piwik no script img

LNG-Terminal in Brunsbüttel besetztEnde fürs Hafengelände

Ende Gelände hat am Donnerstag das im Bau befindliche LNG-Terminal besetzt. Die Ar­bei­te­r*in­nen im Hafen waren von der Aktion nicht überzeugt.

Protest gegen LNG in Brunsbüttel: Die im Bau befindlichen Stützpfeiler waren ab Donnerstagmorgen besetzt Foto: Ende Gelände

Brunsbüttel taz | Sie haben sich schon die weißen Maleranzüge übergezogen und die Gesichter verhüllt, als sie in Brunsbüttel nahe des Hafens aus dem Bus steigen. Schnell tragen die rund 50 Ak­ti­vis­t*in­nen der linksradikalen Klimagruppe „Ende Gelände“ Banner, Schlauchboote und Rücksäcke aus dem Fahrzeug. Wenige Meter entfernt ist schon der mit einem Zaun abgesperrte Deich. Das Schloss wird aufgebrochen und schon laufen sie los zum Hafengelände.

Am Donnerstagmorgen haben Ak­ti­vis­t*in­nen den in Bau befindlichen Anleger für Flüssiggasimporte besetzt. Mit ihren Aktionen will Ende Gelände auf einen sofortigen Ausstieg aus allen fossilen Energien einsetzen. Denn an diesem Anlieger soll künftig dauerhaft das schwimmende LNG-Terminalschiff „Hoegh Gannet“ liegen, das gerade noch wenige Meter entfernt an einem anderen Pier angedockt ist. Solche LNG-Terminals wurden an verschiedenen Hafenstädten in Norddeutschland gebaut, um sich nach Kriegsausbruch von Russlands Gasimporten unabhängig zu machen.

Als die Ak­ti­vis­t*in­nen auf dem Gelände ankommen, wütet der erste Arbeiter lautstark. Ob sie denn wirklich glaubten, damit einen Einfluss zu haben. „Wollt ihr im Winter mit fünf Pullovern dasitzen?“, ruft er ihnen zu, als die Ak­ti­vis­t*in­nen das Gittertor passieren. Die aufgebläht in Weiß gekleideten Ak­ti­vis­t*in­nen stört das nicht weiter, sie verteilen sich über das Gelände. Einige klettern auf einen Bagger, andere besetzen einen Kran. Eine größere Gruppe läuft auf den Zugang zu den im Bau befindlichen Stützpfeilern im Wasser.

Jule Fink behält die Situation vom Deich aus im Blick. „Einige werden sich dort anketten, damit sie nur langsam geräumt werden können“, sagt die Sprecherin von Ende Gelände. Vier weitere Ak­ti­vis­t*in­nen wuchten ein Schlauchboot ins Wasser und paddeln los. Wenig später klettern sie an der Schiffswand zu einem der Bauschiffe hoch. Es beginnt zu regnen.

Festes Terminal an Land geplant

Auch Umweltverbände wie Greenpeace fürchten, dass durch den LNG-Ausbau länger an fossilen Energiequellen festgehalten wird. Und in Brunsbüttel soll das temporär genutzte Terminalschiff mittelfristig durch ein festes Terminal an Land ersetzt werden, obwohl Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erst vor wenigen Tagen die sogenannte Gasmangellage in Deutschland für beendet erklärt hatte. Und dennoch: Für den Bau des festen Terminals erließ das Land Schleswig-Holstein den endgültigen Planfeststellungsbeschluss, teilte der Betreiber des Terminals, das Unternehmen German LNG, zeitgleich zur Besetzung am Donnerstag mit.

Für Ende Gelände ist die Ablehnung von LNG nicht nur aus rein klimapolitischen Gründen zwingend. „Wir stehen für Klimagerechtigkeit und ein Ende der fossilen Ausbeutung, bei der eine Hand voll Konzerne Milliardengewinne macht, während wir alle die Zeche zahlen“, sagt Fink. LNG zerstöre vor allem die Lebensgrundlagen von Menschen in anderen Gebieten der Welt. So stammt der Großteil des nach Deutschland importierten LNG aus den USA, das dort mit der umstrittenen Fracking-Methode gewonnen wird. Die Bohr- und Pressmethode ist in Deutschland weitestgehend verboten, in den USA wiederum leide die lokale Bevölkerung an Luft- und Wasserverschmutzung und an der wachsenden Zahl von Erdbeben.

Die Wut des Arbeiters hat sich nach wenigen Minuten gelegt: Er und seine Kol­le­g*in­nen mit ihren Neonjacken haben sich mittlerweile am Metallgitterzaun versammelt, wo eben noch die Ak­ti­vis­t*in­nen auf das Gelände strömten. Mit ­verschränkten Armen und zusammengezogenen Augenbrauen stehen sie anfangs da, nach einigen Minuten blicken sie neugierig-amüsiert den Ak­ti­vis­t*in­nen hinterher. Die haben bereits Banner zwischen den Stützpfeilern aufgehängt: „LNG stoppen“ und „Kapitalismus überwinden“ ist darauf zu lesen. Fink unterstützt ihre Mit-Aktivist*innen lautstark vom Deich aus; „Attacke, Attacke, LNG ist kacke“, ruft sie, während der Regen von ihrer lila Mütze tropft.

Um kurz nach 9 Uhr schlagen etwa zehn Po­li­zis­t*in­nen auf. Die dunkelblau Uniformierten verteilen sich auf dem Gelände wie vorher die Ak­ti­vis­t*in­nen. Ruhig laufen die Be­am­t*in­nen über das Gelände, besprechen sich untereinander und mit den Arbeiter*innen.

Besetzung dauert an

Hafenchef Frank Schnabel möchte sich am Donnerstag zu den Vorkommnissen nicht im Detail äußern. Zwei Aspekte seien ihm jedoch wichtig: „Es wurde in Kauf genommen, dass die Unruhe für die geschwächten Schafe zum Tod führen kann“, sagt Schnabel. Schließlich sind die Schafe auf dem Deich, den die Ak­ti­vis­t*in­nen zur Besetzung genutzt hatten, von der Blauzungenkrankheit betroffen und die Deiche deshalb gesperrt.

Außerdem seien Demonstrationen für ihn nur so lange akzeptabel, bis die „Flächen Dritter betreten“ würden. Am späten Donnerstagnachmittag dauerte die Besetzung noch an.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Die Tatsache, dass die Aktivisten Umweltschutz zwingend von der Beendigung des Kapitalismus anhängig machen, hat ihre Aktion schon zu Beginn zum Scheitern verurteilt. Das kann man abhaken, die Gerichte erledigen den Rest.

    • @maxwaldo:

      Mindestens so schwer fällt ins Gewicht, den Tod von armen, kranken Schafen in Kauf genommen zu haben.