piwik no script img

Serie „Slow Horses“ bei Apple TV+Der ausrangierte Gaul

Die neue Staffel der Loser-Agenten-Serie „Slow Horses“ mit Gary Oldman ist grandios – und feiert Werte wie Solidarität und Charakterfestigkeit.

Gary Oldman grandios verschlampt als Jackson Lamp Foto: Apple TV

Jackson Lamb (Gary Oldman) ist nach wie vor ein Mann mit fettigem Haar, der sich ungeduscht durch sein Leben bewegt, von Jaffa-Cakes ernährt und keine Angst davor hat, seine Umgebung mit Gerüchen zu verschrecken. Und immer noch führt er die „Slow Horses“ an, ein Titel, der schwerlich mit Stolz zu tragen ist:

Hier versammeln sich die ausrangierten Pferde, die Versager des britischen Geheimdienstes MI5, und warten in dreckigen Räumen auf ihre Untergrundeinsätze. Wenn es brenzlig wird, trauen sie sich mehr als alle anderen. In der von Regisseur Adam Randall realisierten vierten Staffel der auf Mick Herrons Krimis basierenden Serie über die aussortierte Losertruppe erreichen Plot und Figurenentwicklungen neue Höhepunkte.

Ein Slow Horse wird man dann, so erklärt Jackson es seiner neuen, äußerst fähigen und dennoch ins sogenannte Slough House verbannten Sekretärin Moira, wenn man entweder fachlich katastrophal versagt oder jemanden in Entscheidungsposition gegen sich aufgebracht hat.

Aus diesen „shitheels“ und „burnouts“ setzt sich seine Truppe zusammen: Persönliche Tragödien von Glücksspielsucht, Alkoholismus und Drogenproblemen versammeln sich unter derselben Berufsanschrift, alle schwarzhumorig begnadet und in der Lage, verbal und körperlich hart auszuteilen und härter einzustecken; wobei die weiblichen Figuren den männlichen wie immer in nichts nachstehen.

Familiäre Vergangenheitssuche

River Cartwright (Jack Lowden), Enkel der Geheimdienstgröße David Cartwright (Jonathan Pryce), gehört zu denen, die nicht durch persönliches Drama oder Suchtprobleme, sondern einmalige, aber unentschuldbare Fehlentscheidung ins Slough House abgeschoben wurden. Während sein Großvater zunehmend unberechenbar und dement wird, dreht sich diese Staffel, basierend auf dem vierten Buch Herrons, „Spook Street“, um River und seine familiäre Vergangenheitssuche, die ihn nach Frankreich führt.

Und so bittet uns diese Staffel bildgewaltig in einen visuellen Gegenentwurf zum grauen London: in eine französische Landresidenz mit Schwänen im Garten und Profikillern im Haus. Eine unzerstörbare Mördertruppe aus athletischen Franzosen wird zum Endgegner, von Kindesbeinen an zum Töten erzogen: ohne Privatleben, das Probleme bringt, ohne Gefühle, die vom Töten ablenken; professionell bis in die letzte Faser ihrer gesunden, jugendlichen Körper –kurz: das Gegenteil der Slow Horses, mit ihren Augenringen und von Rauschmitteln langsam gewordenen Gliedmaßen. Mit einer genüsslichen, die Farbskala des britischen Alltags durchbrechenden Ästhetik wird französischer Wein an ausgedehnten Holztischen serviert und „lait“ im Tee getrunken, während River immer mehr begreift, was seine Ursprünge sind.

In den traurigsten Momenten lustig, bittersüß und mit geduldig beginnendem und schnell eskalierendem Erzähltempo begleitet diese Staffel, die ein seit Beginn der Serie nicht wieder erreichtes Niveau von Plot und Spannung bereithält, River und die Slow Horses bis zum Endkampf gegen die französische Elitetruppe.

Und so bleiben die Slow Horses das Gegenteil von Selbstoptimierung und spielen damit auf der Tonleiter, die so diametral dem Verbesserungszwang der Jetztzeit widerspricht und auf der sich auch etwa die grandiose Neuverfilmung von „Mr. und Mrs. Smith“ (2024) bewegte. Grimmig und abgehalftert würden sie ihr letztes Hemd füreinander hergeben und sind aufrechteren Charakters als die Hochglanzanzugträger, die am Ende jedes Lob einheimsen.

Die Begeisterung für die Verlierertruppe wird durch diese Staffel ein erneutes Hoch erreichen, das noch anhalten darf: Apple TV+ hat für 2025 bereits eine weitere Staffel der Erfolgsserie angekündigt. Diese Loser behalten eben das letzte Wort.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!