piwik no script img

Caterina Valente ist gestorbenGanz Paris träumte von ihr

Caterina Valente war eine Berühmtheit, wie es sie heute nicht mehr gibt: singend, albernd, perfektionistisch. Nun ist sie gestorben.

Die Sängerin Caterina Valente ist im Alter von 93 Jahren gestorben Foto: Dürrwald/dpa

Berlin taz | Um ihr Verständnis vom Künstlerischen zu verstehen, reicht, Auskunft von ihr darüber einzuholen, weshalb sie nicht mehr live auftritt, in Konzertsälen, auf Bühnen wie früher, Baden-Baden, Philharmonie in Berlin, Las Vegas, vor allem in den USA, Carnegie Hall: Caterina Valente sagte, angelegentlich einer CD-Produktion namens „Girltalk“ mit der französischen Harfinistin Cathérine Michel, dass sie auf keinen Fall auf Bühnen singen werde, denn sie sei körperlich, stimmlich vor allem nicht mehr so gut wie einst – sie fände sich dem Publikum kaum mehr zuzumuten, so musste diese bescheidene Geste verstanden werden.

Die Valente war zu ihrer Zeit, und das war die des Nachkriegs, eine singende, albernde, tanzende, performende, sich (und anderen) ständig Perfektion abverlangende Sängerin – eine Berühmtheit, wie sie heutzutage nicht mehr ermessen werden kann. Sie war von den mittleren 50er- bis in die frühen 70er-Jahre eine Sängerin von Weltklasse, von multikulturellster Delikatesse, wie man es heutigen Sängerinnen kaum nachsagen würde: Die Valente, das war die Beyoncé ihrer Zeit, allerdings ohne den Social-Media-Rummel.

Das Kind einer Zirkusfamilie, gequält von der Mutter, die ihr kein Talent nachsagte, 1931 in Paris geboren, vielsprachig, Italienerin und Deutsche, entwickelte sich, über viele Jahrzehnte im Bunde mit ihrem Bruder Silvio Francesco, zu einer Star-Figur, wie es sie in Europa vor ihr nicht gegeben hatte, zu den Zeiten ihrer Berufstätigkeit schon gar nicht.

Die Valente, früh befreundet mit dem später nicht minder erfolgreichen Gilbert Bécaud, war in der Bundesrepublik die Sängerin des Wirtschaftswunders, die Schlagerschluse, „Ganz Paris träumt von der Liebe“, „Wo meine Sonne scheint“, „Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu-Strand-Bikini“ oder „Komm ein bisschen mit nach Italien“. Die Valente hatte keine Bedenken, den sie unterfordernden Stoff zu singen? „Ich habe immer versucht, die Schlager besser zu singen.“ Und wie!

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Sie konnte beinah alles

Eine Idee von ihrer Kunst bekommt, wer sich eine Aufzeichnung der Deutschen Schlagerfestspiele des Jahres 1964 besorgt, bei denen sie Gaststar war. Bécauds „Et maintenant“, zu deutsch: „Was wird aus mir?“, ließ alle Acts der eigentlichen Konkurrenz blässlich aussehen. Die Valente konnte mehr als alle anderen, soviel Internationalität war in Deutschland sonst nicht zu hören – und ist es noch nicht.

International jedoch wäre das nicht ausreichend gewesen, um von Perry Como, Harry Belafonte, Dean Martin oder Ella Fitzgerald und Louis Armstrong ernst genommen zu werden. Caterina Valente, stimmlich über mehrere Oktaven sicher, jazzy in jeder Hinsicht, versiert auch in der Kunst japanischer oder brasilianischer Phrasierungen, konnte beinah alles – ihre Professionalität speiste sich wahrscheinlich aus stupendem Talent, möglicherweise auch aber auch aus der Selbstdisziplin, jedes noch so triviale Lied perfekt einzuüben.

Legendär die Furcht von TV-Regisseuren, etwa beim Südwestfunk in Baden-Baden, dass die Valente noch nachts um vier bereit war, jedes Tanzschrittchen, jeden Ton nochmals zu probieren: Das sei sie dem Publikum schuldig, sagte sie, dieses bezahle sie ja, und weil das so ist, sei sie künstlerisch auch zu allem fähig. Der Wurm müsse dem Fisch schmecken, nicht dem Angler, sagte sie einmal – also lieferte sie in Las Vegas „The Breeze & I“ in klirrender Vollendetheit ab – und beim bundesdeutschen Publikum eben die Schnulzen, die es wollte. Und die dem Jazz in nichts nachstanden

In den vergangenen Jahrzehnten lebte sie im Ruhestand, einem selbstverordneten Exil des Alters, einer Retraite. Interview-Wünschen gegenüber verweigerte sie sich mit Freundlichkeit, sie habe nichts zu sagen, alles, was ihr Leben sei, könne im Internet nachgeguckt werden.

„Ich habe es geschafft“

Der taz gewährte sie vor 21 Jahren in Zürich, angelegentlich einer Wiederveröffentlichung von Titeln aus ihrer amerikanischen Karriere vor allem in den Sechzigern, eine Audienz. Im Gespräch sagte sie auf die Frage, wie sie ihren Ruhestand lebe: „Die Biografie von Quincy Jones zu Ende lesen. So viele Menschen kommen dort vor, die ich noch kannte und kenne.“ Und wie würde sie ihr Leben in einem Satz zusammenfassen: „Ich habe es geschafft.“

Caterina Valente war Teil einer Künstler- und Künstlerinnenriege, die in der Nachkriegszeit, in der Ära des kulturellen und politischen Optismus erwachsen wurde, daran glaubend, dass die Welt in all ihren Facetten zusammengehört.

Rassismus verbot sich, ethnoplurale Verständnisse vom Kulturellen sowieso. Harry Belafonte, Ella Fitzgerald, Louis Armstrong, Perry Como, Esther & Abi Ofarim, Gilbert Bécaud, Marlene Dietrich oder Josephine Baker, die Antinaziwiderstandskämpferin: Sie verstanden sich als Botschafterinnen einer Selbstverständlichkeit: Dass kein Mensch je unter anderen leiden solle, das war ihr „Nie wieder“.

Caterina Valente ist gestern im Alter von 93 Jahren in ihrem Haus in Lugano, Schweiz, gestorben. Sie war eine Weltmusikkünstlerin, die können wollte, was ihr als Talent mitgegeben war. Und wie!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

15 Kommentare

 / 
  • was für eine tolle Berichterstattung, endlich mal wieder was ohne Aber und Einschränkung bewundernd, anerkennend positiv! Sehr gelungen, danke dafür!

  • Caterina Valente ging es ähnlich wie Nana Mouskouri - von ihr wollte man in Deutschland auch immer nur Lieder wie "Weiße Rosen aus Athen". Im Rest der Welt hatte man auch Bedarf an all den anderen Genres der Sängerinnen.



    Deshalb ist es schade, dass Caterina Valente sich vor über 20 Jahren so zurück gezogen hat. Vielleicht hätte sie in diesen Jahren eine neue Anerkennung auch in Deutschland finden können.



    Die beste Hommage , das beste Gedenken ist, sie zu hören. Auf Vinyl, kann, muss nicht sein - hauptsache hören, was diese Frau alles singen konnte.

  • Schließe mich den Worten des Autors und der Kommentierenden vollumfänglich an - diese Vollblut-Entertainerin von Kindesbeinen an war ohne Übertreibung das Beste, was das deutsche Showbiz in den 50ern und 60ern zu bieten hatte: Schlagersängerin und Weltstar, zu nahbar, zu charmant und zu witzig, um jemals zur Diva zu werden.



    Hier ihr Flirt mit dem Rock'n'Roll im Film "Hier bin ich - hier bleib ich" von 1958, zu dem man extra Bill Haley & his Comets, die sich gerade auf ihrer skandalträchtigen BRD-Tournee befanden, vor die Kamera gezerrt hatte:

    m.youtube.com/watc...50ZSBiaWxsIGhhbGV5

  • Ein schöner Nachruf. Mir war nicht bekannt was sie konnte, dazu bin ich wohl zu jung (57) und habe sie etwas aus den Augen verloren. R.I.P.

  • Danke für diesen Nachruf auf Caterina Valente. Aber hören ist noch viel besser als lesen. Vielleicht das Studioalbum „Caterina in London“

  • Das ist eine sehr schöne Würdigung dieser Ausnahmekünstlerin, Herr Feddersen. Vielen Dank dafür.

    Nur würde ich Ihre Aussage zu Beyoncé (oder Taylor Swift, Rihanna, Helene Fischer usw.) noch darum ergänzen, daß Caterina Valente auch nicht diese ganzen High-Tech-Shows brauchte. Auf Youtube gibt es einen Clip von einem Auftritt bei und mit Dean Martin. Da brauchte sie nur ihre Gitarre, um das Publikum zu begeistern.

    Ich gebe zu, das klingt jetzt sehr nach "Früher war alles besser", aber manchmal könnte es ja tatsächlich in Teilen so gewesen sein.

    • @ PeWi:

      anschließe mich at last & in aller Bescheidenheit / look down - Willi & me;)

  • Schade.

    RIP, Frau Valente, Sie haben es geschafft!

  • Das Lied könnte eine Ode von dem einen an die andere sein



    youtu.be/UjuR8RGLTTg?feature=shared



    Oder?

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      &! Mit Bill Haley &!! wollts ja erst noch jloben - dachte nur - diiie Fresse kennste



      Wolfgang ick setz mir mal bei Richie -



      Neuss - na und um Fluppen 🚬🚬🚬🚬 Ging‘s ja och - wa! Catarina & die 🍳 -



      Hier bin ich – hier bleib ich



      Film von Werner Jacobs (1959) =>



      de.wikipedia.org/w...%93_hier_bleib_ich



      Bill Haley & Caterina Valente in "Hier bin ich, hier bleib ich" - rare german movie from 1958 - RIP &vorsorglich wgQ



      www.youtube.com/wa...xsIHJhbXNleQ%3D%3D

      Bon voyage - Caterina Valente - 💐

      • @Lowandorder:

        Nix Bill Haley, Bill Ramsey - Pigalle, wg. Parisien



        Link? Später noch mal. No time

        • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

          Alles gut - ich dscht - da gäbs ein Duo.



          Keep 😎 - not so busy - 24.10. see you I hope 🪘🥁 - 🙀🥳 -

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      Ok Ok - funzt wohl nicht zu Bill - hm?



      H. R. - “…als Bill Haley noch lebte und Kettenkarussellfahren 5 Pfennig kostete“



      Nehmer dess - Bill Haley & Caterina Valente in "Hier bin ich, hier bleib ich" - rare german movie from 1958 - RIP



      www.youtube.com/wa...xsIHJhbXNleQ%3D%3D

  • Gute Reise - Catarina Valente - One Note Samba - 🎶 - 🪘🪘🪘 -

    Dean Martin & Caterina Valente - 💃🕺🏻 -



    www.youtube.com/wa...FuIG1hcnRpbg%3D%3D

    (unterm——



    Stimmt ja alles - aber wie dann dieser alberne Hyp - ?! - 🙀🥳🥴 -



    Über/um eine gesanglich eher mittelmäßige bewegungssuboptimale - Taylor Swift - Gell!



    taz.de/Taylor-Swif...32707&s=Feddersen/



    Peinlich sojet schwülstig - über eine geschmacklose Medienblase.



    ESC - schwächt scheint‘s erheblich!)

    And therefore - once again -



    Mina, Caterina Valente, Franco Cerri e Silvio Francesco cantano Dominique (1966)



    www.youtube.com/watch?v=4p03RFskVnQ



    & nochmals



    Bon voyage - Catarina Valente -