Streit um neue EU-Kommission: Von der Leyen droht Fehlstart

Das Team der EU-Kommissionschefin kommt nicht in Gang und reibt sich an Genderbalance und Aufgabenzuschnitten auf. Auch die Sozialdemokraten meckern.

Ursula von der Leyen sitzt an einem Konferenztisch, hinter ihr europäische Flaggen und jemand geht mit Essen auf Tabletts durchs Bild

Ursula von der Leyen kann heute noch nicht feiern, sie hat noch kein Team Foto: Wiktor Dabkowski/Zuma/dpa

Brüssel taz | Dieser 11. September war rot im Brüsseler EU-Kalender angestrichen: An diesem Tag wollte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihr neues Team vorstellen. Doch daraus wurde nichts. Der Grund: Streitigkeiten über die Gender-Balance und den Aufgabenzuschnitt unter den 26 Kommissaren. Der Start des neuen Teams wurde auf den 17. September verschoben. Doch nun meutern auch noch die Sozialdemokraten und von der Leyen II. droht ein Fehlstart.

Die CDU-Politikerin an der Spitze der 32.000-köpfigen Behörde laufe Gefahr, „die Unterstützung der Progressiven zu verlieren“, heißt es in einem Brandbrief von Iratxe García Pérez, der Chefin der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament. Die Spanierin nennt gleich mehrere Gründe: Von der Leyen habe ihren Spitzenkandidaten Nicolas Schmit ignoriert und die Geschlechterbalance in der Kommission unterminiert.

Außerdem wolle sie einen Beschäftigungskommissar einsetzen, der sich kaum für soziale Rechte interessiert und die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) in die europäische Gesetzgebung einbinden. Aus Sicht der EU-Genossen wäre dies ein Verstoß gegen die „Brandmauer“ gegen rechts, die bei von der Leyens Wiederwahl im Juli vereinbart worden war. Der Konsens bröckelt, noch bevor die Arbeit richtig begonnen hat.

Kein gutes Zeichen für die neue, fünfjährige Legislatur. Denn ohne Sozialdemokraten, Liberale und Grüne verfügt die konservative Kommissionschefin nicht über die nötige Mehrheit im Parlament.

Bewegung in der Frauenfrage

Von der Leyen hat noch ein paar Tage Zeit, um die Wogen zu glätten. Denn in Slowenien muss die Kandidatin für die EU-Kommission noch vom Parlament bestätigt werden. Diese Zwangspause nutzt die deutsche EU-Politikerin, um ihre Aufstellung nachzubessern. So gibt es Bewegung in der Frauenfrage. Nachdem es so aussah, als werde die neue EU-Kommission von Männern dominiert, steht es nun elf zu 16: Belgien und andere EU-Staaten haben doch noch Frauen nominiert.

Auch beim Zuschnitt der Portfolios und der Vergabe der Posten tut sich was. Das aktive Lobbying in Brüssel, an dem sich auch die deutschen Grünen beteiligen, zeigt Wirkung. Auch der Klimaschutz soll eine prominentere Rolle spielen als geplant. Die Industriepolitik wird wohl aufgewertet, nachdem der frühere EZB-Präsident Mario Draghi am Montag einen alarmierenden Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit vorgelegt hat. Sie werde Draghis Ideen in die Aufgabenbeschreibungen für ihre Kommissare aufnehmen, so von der Leyen.

Nicht entschärft ist der Streit über Personen und Profile. Für Aufregung sorgt vor allem die Aussicht, dass mit Raffaele Fitto erstmals ein Rechtspopulist ein Spitzenamt in Brüssel erhalten könnte. Fitto gehört zur postfaschistischen Partei Brüder Italiens von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Er soll geschäftsführender Vizepräsident werden und sich um die Wirtschaft kümmern.

Umstritten sind auch die Kandidaten aus Ungarn, Malta und Kroatien. Alle angehenden Kommissare müssen sich ab Mitte Oktober Anhörungen im Europaparlament stellen. Die EU-Abgeordneten haben dabei schon einige ungeeignete Bewerber ausgesiebt. Am Ende – voraussichtlich im November – wird erneut über die gesamte Kommission von der Leyen II. abgestimmt. Der Ausgang ist völlig offen.

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