Reform des Vergaberechts: Mehr öko, weniger Ausschreibung
Das Wirtschaftsministerium will die Untergrenze für Ausschreibungen anheben und neue Kriterien einführen. Doch die FDP meldet Bedenken an.
Grundsätzlich vereinbart haben diese Reform die Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP in ihrer Wachstumsinitiative Anfang Juli. Es geht darum, Unternehmen von Bürokratie zu entlasten und die Wirtschaftsschwäche zu überwinden. Auf eine Kostenersparnis von insgesamt 1,3 Milliarden Euro jährlich durch die leichtere Auftragsvergabe hofft das federführende Bundeswirtschaftsministerium.
Neben der Anhebung des unteren Schwellenwertes sind zahlreiche weitere Vereinfachungen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene geplant. „Innovative Leistungen von Start-ups oder gemeinwohlorientierten Unternehmen können bis zu einem Auftragswert von 100.000 Euro als Direktauftrag und ohne aufwändiges Vergabeverfahren beschafft werden“, heißt es in dem Papier, das der taz vorliegt. Die Regierung will eine Internetseite einrichten, auf der „Unternehmen einen Überblick über alle öffentlichen Aufträge in Deutschland gewinnen können“.
Allerdings kommen auch neue Vorschriften hinzu. So sollen öffentliche Stellen künftig mindestens ein Öko- oder Sozial-Kriterium bei der Auftragsvergabe berücksichtigen, beispielsweise existenzsichernde Löhne in der Herstellung bestimmter Produkte oder den Verzicht auf umweltschädliche Chemikalien. Verpflichtend werden Nachhaltigkeitskriterien allerdings nur bei 15 Produktgruppen, zu denen unter anderem Textilien, Holz, Kaffee und Kakao gehören.
Öko-Kriterien versus Menschenrechte
Daran äußerte Christian Wimberger von der Entwicklungsorganisation Romero Initiative Kritik: Die Regelung berge die Gefahr, dass die einfach anzuwendenden Öko-Kriterien in den Vordergrund rückten und die sozialen Menschenrechte vernachlässigt würden. In ihrem Appell an die Bundesregierung fordern zahlreiche Organisationen denn auch „verbindliche menschenrechtliche Kriterien sowie umwelt- und klimabezogene Anforderungen für alle sensiblen Produktgruppen“. Unterschrieben haben dabei die BürgermeisterInnen vieler Städte und Gemeinden, etwa von Bodenmais, Bremerhaven, Coburg, Dortmund, Hallig Hooge, Markt Altdorf und Zwiesel.
Das alles hängt zusammen mit einem anderen Vorhaben der Regierung, dem Tariftreuegesetz. Dieses Anliegen vor allem der SPD ist ebenfalls ein Teil der Wachstumsinitiative. Dabei geht es darum, dass nur noch solche Firmen Aufträge des Bundes erhalten sollen, die einen einschlägigen Tarifvertrag anwenden. Sozialdemokraten und Gewerkschaften wollen damit die Bezahlung der Beschäftigten verbessern.
Das trug die FDP-Spitze zwar mit, aber ihre Bundestagsfraktion hat noch Fragen. „Durch das Tariftreuegesetz kommt es zwangsläufig zu einem Aufwuchs an Bürokratie, der durch eine kluge Ausgestaltung des Vergaberechts überkompensiert werden muss“, sagte FDP-Parlamentarier Carl-Julius Cronenberg der taz. „Die Wechselwirkungen zwischen Vergaberecht und Tariftreuegesetz sind komplex, die Prüfung beider Vorhaben dauert an.“ Was das genau heißt, ließ Cronenberg offen.
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