Jugend KZ Uckermark: Gedenken ist Handarbeit
Jährlich organisiert die Initiative „Gedenkort ehemaliges KZ Uckermark e.V.“ Bau- und Begegnungstage und setzt sich für ein würdiges Gedenken ein.
„Wir nennen es verleugnetes Lager“, erklärt Jascha Bertram (Name von der Redaktion geändert) während sie eine drei Meter hohe Holzkonstruktion mit Lack bestreicht. Diese Verleugnung liege laut Bertram an den Gründen, weshalb die Menschen im Jugendkonzentrationslager Uckermark im NS inhaftiert waren. Die von den Nazis als „Asoziale“, „Kriminelle“ und „Berufsverbrecher“ Verfolgten wurden lange nicht als Opfergruppe anerkannt und nach Kriegsende herrschte in der Gesamtgesellschaft häufig die Auffassung, dass sie zu Recht eingesperrt worden seien. „Die Ausgrenzung ging also weiter. Auch später hatten die Menschen einfach keine Lobby. Es waren viele Menschen in dem Lager, die erwerbslos waren, wohnungslos, krank und arm. Die haben auch heute keine Lobby“, fasst Jascha Bertram zusammen.
Sie ist seit 2005 bei der Initiative für einen Gedenkort ehemaliges KZ Uckermark e. V., die zum Ziel hat, einen würdigen Gedenkort an das Jugendkonzentrationslager und den späteren Vernichtungsort Uckermark zu schaffen. 1997 wurden dafür die ersten antifaschistischen und feministischen Bau- und Begegnungstage abgehalten. Seit 2001 finden sie jährlich mit unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten statt. Auch dieses Jahr kamen FLINTA (Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen) aus ganz Deutschland und Österreich vom 19. bis 28. August auf dem Gelände des ehemaligen KZs zusammen, um den Gedenkort zu pflegen, instand zu halten und weiterzuentwickeln. „Die praktische Arbeit am Ort und die gleichzeitige Auseinandersetzung damit, was das für ein Ort war und welche Menschen hier inhaftiert waren, wird kombiniert“, so Bertram.
Genderspezifische Verfolgung im NS
Ab 1942 haben die Nazis Mädchen und junge Frauen im Alter von 16 bis 21 Jahren in das Konzentrationslager, das sich in unmittelbarer Nähe des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück befand, gebracht. Bis 1945 waren ungefähr 1.200 Mädchen und junge Frauen unter verheerenden Bedingungen inhaftiert, sie wurden gequält und mussten Zwangsarbeit verrichten. Die im Nationalsozialismus als „Jugendschutzlager“ bezeichneten KZs für Jugendliche, standen im engen Zusammenhang mit den sogenannten Fürsorgeeinrichtungen. Von dort wurden vermeintlich „unerziehbare“ Jugendliche teilweise direkt ins Lager gebracht. „Die sogenannte sexuelle oder sittliche Verwahrlosung hat nur Frauen beziehungsweise Frauen* betroffen, auch überwiegend junge Frauen. Das gab es für Männer nicht.“ So leitet Jascha Bertram den feministischen Fokus der Bautage und der Initiative aus der genderspezifischen Verfolgung ab, von der der Gedenkort zeugt.
„Es geht darum, dass das, was die Initiative geschaffen hat nicht wieder komplett überwuchert wird. Deswegen haben wir viel wieder freigelegt und den historischen Ort gepflegt“, sagt eine Teilnehmer*in, die zum ersten Mal bei den Bautagen mitmacht. Einer der mit Steinen markierten Wege führt mitten im Wald, an einem Hochsitz vorbei zur Havel.
Dort hat die Initiative in einer Bucht ein Schild aufgestellt mit einem Zitat der Überlebenden Maria Potrzeba: „Die Natur hat alles zuwachsen lassen; ich fand nur noch den Steg wo Siemens die Schiffe an der Havel beladen hat.“ Ob sich der Steg dort befand, wo das Schild steht, weiß die Initiative nicht. Der Ort sei dennoch eine sinnvolle Stelle, um mit dem Boot zum Gedenkort zu gelangen. Ab und zu fährt zwar ein Motorboot vorbei, aber keins von ihnen hält an.
Das ehemalige KZ Gelände scheint sich ewig zu erstrecken. An manchen Stellen verweisen rot angemalte Pfähle in der Erde darauf, was dort, wo heute Sträucher und Bäume wachsen, einmal war. An anderen gibt es Tafeln mit Informationstexten und den Geschichten der Überlebenden.
Offenes Gedenken
„Wir wissen jetzt mehr, oder wir denken, dass wir jetzt mehr wissen“, sagt Jascha Bertram, wenn man sie fragt, wie sich die Arbeit der Initiative über die Jahre verändert hat. Es habe viele Diskussionen darüber gegeben, wie das Gelände gestaltet werden sollte „ohne, dass wir jedes Mal, wenn wir ein neues Zitat oder eine neue Information finden, ein Schild machen und dann irgendwann einen Schilderwald stehen haben.“
Das Gedenken offen zu gestalten, macht die Arbeit des selbst organisierten Netzwerkes aus. Dadurch unterscheidet sich der Gedenkort in der Uckermark von institutionalisierten Gedenkstätten.
Das Konzept des „offenen Gedenkens“ illustriert Bertram, die mal lackiert, mal Werkzeuge einsammelt, an einer Anekdote. „Kürzlich war eine Jugendgruppe da, die vorher in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück war. Eine Person aus der Gruppe war schon völlig gesättigt von den ganzen Informationen. Die Person hat dann hier ein Schild repariert und noch ein bisschen Grünzeug weggemacht. Das war eine Art sich dem Ort zu nähern.“
Es wird geklatscht und gejubelt als sich die gesamte Gruppe zum Abschlussrundgang versammelt. Die einzelnen Projekte, an denen die Teilnehmer*innen 10 Tage gearbeitet haben, werden vorgestellt. Freigelegte Flächen, Wege und selbst gebaute Drahtfiguren werden präsentiert. Dort, wo gerade ein Holzgestell steht, soll schon bald eine mit Solar betriebene Soundbox eingelassen werden. Über den Inhalt müsse man sich noch abstimmen, aber eine wasserdichte Lösung für ein Audioangebot unter freiem Himmel haben die diesjährigen Teilnehmer*innen erst einmal gefunden.
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