piwik no script img

China testet InterkontinentalraketeMachtdemonstration im Pazifik

Erstmals seit 1980 hat die Volksbefreiungsarmee eine Interkontinentalrakete über den Pazifik geschossen. Der Test wirft beunruhigende Fragen auf.

China hat nach eigenen Angaben eine Interkontinental-Rakete mit einer Sprengkopfattrappe in den Pazifischen Ozean abgefeuert Foto: Mark Schiefelbein/ap/dpa

Seoul taz | Am Mittwochmorgen um 8.44 Ortszeit flog die chinesische Interkontinentalrakete mit einer Sprengstoffattrappe in den Pazifik. Für die Weltöffentlichkeit war der Waffentest überraschend. Doch der Sprecher Zhang Xiaogang vom Verteidigungsministerium sprach von reiner „Routine“: Der Test stehe „im Einklang mit dem Völkerrecht und richtet sich nicht gegen ein bestimmtes Land“.

Doch von Routine kann keine Rede sein: Chinas letzter Test einer Interkontinentalrakete über dem Pazifik liegt gut 44 Jahre zurück. Was also will China mit dieser Machtdemonstration bezwecken?

Für Experten ist die wohl wichtigste Botschaft, dass das notorisch intransparente China den Raketentest überhaupt öffentlich gemacht hat. Es möchte wohl Stärke nach außen projizieren. Und auch wenn das Säbelrasseln angeblich nicht gegen ein bestimmtes Land gerichtet ist, dürfte dies in der Region anders gesehen werden.

„Sie sig­nalisieren, dass China in der Lage ist, US-Territorium mit Atomwaffen zu treffen“, zitiert die Financial Times den taiwanischen Professor Lin Ying-yu. Der Raketentest würde Pekings Verhandlungsposition stärken, bevor Xi Jinping demnächst wohl letztmalig mit US-Präsident Joe Biden telefoniert.

Massive Aufrüstung ohne Transparenz

Auch Chinas direkte Nachbarn dürften die militärische Aufrüstung skeptisch sehen. So haben Japan, Indien, Bhutan, Vietnam, Taiwan und die Philippinen Territorialkonflikte mit dem Reich der Mitte. Weitere Konflikte, darunter mit Russland und Nordkorea, sind zwar derzeit beigelegt, doch könnten sie jederzeit wieder ausbrechen.

Die Volksbefreiungsarmee hat zuletzt nicht nur regelmäßig auf See und in der Luft geübt, sondern erstmals ließ China am Mittwoch seine drei Flugzeugträger gleichzeitig in See stechen.

China steigert sein Militärbudget seit über drei Dekaden jährlich um mindestens sechs Prozent. Zwar ist dies mit umgerechnet 232 Milliarden Dollar nach wie vor nur ein Bruchteil des US-Etats. Doch sind die absoluten Zahlen aufgrund unterschiedlicher Kaufkraft zwischen beiden Staaten nicht vergleichbar.

China versteckt zudem etliche Kosten des Militärs, die nicht in offiziellen Zahlen auftauchen. Zudem hat Chinas Machthaber Xi eine Strategie der sogenannten „militärisch-zivilen Fusion“ forciert, die das Militär berechtigt, auf alle Forschungsergebnisse von Universitäten und technologische Errungenschaften von Staatsunternehmen zuzugreifen.

Änderung der Nuklearstrategie?

Die Staatengemeinschaft sollte Chinas nukleare Aufrüstung beunruhigen. In den letzten drei Jahren entdeckten US-Forscher mit Hilfe von Satelliten neue Nuklearsilos in den nordwestlichen Wüstengebieten. Nach US-Schätzungen hat China bereits 500 Nuklearwaffen und könnte innerhalb des nächsten Jahrzehnts zu Russland und den USA aufschließen.

Doch warum rüstet Peking weiter nuklear auf? Für die bisherige Strategie der Zweitschlagsfähigkeit hat China bereits genug Sprengköpfe. Demnach brauche es nur genug Atomwaffen, um einen US-Erstschlag zu überleben, um dann einen Gegenangriff zu starten. Dass Arsenal aufzustocken, macht nur Sinn, wenn die Strategie geändert wurde, um die Atommacht künftig stärker als Druckmittel zu nutzen, um politische Ziele durchzusetzen.

Doch sollte der Waffentest sicher auch die Funktionsfähigkeit der Raketenstreitkräfte zeigen. Diese waren innerhalb der letzten Jahre von einer beispiellosen „Säuberungswelle“ betroffen, der auch der Kommandeur der Raketenstreitkräfte zum Opfer fiel. Das Signal nach außen war damals verheerend: Dass selbst hochrangige Generäle korrupt sind, warf kein gutes Licht auf die Disziplin des Militärs und auf Xis Personalführung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare