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Wählerwanderung in Thüringen und SachsenWo sie geblieben sind

Die Wähleranalyse zeigt: Das BSW gewinnt vor allem von der Linken, die AfD profitiert von hoher Wahlbeteiligung. Sachsen ist bunter als Thüringen.

Besonders Die Linke hat Wäh­le­r:in­nen an das BSW verloren Foto: Wolfgang Maria Weber/imago

Berlin taz | Bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen hat es enorme Verschiebungen der Stimmen gegeben.

Einen Einblick darauf geben diese Grafiken zur Wählerwanderung, die auf Berechnungen des Umfrageinstitutes Infratest dimap beruhen.

Thüringen: BSW als Abspaltung von der Linken

Die Linkspartei, die zuletzt 10 Jahre lang mit Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten stellte, zeigt sich hier als Partei in Auflösung. Verloren hat sie in alle Richtungen, ganz besonders aber an das erstmals angetretene Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Das BSW ist nicht nur, was das Personal betrifft, eine Abspaltung von der Linkspartei, auch die Wäh­le­r:in­nen sind in Scharen rübergewandert.

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84.000 Thüringer:innen, die 2019 noch für die Linke gestimmt hatten, wählten diesmal das BSW. Umgekehrt ausgedrückt: Je­de:r zweite BSW-Wähler:in machte zuvor sein Kreuz bei der Linken.

Überraschend stark ist die Wanderung von der Linken zur CDU. 39.000 Wäh­le­r:in­nen sind diesen Weg gegangen. Noch krasser ist der Sprung von 23.000 ehemaligen Links-Wähler:innen direkt zur AfD.

Die Rechtsextremen konnten nur der CDU mehr Wäh­le­r:in­nen abspenstig machen (26.000). Besonders gut angekommen sind sie aber bei den bisherigen Nichtwähler:innen, von denen sie gleich 71.000 Stimmen bei der diesjährigen Wahl erhielten. Das macht mehr als die Hälfte der Zugewinne der AfD in Thüringen aus.

Durch einstige Nicht­wäh­le­r:in­nen konnten außerdem das BSW mit 27.000 und die CDU mit 23.000 neuen Stimmen einige Prozentpunkte holen. Die zur Splitterpartei degradierte FDP verlor viele An­hän­ge­r:in­nen an die CDU. Auffallend viele wechselten auch von FDP zu AfD beziehungsweise BSW.

Sachsen: AfD profitiert von hoher Wahlbeteiligung

Ein ähnliches Bild in Sachsen: Auch hier hat die Linkspartei massiv an das BSW verloren, das hier überraschend stark bei bisherigen CDU-Wähler:innen punkten konnte.

Die AfD, die auch 2019 schon stark in Sachsen war, hat von den anderen Parteien kaum Wäh­le­r:in­nen rüberziehen können. Der größte Batzen kommt auch hier von den Nichtwähler:innen. Man kann also sagen, dass die Rechtsextremen von der hohen Wahlbeteiligung profitiert haben.

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Die SPD konnte übrigens – das geht beim Trubel um AfD und BSW fast unter – in Sachsen ihr Ergebnis von 2019 halten. 8,9 Prozent der Zweitstimmen ist im Bundesvergleich zwar nicht berauschend, doch so stark waren die Sozialdemokraten in Sachsen vor vier Jahren auch.

Ihre Stabilität haben sie vor allem Zugewinnen von den Grünen zu verdanken. Gleich 21.000 Menschen entscheidenen sich statt für Grün für Rot. Das konnte leichte Abwanderungen von der SPD hin zu den drei Wahl­ge­win­ne­r:in­nen CDU, AfD und BSW ausgleichen.

Leicht bunte Wahlkreiskarte in Sachsen

Bei der Betrachtung der Wahlkreise zeigt sich, dass Sachsen durchaus noch bunt sein kann, zumindest in und um Leipzig.

In Leipzig gibt es zwei rote Flecken: die Wahlkreise, in denen die Linken Juliane Neigel und Nam Ngyuen mit jeweils großem Vorsprung auf Platz 1 landeten. Beide erhielten jeweils fast 40 Prozent der Erststimmen – ganz anders als ihre Partei. Die Linke kam in ihren beiden Hochburgen auf nur etwa halb soviel Zweitstimmen. Die beiden Direktmandate garantieren der Linkspartei ein Überleben im Landtag, obwohl sie die 5-Prozent-Hürde verfehlte. Offensichtlich haben hier die Kampagnen gefruchtet, die um Erststimmen für die Links-Kandidat:innen warben – auch um die drohende Sperrminorität der AfD im neuen Landtag zu verhindern.

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In Leipzig gibt es aber nicht nur rote Punkte, sondern auch einen grünen. Den Wahlkreis Leipzig 6 gewann die Grüne Claudia Maicher mit 29,2 Prozent. Auf Platz 2 kam hier die Linke mit 22,7 Prozent der Erststimmen. Damit ist das ein ganz besonderer Wahlkreis im sonst so rechten Sachsen. Denn hier kamen Grüne und Linke zusammen auf über 50 Prozent.

Der zweite grüne Punkt auf der Sachsenkarte liegt in Dresden. Im dortigen Wahlkreis 2, der die Neustadt auf der Nordseite der Elbe umfasst, landete der Grüne Thomas Löser mit 36,4 Prozent weit vor seinen Kon­kur­ren­t:in­nen von CDU, AfD und BSW.

Und dann fällt noch ein orangener Farbtupfer auf – im Landkreis Leipzig Land. Dort landete Matthias Berger von den Freien Wählern mit 36,6 Prozent vor der AfD-Konkurrenz mit 30,7 Prozent. Die in der Stadt so erfolgreichen Grünen und Linken kommen hier zusammen nicht einmal auf 5 Prozent der Erststimmen.

Thüringen: schwarz-braun mit roten Flecken

In Thüringen ist die Wahlkreiskarte fast durchgängig braun. Nur in elf Wahlkreisen lag am Ende ein:e CDU-Kandidat:in vorn. Prominentester Christdemokrat wohl ist Christian Tischner, der den Wahlkreis Greiz II mit 43 Prozent gewinnen konnte. Zwar ist Tischner kaum über die Landesgrenzen hinaus bekannt – aber sein Gegenkandidat: Björn Höcke (AfD), der extra den Wahlkreis gewechselt hatte, um zu gewinnen, landete mit 38,9 Prozent auf Platz 2.

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Und dann gibt es drei rote Sprenkel. So konnte in Jena 1 die Linke beide Wahlkreise gewinnen, dazu einen in Weimar. Und den Wahlkreise Erfurt 3. Dort setzte sich der noch amtierende Ministerpräsident Bodo Ramelow durch, er bekam 42,4 Prozent der Erststimmen. Der Wahlkreis bestätigte auch, dass Ramelow deutlich prominenter ist, als seine Partei. Von den Zweitstimmen bekam die Linkspartei nur dort nur 16,4 Prozent und landete damit noch hinter CDU und AfD.

In einem Dutzend der 44 Thüringer Wahlkreise kamen die Be­wer­be­r:in­nen der AfD auf mehr als 40 Prozent der Erststimmen. Am stärksten schnitt Uwe Thrum im Saale-Orla-Kreis ab. Er kam auf 47,4 Prozent der Erststimmen.

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7 Kommentare

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  • Die Linke war für die, denen das Wasser finanziell bis zum Hals steht, die einzige Partei, die ihre Interessen vertrat. Es muss den Rechten unter den Armen sooo gegen den Strich gegangen sein, dass die Linke sich auch für Migrant:innen einsetzt. Das BSW war da die Erlösung: Endlich eine Partei für DEUTSCHE Arme! Die Medien haben stets betont, wie links und sozial Frau Wagenknechts Partei für Deutsche sorgen will. Gleichzeitig wurde das BSW als akzeptablere Alternative zur in Teilen gesichert rechtsextremen AfD dargestellt. Und ein Blick ins Parteiprogramm wird die finanziell Benachteiligten vollends überzeugt haben, dass die AfD kein Heim für sie ist. Werden die Stimmen für beide addiert, entsteht ein düsteres Bild.



    Die Bemühungen der Regierungen weltweit, gegen Migration zu wettern, spiegeln wider, dass eine große Mehrheit der Bevölkerung unter Druck nach unten tritt und nach oben buckelt. Und viele, vielleicht die große Mehrheit, wollen von Menschen umgeben sein, die ihnen so ähnlich sind wie nur möglich. Ein Volk von Klonen? Warum???

    • @Patricia Winter:

      Nehmen Sie es den Bürgerinnen und Bürger übeln das sie das anders sehen. Für die Migranten, unter welchem Etikett sie auch immer herkommen, "Flüchtlinge" usw, ist ihr Heimatland prinzipiell verantwortlich, nicht wir und erstrecht nicht Politikerinnen und Politiker die in den Parlamenten sitzen

      Was ich als ehemalige Wählerin der SPD und zeitweise bei den Jusos, nie verstehen werde, sind die immer gleichen "Traktate". Im Artikel hier steht, das die hohe Wahlbeteiligung der AfD den Erfolg gebracht hat, obwohl dies immer als ein Schutz gegen einen Erfolg Rechts bis Rechtsextremismus erklärt wurde. Damals noch auf die NPD bezogen.

      Bei Dir die arrogante Analyse einer Bevölkerung die angeblich nach unten tritt und die "Frage" warum alle ein Volk von Klonen sein wollen. Niemand tritt nach unten sondern sie werden getreten von einer Politik die so handelt, das die gemachte Politik gegen sie gerichtet ist und diese Gesellschaft sprengt. Dazu kommen im übrigen die meisten Migranten aus homogenen Gesellschaft, oder um die abfällige Bemerkung zu nehmen, aus "Völkern von Klonen".

      Jetzt haben wir eine AfD als Wechselwirkung, der Beelzebub ergänzt den Teufel. Tja. :/

  • Spannend ist, dass die enttäuschten Linke-Wähler am zweitliebsten zur CDU gehen.

    Hätte ich nicht erwartet.

  • Bei dem was ich so mitbekommen werden SPD-Regierungskräfte in den letzten Jahren als recht kompetent wahrgenommen, vor allem im Vergleich zu den Grünen. Denke das hat der SPD ihre Stabilisierung auf niedrigem Niveau beschert.

    • @FancyBeard:

      Das schreibst Du doch nicht im ernst? Ich hab die Partei in der Vergangenheit gewählt und bringe die "Regierungskräfte" dieser Partei, heute nicht mit Kompetenz in Verbindung. Aber Du klingst wie ein Rhetoriker der Partei der diesem Desaster eine vermeintlich gute Begründung und Salbei geben soll. Sie wäre fast aus dem Landtag gefolgen, aber es gibt ein paar Wählerinnen und Wähler die die Partei mit Kompetenz in Verbindung bringen. Na dann gute Nacht.

  • Nuja, das BSW ist ne "schöne" Ausrede, für Linke, die nicht mehr links sein wollen, und dabei die Mitte "überspringen" möchten. Die aber auf gar keinen Fall - und sei es auch nur wegen des Umfeldes - AfD wählen möchten.

    • @Kaboom:

      Das Stichwort "Ausrede" finde ich spannend.



      Aber wieso habe ich den Eindruck dass Sie es sind der hier versucht Ausreden zu liefern? Ausreden für die Tatsache dass der Linkspartei Wähler und Mitglieder in Scharen davon gelaufen sind.



      Linke, die plötzlich nicht mehr "links sein wollen"? Einfach so - wie das Wechseln eines verschwitzten Hemdes?



      Aber geh - das ist mir aber nun schon zu simpel!