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Wenn Rassismus plötzlich Pop istHass geht ab

Auf der AfD-Wahlparty in Brandenburg wurde ein Abschiebesong gegrölt – zur Melodie eines Hits der Berliner Rapper „Die Atzen“.

Distanzierten sich lauwarm von der rassistischen Umdichtung ihres Song durch AfDler: Die Atzen Foto: Britta Pedersen/dpa

Jetzt sind Menschenverachtung und Rassismus also die ultimativen Partyknaller“, sagt die Freundin und trinkt ihren zweiten Schnaps.

„Ekstatisch zur Schau gestellt, fern jeder Scham“, sagt der Freund und zieht lang an der Zigarette.

„Von drastischen Durchschnittsfrauen und -männern in Normalo-Kleidung.“

„Als lebten wir längst in einer Dystopie.“

„Die Feier-Nazis glauben offensichtlich, es wär’ alles gewonnen, der Rest nur eine Frage der Zeit.“

„Zombies mit Internet.“

„Wie so ein Horror-Musical.“

„Leider keine Fiktion.“

„Nazis sind auch Menschen.“

„Mit Emotionen aus der hinterletzten Mülltonne.“

„Würd’ sagen, da ist nix als Stahlbeton.“

„Die haben schon Gefühle, sogar Hoch­gefühle!“

Glück, Millionen Menschen zu entsorgen

„Sie tanzen und singen voller vorausschauendem Glück, die totale Macht zu erlangen, um Millionen Menschen zu entsorgen.“

„Hass als Lebenselixier.“

„Was sagen eigentlich ‚Die Atzen‘ dazu?“

„Bisher nicht viel.“

„Nur, dass nur Fußball-Hertha und Sponge Bob ihr Lied umdichten dürften.“

„Das war’s?“

„Geht’s noch defensiver?!“

„Meint ihr, da ist Nazi-Sympathie?“

„Oder Geldhaufen-Sympathie.“

„Die treten regelmäßig am Ballermann auf.“

„Da hätten andere deutlicher reagiert.“

„Warum bauen nicht mal ein paar coole deutsche Mu­si­ke­r:in­nen einen krassen Anti-Nazi-Hit zusammen?!“

„So was wie ‚We Are The World‘?“

„Nee, dynamischer, was mit Wumms und Power, das die jungen Leute mit einem Ruck abholt.“

„Aus der Nazi-Ecke?“

„Egal aus welcher, aber wir brauchen jetzt mal ein paar richtig gute Rhythmen gegen die Nazis!“

„Mit Texten, die reinhauen.“

Wie soll man gegen so einen vollendeten Verlust von Moral und Anstand ankommen?

„Für jede Generation.“

„Die AfD behauptet, es sei bloß jugendlicher Spaß, ihre Jugendorganisation habe den Song impulsiv kreiert.“

„Die Drecksläuse wollen eben mal so richtig auf der eigenen Kacke tanzen.“

„Hassen und Hüpfen, das neue postpubertäre Ding.“

„Auch postpostpostpubertär.“

„Jung und Alt, ein Trallala für die Gewalt.“

„Hat das Böse jetzt rauschhaft gesiegt?“

„Noch lange nicht.“

„Aber wie soll man gegen so einen vollendeten Verlust von Moral und Anstand ankommen?“

„Gegen Leute Politik machen, die lügen, Menschen hassen, die das Grauen, das Arische expandieren wollen, die nichts mehr merken außer das speedartige Dopamin der eigenen sich steigernden fäkalen Entgleisung.“

„Und die anderen, die Politik machen, haben immer noch nicht begriffen, dass das Ende der Anständigkeit ist, was eine Menge Leute schlicht megageil findet.“

„Merz zum Beispiel hat das begriffen – er macht längst mit.“

„Er feiert das ab.“

„Wisst ihr noch: Man müsse die Sorgen und Nöte der Leute ernst nehmen.“

„Der Leute, für die Menschenverachtung ein euphorisierender Partyspaß ist.“

„Der Leute, die die wählen.“

„Würd’ sagen, der Ernst ist jetzt gelutscht.“

„In den Brunnen gefallen.“

„Und nun?“

„Weitermachen.“

„Das Böse unterminieren.“

„Politisch und überall, jeden Tag.“

„Ohne Wenn und Aber.“

„Im Zweifel für die Schwächeren.“

„Ein guter Mensch bleiben.“

„Und ihr glaubt, das könnte helfen?“

„Was auch immer, es ist das einzig Richtige.“

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Jasmin Ramadan
Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr neuer Roman Roman „Auf Wiedersehen“ ist im April 2023 im Weissbooks Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.
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