Fischsterben in Europa: Buckellachse auf dem Vormarsch
Eine neue invasive Art drängt sich in europäische Flüsse. Forscher fürchten, dass sie heimischen Fischen zum Verhängnis wird.
Ursprünglich zu Hause ist der Fisch im Salzwasser des Nordpazifiks und des Arktischen Ozeans. Sein Name leitet sich vom extrem hohen Buckel ab, den die männlichen Tiere auf ihrem Weg zum Laichgebiet ausbilden. Von Ende Juni bis Mitte Oktober wechseln die Fische ins Süßwasser und steigen die Flüsse hinauf, beispielsweise Jenissei, Ob oder Lena in Russland oder Mackenzie River in Nordwest-Kanada. Anders als andere Lachsarten überleben die Buckellachse den Laichprozess nicht.
In den nährstoffarmen Flüssen Nordkanadas oder Sibiriens ist das kein Problem. Hierzulande allerdings schon: Viele europäische Flüsse sind schon voller Nährstoffe in Form von Dünger aus der Landwirtschaft, weshalb derzeit in vielen Flüssen das Algenwachstum explodiert. Kommt da noch massenhaft toter Fisch dazu, gerät das ökologische Gleichgewicht außer Takt.
In den 1940er Jahren versuchte die Sowjetunion, die Art im Weißen Meer – einem Nebenmeer des Arktischen Ozeans – nahe der Halbinsel Kola anzusiedeln, um dort neue kommerzielle Bestände für die Fischindustrie zu etablieren. „Damals glaubte man, dass dieser Versuch schiefgegangen sei“, sagt Marko Freese. Immer wieder versuchten die Sowjets, eine sich selbst tragende Population zu schaffen.
Jetzt könnte sich zeigen, dass der Versuch doch erfolgreich war: „Seit 2017 werden zunehmend Buckellachse auch in Mitteleuropa gefunden“, erklärt der Experte für Biodiversität und Wanderfische. Funde in Finnland, Island, England, Dänemark – „in Deutschland sind Buckellachse bislang in der Elbe, der Weser, im Rhein und in der Eider nachgewiesen“, sagt Freese vom Institut in Bremerhaven. Vermutlich seien die Tiere auch in die Ems eingedrungen, „wir gehen von einer hohen Dunkelziffer aus“. Noch seien die Fische nicht in der Ostsee anzutreffen, wogegen sie Nordseefischern bereits in die Netze gehen.
Buckellachs macht der Forelle Konkurrenz
Allerdings nur jedes zweite Jahr. Buckellachse folgen einem strikten Zwei-Jahres-Zyklus, ungerade Jahrgänge verpaaren sich nicht mit geraden. „Wir gehen davon aus, dass der letzte Ansiedlungsversuch Mitte der 80er Jahre nahe der Halbinsel Kola ein ungerader Jahrgang war“, erläutert Freese. Denn seit dem Erstfund 2017 seien Buckellachse immer nur in ungeraden Jahren nachgewiesen worden.
Die Forscher befürchten, dass Buckellachse mit heimischen Arten wie der Forelle Salmo trutta oder dem Atlantischen Lachs Salmo salar um Laichplätze und Futter konkurrieren. Bei anderen invasiven Arten war das auch schon so. Beispielsweise rottete der nordamerikanische Kamberkrebs die heimischen Flusskrebse fast vollständig aus, die zugewanderte Nilgans vertreibt heimische Arten.
Deshalb startete der internationale Rat für Meeresforschung ein Projekt, um die Invasion zu erforschen. „In einem ersten Schritt untersuchen wir Flusswasser-Analysen mit dem Verfahren der Umwelt-DNA“, sagt Forscher Freese. Bei diesem Verfahren wird nach Spuren von Erbgut der Buckellachse gesucht, die Menge kann Rückschlüsse zulassen, wie viele Tiere bereits in unseren Gewässern leben. „Wenn die Zahl groß ist oder ansteigt, versuchen wir in einem zweiten Schritt rauszufinden, welche Folgen dieser invasive Besatz hat.“
Erst danach könne darüber nachgedacht werden, wie sich das Problem eindämmen lässt. In Norwegen werden Buckellachse vor Wehren oder Wasserkraftwerken bereits gezielt abgefischt und entsorgt: Wenn sich die Fische zum Laichen Flüsse hinaufquälen, werden sie für Menschen ungenießbar.
Buckellachs ist mancherorts ein Speisefisch
Dabei kann Oncorhynchus gorbuscha ein Speisefisch sein: Im Weißen Meer werden bereits 600 Tonnen gefangen, und ein enger Verwandter ist auch hierzulande sehr gefragt: die Regenbogenforelle. Die stammt ursprünglich auch aus nördlichen Meeren, wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts in Mitteleuropa eingeführt. Allerdings illustriert die Regenbogenforelle, was einheimischen Arten auch durch den Buckellachs drohen kann: Sie hat vielerorts bereits die einheimische Bachforelle verdrängt, weshalb ihr Bestand auch mittels Gesetzesauflagen wieder verfolgt wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Einigung über die Zukunft von VW
Die Sozialpartnerschaft ist vorerst gerettet
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen