Krieg in der Ukraine und Russland: EU will Kyjiw weiter Waffen liefern

Der ukrainische Außenminister fordert die Erlaubnis zum Einsatz westlicher Waffen in Russland. Und setzt beim EU-Treffen Annalena Baerbock unter Druck.

Nichts als Trümmer: Ein Wohnviertel in Saporischschja am vergangenen Dienstag nach einem russischem Drohnenangriff Foto: dpa

BRÜSSEL taz | Brüssel oder Budapest, Waffen oder Diplomatie? Wochenlang haben die EU-Außenminister über diese Frage gestritten. Die eigenmächtige „Friedensmission“, mit der Ungarns Regierungschef Viktor Orbán seine Ratspräsidentschaft im Juli eröffnet hatte, drohte die EU zu spalten.

Doch als sich Außenministerin Annalena Baerbock und ihre Amtskollegen am Donnerstag im Brüsseler Ratsgebäude trafen, war der Ärger verflogen. „Ich wäre auch an einen anderen Ort gereist“, sagte Baer­bock auf die Frage, was sie von einem Boykott gegen Budapest und Orbán halte.

Auch die Frage nach Waffen und Diplomatie war schnell entschieden: Die EU-Außenminister setzen in ihrer großen Mehrheit weiter auf Waffen für die Ukraine. Orbáns Vermittlungsversuche, für die er auch nach Moskau und Peking gereist war, sind kein Thema mehr.

Statt um Diplomatie geht es um noch mehr Krieg. Während die russischen Truppen in der Ostukraine weiter auf die strategisch wichtige Stadt Pokrowsk vorrückten, machte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba beim Außenministertreffen ein ganz großes Fass auf.

Die Alliierten sollten der Ukraine endlich erlauben, mit westlichen Waffen „legitime militärische Ziele tief in Russland zu treffen“, forderte Kuleba. Auch die 27 EU-Staaten sollten Kyjiw „unverzüglich“ grünes Licht geben. Es sei Zeit für „wagemutige Entscheidungen“.

Gemeint sind vor allem Deutschland und die USA. Berlin und Washington wollen eine weitere Eskalation vermeiden und verweigern deshalb noch die Nutzung ihrer Waffen für weitreichende ukrainische Militärschläge, die im Prinzip auch Moskau oder Sankt Petersburg treffen könnten.

Hinter verschlossenen Türen

So deutlich wollte dies Baerbock nicht sagen. Statt auf Kulebas Forderung einzugehen, versprach sie der Ukraine vier weitere IRIS-T-Systeme und weitere Gepard Panzer bis Jahresende. Sie sollen die Luftabwehr stärken und das Land vor „Putins Kältekrieg“ schützen. Alles weitere werden man hinter verschlossenen Türen besprechen. Die Grünen-Politikerin steht unter Druck. In den letzten Tagen war in Brüssel der Eindruck aufgekommen, die Bundesregierung in Berlin wolle ihre Hilfe für die Ukraine reduzieren.

Kuleba verlangte eine Erklärung von Baerbock. Unter den aktuellen Umständen dürfe die Unterstützung der Ukraine nicht an finanziellen Problemen scheitern, sagte er. Es gehe um die Zukunft Europas. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell stellte sich hinter Kuleba und verwies auf die russische Angriffswelle. „Seit Kriegsbeginn im Februar 2022 hat Russland mehr als 14.000 Drohnen auf die Ukraine abgefeuert“, sagte er. Hinzu kämen rund 10.000 Raketen und viele Gleitbomben.

Unter Druck kam Baerbock auch beim zweiten großen Thema des Außenministertreffens: dem Krieg in Gaza und dem drohenden Flächenbrand in Nahost. Borrell fordert schon seit einiger Zeit, Israel mit Sanktionen zu drohen – Baerbock hat bisher immer dagegengehalten.

Nun legte der Spanier einen Vorschlag für Strafmaßnahmen gegen Finanzminister Bezalel Smotrich und Polizeiminister Itamar Ben-Gvir vor. Ihnen werden Menschenrechtsverletzungen und Aufstachelung zum Hass vorgeworfen. Außerdem wollen sie Hilfen für Gaza stoppen – selbst auf die Gefahr hin, dass Palästinenser verhungern.

Zur allgemeinen Überraschung sagte Baerbock nicht sofort Nein. Zunächst sei zu prüfen, ob die Vorwürfe für eine Bestrafung ausreichten. Es wäre das erste Mal, dass die EU gegen die Regierung in Tel Aviv vorgeht. Bislang hat Brüssel nur Sanktionen gegen einige radikale israelische Siedler verhängt.

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