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Wiedereinführung der VermögenssteuerLasst doch die Reichen zahlen

Die Vermögensteuer könnte dem Land dringend benötigte Einnahmen bringen. Die Linke fordert eine Wiedereinführung.

Auch im Adlon ist noch der ein oder andere Euro zu holen Foto: Imago / Jonas Gehring

Berlin taz | Der Stadt droht die größte Kürzungswelle seit Anfang der 2000er Jahre. 5 Milliarden Euro muss Berlin nach derzeitigen Berechnungen bis zum Jahr 2026 einsparen. Die Senatsverwaltungen sind angehalten, Vorschläge zu unterbreiten, wie sie ihre geplanten Ausgaben in den nächsten zwei Jahren um 10 Prozent reduzieren können. Das zumindest ist das Szenario, solange der Bund weiter an seiner Schuldenbremse festhält – und ohne Betrachtung der Einnahmenseite.

Denn das Haushaltsdefizit kann natürlich auch über eine Erhöhung der Einnahmen angegangen werden. Eine Möglichkeit, die sich dabei aufdrängt, aber noch wenig diskutiert wird, ist die Wiedereinsetzung der Vermögensteuer. Letztmalig wurde die Steuer, die den Bundesländern zufließt, 1996 erhoben. Bundesweit wurden in jenem Jahr umgerechnet 4,6 Milliarden Euro eingenommen, davon entfielen 171 Millionen auf Berlin. Der Senat schreibt dazu in einer aktuellen Anfrage des Linken-Abgeordneten Sebastian Schlüsselburg, die der taz exklusiv vorliegt: „Der Anteil der Vermögensteuer war im Verhältnis zum Gesamtsteueraufkommen stets von untergeordneter Bedeutung.“

Doch das müsste nicht so bleiben. Hätten sich die Einnahmen wie im Schnitt der letzten Jahre vor der Aussetzung weiterentwickelt, „wären die jährlichen Einnahmen aus der Vermögensteuer bis 2023 auf etwa 30 Milliarden Euro gestiegen“, heißt es in einer aktuellen Studie von Oxfam und dem Netzwerk Steuergerechtigkeit. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) spricht gar von möglichen Einnahmen von bundesweit 35 Milliarden Euro.

Für Berlin würde das bedeuten: Käme die Vermögensteuer in ihrer alten Form zurück, bei der Reiche ein Prozent ihres Vermögens abführen mussten, könnte die Stadt mit jährlichen Einnahmen von rund 1,3 Milliarden Euro rechnen. Womöglich dürfte sich der Anteil Berlins am Gesamtaufkommen der Steuer im Vergleich zu 1996 sogar erhöht haben: Heute hat Berlin 9,3 Prozent mehr Einwohner:innen, auch sind viele Gutverdienende in die Stadt gezogen, wie etwa der konstant hohe Verkauf von Eigentumswohnungen zeigt.

Einahmen erhöhen

„In der derzeitigen Situation müssen wir die Einnahmeseite verbessern“, sagt Sebastian Schlüsselburg. In Betracht kämen zwar auch eine Erhöhung der Grunderwerbs- und der Zweitwohnungssteuer, das allein reiche jedoch nicht aus. „Wenn Berlin jährlich mehr als eine Milliarde Euro durch eine Vermögensteuer einnehmen könnte, wird deutlich, dass wir das brauchen“, so der Sprecher der Linksfraktion für Haushalt und Finanzen.

Druck auf die Regierungskoalition will die Linke mit einem Antrag für eine Berliner Bundesratsinitiative machen. Bereits 2010 hatte sich die damalige rot-rote Landesregierung auf einen solchen Antrag verständigt, diesen dann aber wegen mangelnder Erfolgsaussichten in der Länderkammer nicht eingebracht.

Inzwischen sieht Schlüsselburg viele Länder in einer ähnlichen Notlage: „In allen Bundesländern brechen wegen der Fiskalpolitik des Bundes die Einnahmen weg“. Auch die Schuldenbremse sei überall eine Belastung. Er geht daher von einem „gleichlautenden Interesse“ der Länder aus, die Einnahmen zu erhöhen.

Auf Anfrage der taz weicht die Finanzverwaltung von Senator Stefan Evers (CDU) einer Antwort aus, ob eine Vermögensteuer gegen den finanziellen Notstand des Landes helfen könnte und es Überlegungen für eine Bundesratsinitiative gibt. Stattdessen weist ein Sprecher darauf hin, dass es sich um ein Bundesgesetz handele. Der Landesgesetzgeber habe „keine Kompetenz, eine eigene landesrechtliche Regelung zu treffen“.

Selbst das aber zweifelt Schlüsselburg an: Er spricht von einer Diskussion unter Jurist:innen, wonach die „Sperrwirkung des Bundes weggefallen ist“, die Gesetzeskompetenz also wegen der jahrelangen Untätigkeit des Bundes auf die Länder übergegangen sei. Darüber sowie über die ökonomischen Aspekte einer Vermögensteuer will die Linke im Rahmen eines Fachgesprächs im Abgeordnetenhaus in diesem Herbst diskutieren.

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2 Kommentare

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  • Die Vermögensteuer ist ein Auslaufmodell – viele Länder wie Schweden und Österreich haben sie abgeschafft, weil sie zu Kapitalflucht und hohen Verwaltungskosten führte. In Norwegen hat die Steuer zu realen Einnahmeverlusten geführt, weil Vermögende ins Ausland abwanderten. Auch in Deutschland könnten reiche Steuerzahler das Land verlassen, was langfristig zu geringeren Steuereinnahmen und weniger Investitionen führt. Stattdessen sollten wir auf effizientere und politisch realistischere Maßnahmen setzen, um die Einnahmen zu erhöhen. Noch besser wäre es allerdings, der Staat käme mal mit seinem Geld aus, er hat wohl eher ein Kosten- als ein Einnameproblem. Und nein, ich glaube nicht, dass der Staat zustätzlcihe Einnamen sinnvoll investiert. Das hätte er die letzten 15-20 mit explodierenden Staatseinnahmen längst tun können. Stattdessen hat er mit Bildung, Sicherheit und Infrastruktur seine Kernaufgaben sträflich vernachlässigt.

    • @hartmood:

      "Stattdessen sollten wir auf effizientere und politisch realistischere Maßnahmen setzen, um die Einnahmen zu erhöhen. "



      Und welche Einnahmen wären das, wenn der Staat nur von denen nehmen darf, die das Land nicht verlassen können?