Weinlese in Brandenburg: Weingut an der Havel
Der Weinanbau rückt gen Norden vor. Auf der Insel Töplitz bei Potsdam gibt es ihn seit Jahrhunderten. Möglich macht's das besondere Mikroklima.
Den gibt es schon ziemlich lange, das lässt allein die Adresse vermuten: Am Alten Weinberg. Dort wartet Klaus Wolenski, dem das Weingut gehört, in Arbeitskluft auf die taz mit einem kleinen offenen Wagen. Wir fahren ein paar Hundert Meter weiter eine kleine Anhöhe hinauf, es sind etwa 55 Meter. Ringsum die für die Insel typischen Wiesen, in der Ferne die Havel, ein paar Kühe – und viel Ruhe. Eigentlich der ideale Ausflugsort für stressgeplagte Großstädter. Doch die Besenwirtschaft am Fuße des Weinbergs hat seit Corona zu und wird auch nie wieder öffnen. „Das war zu viel Arbeit“, sagt Wolenski.
Oben auf dem Hügel wächst Wein, Reihe für Reihe, auf rund drei Hektar. Die Reben sehen allesamt gesund und stark aus, sie wachsen diesen Sommer enorm, auch die Trauben, der viele Regen hat sein Gutes.
Wir nehmen auf einer Bank inmitten der Reben Platz – es ist schön, hier zu sitzen. Wolenski kramt in der Geschichte, der 75-Jährige ist ein guter Erzähler. Zusammen mit Frau und Tochter und einer halbtags beschäftigten Mitarbeiterin betreibt er den Weinberg. Sie ist gerade dabei, die lang gewachsenen Triebe ins Drahtgeflecht zu bugsieren, damit sie später die Trauben nicht verschatten – die sollen ja Sonne abkriegen.
Die Besonderheit
Die Insellage: Die Insel Töplitz, gut 15 Kilometer vom Potsdamer Stadtzentrum entfernt, ist von Wasser umflossen, ringsum sind da die große Havel, ein Kanal, ein See und der kleine Fluss Wublitz. Die Insel gehört zu Töplitz, einem Ortsteil der (ebenfalls weinseligen) Stadt Werder (Havel).
Die Zielgruppe
Für Liebhaber besonderer Weine, Prost! Wer mehr wissen will: Das Buch „Die Zisterzienser und ihre Weinberge in Brandenburg“ von Roland Fröhlich ist 2010 erschienen und über den Lukas Verlag Berlin immer noch lieferbar.
Hindernisse auf dem Weg
Die biozertifizierten Weine des Weingutes Klosterhof Töplitz gibt es nur vor Ort – der Überlandbus aus Potsdam fährt einmal die Stunde – und auf einem samstäglichen Markt in Potsdam zu kaufen, aber auch im Onlineshop.
Wolenski war „vor ewigen Zeiten“ Beamter in Berlin-Spandau und hat in verschiedenen Branchen gearbeitet. Vor 30 Jahren hat es ihn auf die Insel Töplitz verschlagen, erst haben sie in Landwirtschaft gemacht, dann kamen die Pferde und vor 20 Jahren kam der Wein hinzu. Der Weinbauer baut fünf Rebsorten an. Drei rote: Regent, St. Laurent und Spätburgunder, also Pinot noir. Und fünf weiße: Bacchus, Riesling, Weißburgunder, Grauburgunder, Cabernet Blanc.
Lange vor ihm haben hier Zisterzienser vom Kloster Lehnin Wein angebaut, sie kamen vor über 600 Jahren auf die Insel Töplitz. Wein wurde dort bis zum Zweiten Weltkrieg angebaut. Die DDR hatte dafür nichts übrig, ließ die Reben roden: Die Insel wurde zum Obstanbau genutzt.
Mehr Sonne als in der Pfalz
Die Klosterbrüder hatten damals den Standortvorteil erkannt. Es sind die sonnige Lage und das Wasser rundherum, die für ein optimales Mikroklima sorgen. „Wir haben hier mehr Sonnenstunden als die Pfalz. Es ist hier relativ trocken und einer der wärmsten Orte Deutschlands – für den Wein ideal.“
Auch der Boden mit seiner Mineralien-Vielfalt – der Weinberg steht auf einem Moränenhügel – sind ein großes Plus für guten Geschmack. Und hier geht immer ein leichter Wind. Dadurch wären Mehltau oder andere Pilzkrankheiten im Grunde genommen gar kein Problem. „Ich muss überhaupt nicht spritzen. Wir haben großes Glück mit der Lage.“
Wolenski produziert neben Rot- und Weißwein auch einen Rosé und aus dem Riesling einen Sekt. Und er verkauft verschiedene Brände, einen Hefebrand oder einen Tresterriesling (also einen Grappa, der nicht Grappa heißen darf). Die Brände aus den Resten der Weintrauben destilliert ein Bekannter.
Wolenski dürfte 30.000 Liter ernten, aber er erzeugt maximal 18.000 Liter, manchmal auch nur 16.000 pro Jahr. Das sind 20.000 bis 25.000 Flaschen.
Die Lese mit dem grünen Saft
Der Winzer reduziert seine Trauben: „Wir nehmen die Hälfte der gewachsenen Trauben ab – für den Geschmack.“ Die am Rebstock verbliebenen Trauben werden so größer, schöner, saftiger und schmecken intensiver. Die sogenannte grüne Lese beginnt etwa Ende Juli. Die Trauben sind dann erbsengroß und steinhart. Daraus wird Verjus gemacht. Der „grüne Saft“ ist gerade in aller Munde, als Säuerungsmittel ersetzt in der Küche Zitrone und Essig.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Der Wein aus der letzten Ernte wartet im ebenerdigen Weinkeller. In der Halle stehen riesige metallene Gärtanks, um die Ecke auch alte Eichenholzfäser, da steckt Rotwein seit 2020 und 2022 drin und wird immer besser mit der Zeit. Überhaupt lagert sein Wein verhältnismäßig lange. „Wir haben keinen Druck und füllen erst ab, wenn der Wein wirklich so ist, wie ich ihn mir vorstelle.“
Das heißt ständig prüfen, messen, schmecken? „Aber ja“, sagt der Winzer verschmitzt, „jeden Abend diese harte Arbeit des Prüfens und des Probierens.“
Die Ernte geht Ende September los, die Erntehelfer kriegen etwas zu essen und ein paar Flaschen Wein als Bezahlung. Wolenski schwärmt: „Wir sitzen auf dem Weinberg und essen zusammen. Die Ernte ist immer eine schöne Zeit.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!