Asyldebatte bei den Grünen: Abschieben mit Herz und Verstand

Die Grünen ringen um ihre Rolle in der nach rechts ausufernden Migrationsdebatte. Eine Dreifachstrategie soll ihnen auf ihrer Klausurtagung helfen.

Protest beim Parteitag der Grünen 2023: Die Grünen tragen Verschärfungen der Asylpolitik mit und sind trotzdem die Blockierer Foto: Kay Nietfeld/picture alliance

Berlin taz | Immerhin: Noch können sie lachen. Seit Mittwoch läuft in Berlin die Klausur des Grünen-Fraktionsvorstands, und als dessen Mitglieder am Vormittag gesammelt ins Tagungs­hotel marschieren, zeigten sie für die Fotografen am Eingang ihr schönstes Lächeln. Strahlendes Wetter, strahlende Grüne.

Dabei gibt das Klausurprogramm keine gute Laune her. Auf der Tagesordnung stehen unter anderem die Nachlese zu den Landtagswahlen und die eigene Rolle in der Abschiebedebatte. Erst am Dienstagabend endete ein Migrationstreffen zwischen Ampel und Union ohne Beschlüsse.

CDU-Chef Friedrich Merz klagte hinterher, die Koalition sei nicht bereit, Flüchtlinge an den Grenzen zurückzuweisen. Unter Jour­na­lis­t*in­nen wurde gestreut, die Grünen seien das Problem. Die Partei selbst, in Vertrauen auf die vereinbarte Verschwiegenheit, sagte erst mal nichts – und steht nun wieder als Blockiererin da.

Die Grünen frustriert diese Erfahrung zunehmend. Seit vergangenem Jahr haben sie unter Schmerzen zig Asylrechtsverschärfungen mitgemacht. In der öffentlichen Debatte werden sie aber nicht daran gemessen, was sie gemacht haben, sondern daran, wo sie in Relation zu den anderen Parteien stehen. Und weil die immer weiter nach rechts rücken, kommen sie selbst nicht hinterher: Ihre Migrationspolitik erscheint immer noch zu weich und mit den eigenen Themen dringen sie nicht durch.

Kitas, Busse, Abschiebungen

Auf ihrer Klausur versuchen sie es kommunikativ mit einer Dreifachstrategie. Erstens probieren sie, eigene Inhalte doch irgendwie zu setzen. „Wir wollen ein Land, das einfach funktioniert“, sagt Fraktionschefin Katharina Dröge am Nachmittag. Sie nennt funktionierende Kitas, bezahlbare Wohnungen in den Städten und verlässliche Busverbindungen auf dem Land. Als Lehre aus den verlorenen Wahlen dieses Jahres könnten das auch zentrale Themen für den Bundestagswahlkampf werden. Die Partei, so Dröge, müsse „die Lebensrealität der Menschen“ stärker in den Mittelpunkt stellen.

Zweitens zählen die Grünen explizit auf, welche Verschärfungen in der Migrationspolitik sie schon mitgetragen haben und noch mittragen wollen – ein neuer Ton für eine Partei, die bisher selten mit Abschiebungen hausieren gegangen ist. Von „mehr Klarheit auch in Fragen, die für uns nicht die leichtesten sind“, spricht Dröge. „Wir müssen konsequent Recht durchsetzen und Vollzugsdefizite auflösen“, sagt ihre Co-Vorsitzende Britta Haßelmann.

Drittens grenzen sie sich aber auch von den heftigsten Vorschlägen in der Debatte ab. „Wir prüfen alle Vorschläge offen, die helfen und mit Grundgesetz und europäischem Recht vereinbar sind“, sagt Haßelmann. Das ist freundlich für: Die Merz-Forderung nach Rückweisungen ist populistischer Unsinn. Wir schieben auch ab, aber mit Herz und Verstand – so könnte man die Botschaft der Grünen in der Migrationspolitik zusammenfassen.

Über den richtigen Kurs in der Frage gibt es intern aber auch Diskussionen. „Leute aus migrantischen Communities fühlen sich in der aktuellen Debatte komplett vernachlässigt“, sagt ein Fraktionsmitglied. „Die sagen: Ich werde jetzt komisch angeschaut, sobald ich auf die Straße gehe. Dieses Gefühl sollten wir angehen, statt Schnellschüsse zu machen, die gesellschaftlich langfristig mehr schaden als nutzen.“

In der Fraktion umstritten ist unter anderem das sogenannte Sicherheitspaket, dem in der Koalition vergangenen Woche der grüne Vizekanzler Robert Habeck zugestimmt hat. Dublin-Flüchtlingen sollen zum Beispiel in vielen Fällen die Sozialleistungen gestrichen werden. Final beschließen müsste das aber der Bundestag. Und dass die Abgeordneten das Paket eins zu eins mittragen, so heißt es, ist zweifelhaft.

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