. Dies soll verhindern, dass die AfD oder andere Parteien, die das Verfassungsgericht lahm legen wollen, die Grundstrukturen des Gerichts mit einfacher Mehrheit im BVerfG-Gesetz ändern können.

Für den Fall, dass problematische Parteien im Bundestag oder im Bundesrat eine Sperrminorität (also mehr als ein Drittel der Sitze) erreichen, soll zudem verhindert werden, dass diese damit die Wahl neuer Ver­fas­sungs­rich­te­r:in­nen blockieren können. Statt im Bundestag würden die Rich­te­r:in­nen dann im Bundesrat gewählt – oder umgekehrt.

Der Bundesrat signalisierte jetzt für dieses Paket ausdrücklich Zustimmung. Die Länderkammer will aber noch weitergehen. Für eine Änderung des BVerfGG soll künftig die Mehrheit im Bundestag nicht mehr genügen, auch der Bundesrat soll jeweils mit Mehrheit zustimmen müssen. Dies soll auch im Grundgesetz vorgeschrieben werden.

Breite Mehrheit, aber Bayern zieht zurück

„Das mag aus Bundessicht zusätzlichen Aufwand bedeuten, das Wohl des Bundesverfassungsgerichts sollte uns diesen zusätzlichen Aufwand aber Wert sein“, sagte NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne), der den Antrag in der Länderkammer vorstellte. Sonst könnte eine Mehrheit des Bundestags zum Beispiel das BVerfGG so ändern, dass umstrittene Gesetze von den Rich­te­r:in­nen nur noch einstimmig (statt mit Mehrheit) für verfassungswidrig erklärt werden können, so Limbach. Dagegen könne der Bundesrat – wenn für eine Änderung des BVerfGG auch seine Zustimmung erforderlich ist – solche gefährlichen Änderungen verhindern.

Der Entschließungsantrag war zunächst von sieben Bundesländern eingebracht worden. Bayern zog sich dann aber am Donnerstag zurück. Doch am Morgen des Freitags kamen sechs neue Bundesländer aller Couleur als Antragssteller hinzu, so dass eine breite Mehrheit für den Antrag gesichert war.

Der Beschluss des Bundesrats wurde umgehend vom Deutschen Anwaltverein und vom Deutschen Richterbund begrüßt. Ein „zweiter Schutzwall“ würde die Resilienz des Bundesverfassungsgerichts zusätzlich stärken, sagte Sven Rebehn, der Bundesgeschäftsführer des Richterbunds.

Sinnvoll oder gefährlich?

Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag ist jedoch skeptisch. Sie zweifelt schon an der Annahme, dass der Bundesrat weniger anfällig für eine Übernahme durch problematische Parteien ist.

Die Ampelparteien haben gemeinsam mit der CDU/CSU in dieser Woche zwei Gesetzentwürfe in den Bundestag eingebracht: ein Entwurf für die geplanten Änderungen des Grundgesetzes, der andere Entwurf für Änderungen am BVerfGG. Die Forderung des Bundesrats ist darin noch nicht berücksichtigt. In der nächsten Sitzungswoche Anfang Oktober ist die erste Lesung der Gesetzentwürfe geplant. Bis Anfang nächsten Jahres sollen die Vorhaben in Bundestag und Bundesrat beschlossen sein.

Vermutlich wird es im Oktober oder November eine Sachverständigen-Anhörung geben. Diese könnte Aufschluss geben, ob die Forderung des Bundesrats eher sinnvoll oder eher gefährlich ist.

Die Verhandlungsposition des Bundesrats ist jedenfalls stark, denn die geplanten Grundgesetzänderungen sind nur möglich, wenn eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat zustande kommt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • „Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag ist jedoch skeptisch. Sie zweifelt schon an der Annahme, dass der Bundesrat weniger anfällig für eine Übernahme durch problematische Parteien ist“

    Mag jemand der CDU die Stochastik dahinter erklären?



    Vielleicht kann man es ihnen deutlich machen, indem man die 2-Faktor-Authentifizierung als Vergleich nimmt?

    Bitte, es muss doch in einfachen und verständlichen Worten vermittelbar sein, wie unglaublich beschränkt die CDU sich mal wieder aufführt.

  • Die CDU und CSU haben die Dimension was im thüringer Landtag bei der konstituierende Sitzung passiert ist, haben diese anscheinend noch nicht wirklich realisiert und verstanden was dort wirklich passiert ist, denen scheint es wohl, dass das Chaos noch nicht Chaos genug war. Das Bundesverfassungsgericht ist die einzige und letztes Instanz mit der unsere Verfassung geschützt wird, sie muss um jeden Preis vor politischen Missbrauch und Einflussnahme geschützt werden. Auf einen nicht unerheblichen teil der Bevölkerung ist keine demokratische Einsicht und verlass mehr möglich, leider. Sollte die CDU und die CSU das ganze weiter Partei politisch Missbrauchen, wird sich das ganze, ganz bestimmt bitter böse rächen mit ungeahnten Auswirkungen. Diese Macht besessenen und trunkenen pseudo Demokraten zeigen immer wieder durch das eigene verhalten, wie sehr es denen der Schutz des Bundesverfassungsgerichts und unserer Demokratie, und letztlich unser Land am Herzen liegt.

  • Wir sehen, daß eine Frau, die man noch vor kurzem für nichts weiter als eine einfache Bundestagsabgeordnete hielt, sich aufmacht, sich in die Koalitionsverhandlungen dreier Bundesländer regulierend einzumischen und auf diesem Weg mit abwegigen, auch außenpolitischen Forderungen den Bundesrat für ihre persönlichen Wunschvorstellungen instrumentalisieren will.

    Was nützt es dem Dietmar, vermeintlich die Wahlen gewonnen zu haben, wenn er sich, um aus diesem "Sieg" tatsächlich eine Regierung zu basteln, mit der Sahra ins Bett legen müßte und die ihm schon vor dem Date ein Messer an die Kehle hält: "Entweder Du machst, was ich will oder Dein Laden zerfällt zu Feinstaub?"

    Jede zusätzliche Sicherung ist willkommen, nicht aber Illusionen über ihre Wirksamkeit.

    • @dtx:

      Jung! Worum gehts? Get it? Shure?



      Hier: Absicherung Karlsruhe via - vor allem Grundgesetzänderung! Gell

      • @Lowandorder:

        Zuviel Text im vorigen Beitrag? Und dann noch in deutsch ...

  • Der Bundesrat will, dass gesetzliche Änderungen zum Bundesverfassungsgericht nur noch mit seiner Zustimmung möglich sind. Die CDU/CSU ist dagegen.?



    ---



    Reicht der CDSU das Chaos in Erfurt nicht? Da gab es einen ähnlichen Vorschlag, den die CDU aber ablehnte. Weil sie träumte stärkste Partei zu werden.



    So langsam kommen mir Zweifel, dass Merz & Co. noch an "Deutschland" denken! :-(



    Ist solch eine Partei noch wählbar?



    "Denke ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht!" (c) H. Heine, dem ich mich, leider, in der politischen Konstellation VOLL anschließen muss! :-(

  • Liggers “Vermutlich wird es im Oktober oder November eine Sachverständigen-Anhörung geben. Diese könnte Aufschluss geben, ob die Forderung des Bundesrats eher sinnvoll oder eher gefährlich ist.“

    Na Mahlzeit - dann wollen wir nur hoffen!



    Daß die HerrDamschafftsgezeiten - die Frakties vorweg! Newahrau



    Auch zuhören - und nicht die Augen auf Null stellen!



    Weil via Fraktionszwang längst alles abgekaspert ist! Woll



    Normal

    kurz - Es ist an der Zeit. Wie sich grad schön zeigt!



    Nicht nur die Arschlöcher für Deutschland 🇩🇪 !



    Nein - auch die Hybrid-Politikaster in die demokratischen



    Schranken zu verweisen!



    Gellewelle&Wollnichtwoll •

  • Abgesehen davon sind ja auch die Bundesländer zumindest indirekt durch BVG-Urteile betroffen -- also sollten sie auch entsprechend eingebunden werden.

    • @Libuzzi:

      Die Frage ist eher, ob man noch ein BVerfG hat, wenn man es braucht.

      Zur Erinnerung: Höcke hat(te) in Hessen ein Lehramt. In Geschichte. Man darf also voraussetzen, daß er weiß, wie die Weimarer Republik und dann der Reichstag verschwanden. Ein Gesetz (und auch das Grundgesetz ist eines) ist immer nur so gut, wie es durchgesetzt wird.

      • @dtx:

        Ach - hier sanns!



        Liggers: “Verfassungen sind keine Lebensversicherungen!“



        wußte schon Ol Horst Ehmke!;) - 🙀🥳🧐

  • Die Unterüberschrift ist sehr verkürzt, wenn der Text stimmt: Mehrere Landesregierungen aller Couleur unterstützen den Antrag, und mindestens die NRW-Landesregierung ist ja CDU-geführt. Nur die Bundestags-Fraktion ist nach einem Halbsatz „skeptisch“ – das heißt ja noch nicht mal sicher dagegen.

    • @o_aus_h:

      Es spricht nichts gegen anfängliche Skepsis, sofern die vermeidet, daß das Gesetzeswerk "handwerklich verpfuscht" wird.