Karlsruhe zum BKA-Gesetz: Verhältnismäßig kompliziert

Karlsruhe ist das Gesetz zur BKA-Datenbank zu unpräzise. Es ist wichtig, nach der Verhältnismäßigkeit zu fragen, auch wenn es Gesetze komplexer macht.

Stephan Harbarth, Vorsitzender des Ersten Senats beim Bundesverfassungsgericht und Präsident des Gerichts, aufgenommen vor Beginn der Urteilsverkündung zum «Bundeskriminalamtgesetz - Datenplattformen»

Bundesverfassungsgericht: Urteilsverkündung zum Bundeskriminalamtsgesetz Foto: Uli Deck/dpa

Das Bundesverfassungsgericht hat erneut das BKA-Gesetz beanstandet. Nach einem Grundsatzurteil 2016 ging es diesmal um eher punktuelle Fragen. So soll nicht jeder Beschuldigte aus einem Strafverfahren ohne Weiteres in einer BKA-Datenbank landen können. Karlsruhe verlangt eine ausdrückliche „Negativprognose“ zur strafrechtlichen Zukunft der Person.

Das Urteil arbeitet weiter an der Ausgestaltung des deutschen Polizeirechts unter dem großen Leitbild der Verhältnismäßigkeit. Das ist einerseits zu begrüßen. Wir alle wollen eine Polizei, die nicht mit Kanonen auf Spatzen schießt, die nicht willkürlich handelt und die ihre Ressourcen auf das Wesentliche konzentriert.

Allerdings befremdet es etwas, wenn Gesetze wie das BKA-Gesetz, die man auch als Jurist kaum noch verstehen kann, beanstandet werden, weil sie nicht genug bedacht, ausformuliert und klein geregelt haben. Natürlich ist es besser, wenn die Bedingungen für einen Grundrechtseingriff im Gesetz nachzulesen sind und nicht nur in geheimen Verwaltungsvorschriften oder in Gerichtsurteilen stehen.

Mal sehen, wie der Bundestag die nun von Karlsruhe geforderte „Negativprognose“ regelt. Vermutlich so, dass mindestens fünfzehn Aspekte zu berück­sichtigen sind und am Ende die Po­li­zis­t:in­nen doch machen können, was sie für verhältnismäßig halten. Man kann nur hoffen, dass die super­differenzierten Karlsruher Urteile wenigstens eine allgemeine Sensibilisierung bewirken und nicht nur Unverständnis, Resignation und Trotz bewirken. Denn auf den Umgang der Po­li­zis­t:in­nen mit dem Polizeirecht kommt es ja nicht ­zuletzt an.

Weniger Orientierung für Betroffene

Auch für die Bür­ge­r:in­nen ist unter dem Strich nicht viel gewonnen. Selbst wenn sie am Ende weniger häufig in BKA-Dateien landen, wissen sie nicht, wer wann was über sie speichert, auswertet und weitergibt. Und je komplizierter die Polizeigesetze sind, desto weniger bieten sie den Bür­ge­r:in­nen Orientierung.

Es ist das Elend der Verhältnismäßigkeit, dass sie in jedem Moment einen guten Ausgleich der Interessen verlangt, ihre Signale dann aber eher diffus und vage sind.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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