Ausstellung zu Fotografin Lucia Moholy: Ohne Lucia kein Bauhaus

Die Prager Kunsthalle widmet der Bauhaus-Fotografin Lucia Moholy eine große Retrospektive. Aber warum nimmt man erst jetzt ihr wichtiges Werk wahr?

Eine Person fasst sich mit beiden Händen an den Hinterkopf.

Ihr Porträt einer Zeitgenossin (Gisela Schulz): Lucia Moholy, ca. 1929 Foto: Bauhaus Archiv, Berlin

Bei Prag wurde sie 1894 geboren, in Prag wuchs sie auf, von hier aus ging sie 1915 in die Welt: Lucie Schulz, bekannt unter ihrem späteren Namen als Lucia Moholy. Den Nachnamen hatte sie von ihrem Ehemann László Moholy-Nagy, den sie 1921 in Berlin geheiratet und von dem sie sich acht Jahre später wieder getrennt hatte.

Mit ihm kam sie ans Bauhaus, erst in Weimar, dann ab Ende 1926 in Dessau. Doch während er zu einem der „Meister“ berufen wurde, blieb sie lediglich im Umfeld, als Zuarbeiterin für Fotografien und die Herausgabe der Bauhaus-Bücher.

„Lucia Moholy: Exposures“: Kunsthalle Prag, bis 28.10.; Katalog (Hatje Cantz), 48 Euro

Diese Geringschätzung ist das eigentliche Thema der groß angelegten Ausstellung, die die Kunsthalle Prag der Pragerin Lucia Moholy widmet. Sie breitet das Lebenswerk aus und alle Lebensstationen, mithin auch die mehrfachen Brüche in beidem, die dazu beigetragen haben, dass ihr ein angemessener Platz in der Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts verwehrt blieb.

Mit dieser Ausstellung – die mit der Fotostiftung Schweiz in Winterthur entstand und dorthin weiterwandern wird – und der begleitenden Buchpublikation liegt das Material für eine Neubewertung offen zutage.

Keine Anstellung am Bauhaus

Das betrifft zum einen die Bauhaus-Historie. Die Fotografien, die das von Walter Gropius entworfene Dessauer Gebäude weltberühmt gemacht haben, und zwar viel stärker, als das vermeintlich so singuläre Schulkonzept, stammen ganz überwiegend von der Hand Lucia Moholys, die 1923 bei einem Weimarer Fotografen in die Lehre ging und 1925 in Leipzig Fototechnik studierte.

Nur eine Anstellung am Bauhaus selbst fand sie nicht, wie auch später nicht in den USA, wo ihr Ex-Mann das New Bauhaus in Chicago leitete und wohin sie vergeblich zu emigrieren versuchte.

Bereits 1934 war sie nach London übersiedelt und arbeitete als „Kunstphotographin“. Später widmete sie sich der Technik der Mikrofilmdokumentation, übernahm mehr und mehr administrative Aufgaben und wurde schließlich sogar von der Unesco als Expertin gerufen. Als Fotografin arbeitete sie immer wieder, vor allem in Ländern wie der Türkei.

Später lebte sie in der Schweiz, wo sie 1989 hochbetagt verstarb. All das ist nun erstmals mit biografischem und dokumentarischem Material in der Prager Kunsthalle ausgebreitet; für den Besucher nicht immer ganz einfach zu verfolgen, weil dieses so ereignisreiche Leben beständige Sprünge macht.

Streit mit Gropius

Die Bauhaus-Jahre spielen hier gar nicht einmal die Hauptrolle, obgleich nicht nur einige ihrer bekannten Fotografien zu sehen sind, sondern auch eine Handvoll der 600 Glasnegative. Um sie musste Lucia Moholy einen jahrelangen, demütigenden Streit mit Gropius ausfechten, der sie bei seiner Übersiedlung in die USA hatte mitgehen lassen und mit ihnen seine so erfolgreiche Bauhaus-Propaganda betrieb.

Diese Geschichte ist inzwischen bekannt. Im Herbst 2022 zeigte das Berliner Bröhan-Museum die Ausstellung „Lucia Moholy. Das Bild der Moderne“, in der die Konstruktion der Moderne durch Lucias Fotografien im Mittelpunkt stand, und bereits 1995 hatte das Bauhaus-Archiv ebenfalls in Berlin „Lucia Moholy. Bauhaus-Fotografin“ gezeigt.

Der Katalog verzeichnet 296, allesamt abgebildete Aufnahmen der Jahre zwischen 1923 und 1930. Es ist also seit 30 Jahren nachzulesen, wie Lucia Moholys Lebenswerk zu bewerten ist, und der Entdeckerruhm der jetzigen Prager Ausstellung beruht eher auf der Unkenntnis bereits erbrachter Leistungen.

Solches Vergessen begleitet Lucia Moholys Leben und Rezeption. Anders als bei Gropius, Breuer und all den „Meistern“ des Bauhauses verband man mit ihrem Namen keine genui­ne Leistung – und die Fotografien des Gebäudes wurden, wie es schon Gropius selbstherrlich gemacht hatte, allein dem Architekten gutgeschrieben.

Um so wichtiger ist auch die jetzige Ausstellung. Man kann es nicht oft genug sagen: Die Geschichte des Bauhauses ist ohne Lucia Moholy nicht zu schreiben. Ihr ganzes Leben aber, weit über diese Episode hinaus, steht exemplarisch für dieses zerrissene 20. Jahrhundert.

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