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Terrorverdächtige AfD-Frau vor GerichtAlles nur ein „Ammenmärchen“?

Der AfD-Politikerin Birgit Malsack-Winkemann werden im Reichsbürger-Prozess gegen Prinz Reuß Terrorvorwürfe gemacht. Nun weist sie diese zurück.

Die Vorwürfe der Anklage gegen sie wiegen schwer: AfD-Politikerin Birgit Malsack-Winkemann Foto: Boris Roessler/dpa

Frankfurt/Main taz | Ein Geständnis wird das hier nicht, das ist nach den ersten Worten klar. Eine „aufgeblähte Geschichte“ nennt Birgit Malsack-Winkemann die Anklage der Bundesanwaltschaft, die sie und 25 weitere Männer und Frauen vor Gericht gebracht hat. Oder um korrekt zu sein: vor drei Gerichte. In drei Mammutprozessen in Frankfurt/Main, Stuttgart und München müssen sich die mutmaßlichen Mitglieder der Reichsbürger-Verschwörung um Heinrich XIII. Prinz Reuß wegen des Vorwurfs des Rechtsterrorismus und des Hochverrats verantworten: Als „Patriotische Union“ sollen sie den gewaltsamen Umsturz in Deutschland geplant haben.

Die AfD-Politikerin Malsack-Winkemann, Richterin aus Berlin und von 2017 bis 2021 Abgeordnete der Rechtsaußenpartei im Bundestag, ist eine von ihnen. Am Dienstagnachmittag nimmt sie, gerade 60 Jahre alt geworden, am Tisch in der Mitte des eigens für diesen Prozess errichteten Leichtbausaals des Frankfurter Oberlandesgerichts Platz. Sie will sich zu den Anklagevorwürfen einlassen, als Erste im Frankfurter Verfahren gegen die mutmaßliche Führungsriege der Vereinigung. Doch erst einmal schimpft sie.

Es sei „ein Skandal ohnegleichen“, dass sie und ihre Mitangeklagten jetzt schon seit Dezember 2022 in Untersuchungshaft sitzen. Es seien schließlich „überwiegend ältere Mitbürger“. Und einer sei ja sogar noch vor Prozessbeginn gestorben. „Ich weiß nicht, wie viele Tote Sie in diesen Verfahren noch verantworten wollen“, ruft die AfD-Frau. Da weist sie Senatsvorsitzender Jürgen Bonk mit sanfter Stimme zurecht: „Vielleicht sollten Sie mit Ihrer Einlassung zur Sache beginnen.“

Für die AfD-Frau war es nur ein „intellektueller Kreis“

Malsack-Winkemann legt daraufhin erst einmal ausführlich dar, welche der 25 Mitangeklagten sie überhaupt nicht gekannt habe. Wenn man ihr glauben kann, war es die Mehrheit. Mit anderen will sie im Dauerstreit gelegen haben, vor allem mit dem früheren Bundeswehr-Kommandeur Rüdiger von Pescatore – laut Anklage Anführer des militärischen Arms der „Patriotischen Union“ und neben dem Frankfurter Immobilienunternehmer Reuß der mutmaßliche Rädelsführer der Umstürzler*innen. „Herr von Pescatore war von Anfang an mein Gegenspieler in der Gruppe“, sagt sie. „Er wollte mich nicht, ich wollte ihn nicht.“ Noch immer kann sie sich darüber aufregen, dass der Ex-Offizier seinen Gefolgsleuten irgendwann verbot, mit ihr Kontakt zu haben.

Die Bundesanwaltschaft wirft der promovierten Juristin unter anderem vor, dass sie Mitverschwörern das Ausspähen des Bundestags ermöglicht habe, für einen geplanten bewaffneten Überfall. Und im „Rat“, der laut Anklage als Übergangsregierung nach dem Putsch fungieren sollte, sei Malsack-Winkemann für das Justizressort vorgesehen gewesen.

Die Angeklagte weist all das scharf zurück. Die Tour durch das Reichstagsgebäude? „Eine ganz normale Touristenführung.“ Der „Rat“? „Das war eine ziemlich lockere Angelegenheit, ein freundliches Zusammensein“, sagt sie. „Ich habe es als intellektuellen Kreis gesehen.“ Als sie gelesen habe, dass die Bundesanwaltschaft diese von Reuß geleitete Runde für den „Kopf“ einer terroristischen Vereinigung hält, sei ihr „der Mund offen stehen geblieben“.

Auch einen geplanten Bundestagssturm weist sie zurück

„Es gab niemals die Absicht, den Bundestag zu stürmen“, beteuert Malsack-Winkemann. Das sei ein bloßes „Ammenmärchen“, mit dem die Anklagebehörde den Ruf von Menschen wie ihr schädigen wolle. „Es war von Anfang an klar zwischen dem Prinzen und mir: keine Revolution“, erklärt sie. „Er ist ein absoluter Gegner von Revolutionen.“ Reuß habe immer darauf bestanden, dass alles „nach Recht und Gesetz“ vonstattengehen solle.

Was ihn nach den Worten der AfD-Politikerin allerdings ebenso wenig wie sie daran hinderte, auf den Einmarsch der mythenumwobenen „Allianz“ zu hoffen – einer vom antisemitischen QAnon-Verschwörungsglauben herbeihalluzinierten Geheimarmee, welche die Welt von ihren vermeintlich pädophilen Machteliten befreien soll. Wozu zumindest einige der Angeklagten auch die Bundesregierung zählten. Malsack-Winkemann aber betont: „Die Veränderung sollte weltweit eintreten. Das war immer das Entscheidende.“ Und weil es die „Allianz“ gar nicht gebe, sei das alles eine „absolute Chimäre“ gewesen.

Ihr Intimfeind Pescatore habe zwar immer behauptet, Kontakt zur „Allianz“ zu haben. Doch das sei falsch gewesen, sagt die Angeklagte. Malsack-Winkemann scheint es dem Ex-Militär immer noch sehr übelzunehmen, dass er sie und „den Prinzen“ so enttäuscht hat. Am Donnerstag will sie ihre Aussage fortsetzen.

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9 Kommentare

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  • Erinnert an das “Königlich Bayerisch Amtsgericht", eine Fernsehserie (1969-72). Da waren die Angeklagten auch irgendwas zwischen bauernschlau-verschlagen, sich deppert geben und wirklich deppert sein. Der Herr Rat hat aber allen die Wadln viregricht. Auch wenn er keinen auf die Gujotin geschickt hat.

    Sie hat die Bande nach eigener Aussage für einen "Intellektuellen Kreis" gehalten. Allein dafür gehört, nach Entmündigung wegen eindeutig nachgewiesener Lebensferne, die Pension vollumfänglich gestrichen.

    de.wikipedia.org/w...sches_Amtsgericht#

  • Hoffentlich gelingt es diesen Leuten nicht, sich dem Gericht als harmlose durchgeknallte ältere Herrschaften zu verkaufen.

  • Für mich macht diese selbsternannte Elite eher den Eindruck von Senilen Greisen und Greisinnen, die etwas zu viel Youtube geguckt haben.



    Wer ernsthaft denkt, dass es in Deutschland eine Mehrheit für eine Monarchie mit König gibt, muss komplett plem plem sein.

  • Ammenmärchen? Ja, von Leuten wie diese Frau fühle ich mich auch verschaukelt.

    "Hab' ich doch garnicht so gemeint!" und Ähnliches , dann noch mit einem süffisanten Lächeln voegetragen, frustet. Mit Absicht, ist mir schon klar.

  • Das Gericht wird aufpassen müssen, dass es den Angeklagten nicht gelingt, ihre Pläne als bloße Gedankenspiel darzustellen.



    Dafür liegen hoffentlich zu viele Erkenntnisse aus TÜ-Maßnahmen vor.

  • Das verspricht eine amüsante Veranstaltung zu werden.

  • "„Die Veränderung sollte weltweit eintreten. Das war immer das Entscheidende.“"

    Aber sie hat damit ja gaaaar nichts zu tun...alles nur ein Ammenmärchen.

  • „Er ist ein absoluter Gegner von Revolutionen.“ Reuß habe immer darauf bestanden, dass alles „nach Recht und Gesetz“ vonstattengehen solle."



    Ist unter "Alles" etwa die klammheimliche Etablierung eines Kalifates unter der Alleinherrschaft eines Kalifen Prinz Reuß zu verstehen ?

    „Ich habe es als intellektuellen Kreis gesehen.“

    Klingt wie ein Zirkel von intellektuellen Blindgängern, die bekanntlich wegen der Überalterung verrostetem Zünder-Mechanik besonders gefährlich und bei der Entschärfung unberechenbar sind.

  • „Intellektueller“ Kreis und Pescatore war gegen mich und ich gegen ihn und überhaupt das war alles nur Spaß.



    Ich hoffe, dieser Spaß kostet der Birgit die Pension und einige Monate Freiheit zum nachdenken, intellektuell könnte sie das in der JVA schaffen.