Pier Paolo Pasolini im NBK Berlin: Eine italienische Karriere

Pier Paolo Pasolini wurde geliebt und gehasst. Eine Berliner Schau gibt Einblicke in das Werk des 1975 ermordeten homosexuellen Autors und Regisseurs.

Schwarz/Weiß-Porträt im Freien, Pasolini seitlich aufgenommen, trägt Jacket hat den Arm nachdenklich angewinkelt, Hand zur Faus geballt an der Stirn, seitenscheitel, dunkles Haar, Ohr frei

Pier Paolo Pasolini bei seinem Haus in Monteverde, Rom 1962 Foto: Vittorio la Verde/NBK

Pier Paolo Pasolini war einer der umstrittensten Kulturschaffenden der italienischen Nachkriegsmoderne. 1922 geboren, wurde er nach Ende des Zweiten Weltkriegs Volksschullehrer in Casarsa. Nach einer Denunziation wegen angeblicher Anleitung zur Unsittlichkeit verlor er seine Stellung und musste nach Rom umziehen.

Dort entwickelte er sich zu dem provokanten Schriftsteller, Publizisten und Filmregisseur eines von Katholizismus und Faschismus geprägten Landes.

Wie unversöhnlich ita­lie­ni­sche Autoritäten diesen sich offen homosexuell bekennenden Künstler verfolgten, macht eine Ausstellung im Neuen Berliner Kunstverein bereits im Eingangsbereich deutlich.

Die hohe Wand reicht in ihrer gesamten stattlichen Breite kaum aus, um sämtliche Verbotsverfahren, Zensuranträge, Anzeigen und Denun­zia­tio­nen gegen Pasolini und sein Werk aufzulisten.

Die Ausstellung „Pier Paolo Pasolini. Porcili“ ist von 11. September 2024 bis 10. November 2024 im Neuen Berliner Kunstverein zu sehen.

Pararallel dazu zeigt das Babylon Kino Berlin in der Rosa-Luxemburg-Straße eine Werkschau der Filme Pasolinis. Von 19. September bis 10. November 2024, mit Einführungen und Kommentaren von Thomas Macho, Hito Steyerl, Klaus Theweleit und Margarethe von Trotta. Programm unter https://www.nbk.org/de/diskurs/filmprogramm-pasolini

Mit Hass öffentlich überschüttet

Pasolini wurde öffentlich mit Hass überzogen. In der Ouvertüre der Ausstellung spricht Pasolini in einer historischen Videosequenz selber darüber. Im Interview bekennt er, wie sehr er wiederum die bigotten Klein- sowie Großbürger und deren verlogene Doppelmoral verachtet.

Pasolini schrieb zunächst Romane wie „Ragazzi di vita“ oder „Una vita violenta“, schuf eine neue harte, existentialistische Prosa. Sie rückte die plebejische Randfiguren der Gesellschaft ungeschönt in den Mittelpunkt.

Die nun in Berlin präsentierte Auswahl historischer Dokumente – Zeitschriftencover, Fotos, Artikel, Bücher, Videosequenzen der Spielfilme – spiegeln Pasolinis Haltung sowie die immer wütender werdenden Angriffe auf ihn.

Als „Schwein“ verunglimpft, drehte er „Porcili“, Schweineställe. Sein Neorealismus wollte die Abgründe von NS-Traditionen oder Römer-Mythen in der Gegenwart offenlegen. Trailer und Bilder geben Einblicke in eine oftmals drastische, skurrile Ästhetik, etwa auch in Sequenzen aus „La Ricotta“ oder „Decameron“.

Mord in Ostia

Das brutale Ende spart die Ausstellung nicht aus. Eher beiläufig dokumentiert eine Gruppe kleinformatiger Aufnahmen Fundort und Leiche des ermordeten Pasolini im Hafen von Ostia im November 1975.

Das Kuratorinnenteam (Giu­seppe Garrera, Cesare Pietroiusti, Clara Tosi Pamphili) scheint Pasolini in dieser Schau nicht zu überhöhen. Die in Auszügen übersetzten Freibeuter-Kommentare Pasolinis deuten an, dass der künstlerisch herausragende Solitär kultur­theoretisch ein arger Geschichtsskeptiker war, der die moderne Massenkultur verachtete.

Auf eine weitreichendere Auseinandersetzung mit Pasolinis Werk und Biografie verzichtet man allerdings. Auch darauf, Künst­le­r:in­nen aus der Gegenwart in Aus­ein­an­der­setzung mit der historischen Position zu bringen.

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