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Film „It Ends with Us“ im KinoZwischen Blumen und Veilchen

Wegen der Promotion für das Drama „It Ends with Us“ ist Hauptdarstellerin Blake Lively in einen Shitstorm geraten. Auch der Film ist problematisch.

Floristin Lily (Blake Lively) und Frauen­schläger Ryle (Justin Baldoni) Foto: Sony Pictures/ap

Eigentlich begann alles ganz harmlos mit ein paar Gerüchten. Nach der Premiere von „It Ends With Us“, einem Hollywoodfilm über häusliche Gewalt, Anfang August war einigen Tiktoker_innen aufgefallen, dass der Regisseur und Hauptdarsteller Justin Baldoni mit dem Cast weder auf dem roten Teppich posierte noch gemeinsame Interviews gab.

Und auch auf Insta­gram folgte ihm keine_r mehr. Was steckte dahinter? Hatte er sich am Set schlecht benommen? Aus den wilden Vermutungen entwickelte sich schnell ein neues Drama, dessen Bösewicht Hauptdarstellerin Blake Lively war.

Ihr wurde vorgeworfen, den Film zu nutzen, um Blumen, Haarprodukte und Alkohol zu promoten. Zudem vermarktete sie das Drama als ein Feel-Good-Movie. Bei Instagram schrieb sie: „Schnappt euch eure Freundinnen und zieht eure Blumenkleider an.“ Bei einem Film über Gewalt gegen Frauen zumindest unsensibel.

Doch aus der berechtigten Kritik an der Vermarktung wurde in den vergangenen Wochen eine Komplettabrechnung mit dem Film und seiner Hauptdarstellerin. Wer die Kommentare in klassischen und sozialen Medien zu „It Ends With Us“ verfolgte, bekam den Eindruck, es handele sich hier um den schlimmsten Film aller Zeiten.

Eine kitschige Rom-Com, in der Gewalt gegen Frauen nicht nur verharmlost, sondern verherrlicht wird. Und Blake Liveley? Die sei ohnehin eine unfähige Schauspielerin – und ein schlechter Mensch noch dazu.

Mit dementsprechend niedrigen Erwartungen ging ich in die Buchverfilmung von Colleen Hoover, die mit romantischen Erzählungen inklusive reaktionärer Geschlechterrollen zu einer der erfolgreichsten US-Autor_innen geworden ist.

Im Saal fand ich mich zwischen Frauen- und Mädchengruppen wieder, deren Schniefen und Schluchzen mich durch den Film begleitete. Die Gewalt, die Lily (Lively) erfährt, schien zumindest dieses Publikum hörbar mitzunehmen. War der Film also vielleicht gar nicht so schlecht, wie seine Rezeption es mich glauben ließ?

Angst vorm ersten Schlag

Relativ zu Beginn des über zwei Stunden dauernden Films kommt es zu einer Schlüsselszene: Lily sitzt traurig auf einem Dachsims über den Dächern von Boston, Ryle (Baldoni) betritt wütend die Dachterrasse und zertrümmert einen Stuhl. Für Lily scheinbar keine Red Flag, für die Zuschauer_innen schon. Danach begleitet der Film den Gehirnchirurgen und die Blumenhändlerin 90 Minuten lang dabei, wie sie sich ineinander verlieben, zusammenziehen und schließlich heiraten.

Die fröhlichen Bilder der normschönen reichen Menschen, die Karaoke singen, versuchen, ein Omelett zu braten oder schicke Partys feiern, werden begleitet von dem Wissen, dass er irgendwann zuschlagen wird. Und obwohl dieses Wissen die ganze Zeit da ist, ist es dann doch ein Schock, wenn Ryle das erste Mal zuschlägt.

Lily agiert, wie sie es aus der Beziehung ihrer Eltern gelernt hat: Sie überschminkt das blaue Auge, spielt die Gewalt als Unfall herunter und schweigt. Bis sie schwanger wird, aus der gewalttätigen Beziehung flieht und von ihrer Jugendliebe Atlas (Brandon Sklenar) gerettet wird. Ein Happy End. Und hier liegt einer der größten Kritikpunkte des Filmes: Er ist nicht realistisch.

Viele Betroffene bleiben bei ihren Tätern

Filme dürfen erfinden, übertreiben, verkürzen, zuspitzen. So funktioniert Geschichtenerzählen. Wenn wir die grausame Realität wollen, dann gucken wir Dokus. Doch klar ist auch, dass fiktive Geschichten unsere Vorstellungen der Realität prägen. Gerade bei Themen, die in der Öffentlichkeit unsichtbar gemacht oder marginalisiert behandelt werden. Und häusliche Gewalt ist definitiv so ein Thema.

Sicher, es gibt zum Glück auch im echten Leben mal Happy Ends, doch der Film lässt die Flucht aus einer gewaltvollen Beziehung wie ein Leichtes aussehen. Zwar dauert es seine Zeit, bis Lily realisiert, welche Gewalt ihr angetan wird, doch als das der Fall ist, gelingt ihr die Flucht schon beim ersten Versuch – und der war nicht einmal vorbereitet. Da sie schwanger ist, lässt sie Ryle einige Zeit später helfen, ein Kinderbett aufzubauen. Er nutzt die Chance, ihr näherzukommen. Sie sagt nein – und er akzeptiert es. Genauso wie er die Scheidung akzeptiert, die sie nach der Geburt des Kindes fordert. Und mehr noch: Er sieht ein, dass sein Verhalten falsch war.

Doch selbst wenn man bedenkt, dass Lily durch ihre finanzielle Unabhängigkeit in einer privilegierten Situation ist, endet kaum ein Fall so gut wie ihrer. Viele Betroffene bleiben bei ihren Tätern: aus Scham oder Hoffnung, wegen der gemeinsamen Kinder, weil sie es sich schlicht nicht leisten können auszuziehen oder aus Angst vor noch mehr Gewalt.

Stalking, Gewalt, Mord

Viele Täter empfinden die Trennung als „Kontrollverlust“, der sie zu Stalking, härterer Gewalt und ja, manchmal auch zum Mord bringt. Dass bei Lily lediglich die Einsicht reicht, um aus der Beziehung zu fliehen und Ryle sich dann sogar reumütig gibt, mag sich für viele Betroffene, die den Film gucken, wie eine Verhöhnung anfühlen.

Dennoch: Der Film macht auch einiges richtig. Etwa, wie er die Entwicklung der Beziehung zwischen den beiden darstellt. Zu Beginn überschüttet Ryle sie mit Liebesbekundungen und kümmert sich liebevoll. Klassisches Love-Bombing. Doch sein kontrollierendes Verhalten wird mit der Zeit immer schlimmer und wird durch seine Eifersucht nur noch verstärkt. Was von außen nach einer Warnung nach der nächsten aussieht, entschuldigt die Betroffene noch als romantische Liebesgesten.

Filme und Serien, die geschlechtsspezifische Gewalt zum Thema haben, haben es auf dem Markt oft schwer. Auch ich habe schon häufiger Absagen kassieren müssen, wenn ich Freund_innen bei Filmen solcher Art um Kinobegleitung gebeten habe. Interessant wäre, ob „It Ends With Us“ Menschen erreicht, die sich ansonsten wenig mit dem Thema auseinandersetzen.

Me-Too-Täter erfahren weniger Hass

Und wäre es dann nicht in Ordnung, das schwere Thema mit einer Menge Kitsch, Blumen und Happy End aufzulockern? Oder ist genau das problematisch, weil gerade Betroffene dann unwissentlich in einen Film über häusliche Gewalt gehen und getriggert werden?

Eine ernsthafte Debatte darüber, wie viel Verharmlosung so ein Thema aushält, wäre jetzt die richtige. Schließlich ist „It Ends With Us“ kein Einzelfall, die Darstellung von häuslicher Gewalt ist selten eine authentische. Stattdessen verlieren sich die „Kritiker_innen“ in einem Shitstorm gegen Blake Lively. Bei Tiktok und Instagram werden alte Interviews und Aussagen von ihr zitiert, um zu zeigen, was für ein schlechter Mensch sie schon immer war.

Doch selbst, wenn das stimmen mag, ist es wenig zielführend, eine einzelne Frau zur absoluten Hassfigur zu stilisieren. Ein Vorgang, den in Hollywood schon einige vor ihr durchmachen mussten. Dass das alles Frauen sind, ist dabei kein Zufall.

Schließlich gibt es einige Hollywood-Männer, gegen die es im echten Leben Vorwürfe der häuslichen oder sexualisierten Gewalt gibt und die mit weniger Kritik konfrontiert sind als Lively jetzt. Einige scheinen wohl noch immer zu denken, dass sich Hass gegen Frauen am besten mit Hass gegen eine Frau bekämpfen lässt.

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