piwik no script img

Strafanzeige gegen HöckeNationalsozialist zitiert

Im Programm der AfD Thüringen steht der Liedtext eines bekennenden Nationalsozialisten. Das könnte Volksverhetzung sein.

Sänger mit Anzeige am Hals: Thüringens AfD-Sprecher Möller und Höcke bei einer Parteiveranstaltung Foto: Sebastian Willnow/dpa

Erfurt epd/taz | Der Spitzenkandidat der Thüringer Grünen zur anstehenden Landtagswahl, Bernhard Stengele, hat die beiden AfD-Landessprecher Björn Höcke und Stefan Möller wegen des Verdachts der Volksverhetzung angezeigt. Beide hätten den Abdruck des Liedes „Rauscht ihr noch, ihr alten Wälder“ des 1945 gestorbenen Lyrikers Franz Langheinrich im Landeswahlprogramm der AfD zu verantworten, teilte die Landesgeschäftsstelle der Grünen am Montag in Erfurt mit. Mit dem Abdruck des Liedes werde ein Autor gewürdigt, der sich im Dritten Reich als bekennender Nationalsozialist zu erkennen gegeben habe.

Die insgesamt 21 Zeilen des Liedes sind nach Aussagen von Stengeles Anwalt zwar unverfänglich und beschrieben in rührseliger Weise die schöne Thüringer Landschaft. Doch stelle das Zitieren einer Person, die als Autor sogar in der Parteizeitung der NSDAP hervorgetreten sei, einen eindeutigen Bezug zum Dritten Reich dar. Ein solcher Liedtext zu Beginn des Wahlprogramms erwecke beim Leser den Eindruck, der 1864 in Leipzig geborene Langheinrich sei für die Thüringer AfD eine prägende Figur.

Laut dem Anwalt kommt es bei der Strafbarkeit einer Volksverhetzung dabei nicht darauf an, ob Langheinrich selbst an Gewalttaten teilgenommen hat. Es gehe hier vielmehr um eine relativierende oder billigende Wirkung.

Laut Stengele habe Langheinrich etwa über Adolf Hitler (1889-1945) geschrieben, dass dessen weltbewegende Idee des Nationalsozialismus von München aus ihren befreienden Siegeszug angetreten habe. Der Autor habe damit offen der völkischen Szene angehört. Ihn zu zitieren, verletze den öffentlichen Frieden.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

20 Kommentare

 / 
  • @SAM SPADE

    Seufz. Kontext:

    - der Mann ist Geschichtslehrer



    - das ist nicht die erste Referenz auf die NS-Zeit, die er unterbringt



    - es dürfte nicht so schwer für das Gericht sein, dass er diese Botschaft absichtlich, dass seine Kundschaft auch die Botschaft aufnehmen wird.

    Und auf das letztere kommt es an.

  • Obwohl ich ja wahrlich kein Sympatisant der rechten Szene bin muss ich sagen:

    Weiiiiiiiit hergeholt. Sehr weit.

    Es ist ja durchaus lobenswert wenn man die Rechte Mischpoke bekämpft wo es geht aber dabei muss man schon aufpassen dass das Schwert nicht schartig wird.

    Und auf Biegen und Brechen aus diesem Text unter Bezugnahme auf die Rechte Nähe Volksverhetzung zu konstruieren ?

    Da muss es doch bessere Wege geben.

  • Es ist wirklich peinlich, wie immer wieder Leute über die Stöckchen springen, die Herr Höcke ihnen vorhält.

  • Okay das geht dann jetzt doch zu weit und spielt mal wieder nur der AFD in die Hände

  • @SAM SPADE, @HUCK

    Es ist ja nicht "das Liedchen". Es ist der Kontext.

    "White lives matter" ist, z.B., für sich selbst genommen, eine harmlose, wahre Aussage. Im Kontext, in dem es vor Kurzem üblicherweise benutzt wurde, trotzdem zutiefst rassistisch.

    Sind Sie so naiv, oder tun Sie nur so?

    • @tomás zerolo:

      Schön und gut. Nur was daran ist jetzt der konkrete justiziable Gegenstand? Darum ging es in meinem Kommentar, nicht um persönliche Ansichten. Also Fakten bitte.

    • @tomás zerolo:

      Man kann auch ein ganz aktuelles Beispiel nehmen. L'amour toujours.

      Heutzutage ein zutiefst rassistisches Herumgegröhle. Von außen harmlos, kontextualisiert gesehen aber ausländerfeindlich.

      Die Menschen können ja mit Verachtung reagieren, sodass Nazis merken dass ihr re-interpretierter Party-Kracher bei den Leute ja garnicht so toll ankommt. Das Gegenteil ist leider der Fall. Sogar der alte Gigi, der Urheber des Werkes, ist machtlos.

      • @Troll Eulenspiegel:

        Das ist ein anderer Sachverhalt. Hier geht es konkret um das Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen. Und da stellt sich die Frage, ob ein Lied über die Thüringen Landschaft dazugehört, auch wenn es von einem Nationalsozialisten verfasst wurde. Hier liegt der Fall nämlich nicht so klar wie beim Horst Wessel Lied, welches als SA Parole schon von den Alliierten komplett verboten wurde (Text und Melodie).

        Ist der Inhalt des Werkes in diesem Sinne nicht zu beanstanden ist es unerheblich ob der Urheber Anhänger oder bekennender Nationalsozialist war. Um dann dennoch einen Zusammenhang herzustellen der den Strafttatbestand der Volksverhetzung erfüllt, bedarf es schon einer "ungewöhnlichen" juristischen Herleitung.

        Und ob dieses Vorgehen der Sache dienlich ist, ist mehr als fraglich. Damit kann man sich auch schnell lächerlich machen, auch vor Gericht und das dient dann einzig der Gegenseite.

        • @Sam Spade:

          Schon alleine aus historischer Erbschuld sollte die juristische Herleitung konsequent durchgeführt werden. Du nennst es "ungewöhnlich", ich nenne es "nie wieder".

          Alles andere ist einfach nur eine Verharmlosung des Nationalsozialismus, und das Gericht muss klar nach Kontext gehen, um der Welt da draußen zu zeigen, wie ernst der Faschismus bekämpft werden muss.

          Von außen scheint das Thüringen-Lied harmlos zu sein, doch was steckt wohl hinter dem Text, wenn der Urheber ein Nazi war? Schöne Landschaften besingen kann jeder. Ein Nazi legt den Kontext darauf, dies zu beschützen. Nicht vor Fabrikabgasen damaliger Zeit sondern vor der Existenz von z.B. jüdischen oder polnischen Menschen.

  • Wenn es nützt, den Höhenflug der AFD aufzuhalten, warum nicht. Das Gegenteil wird eher der Fall sein. Durch solche Aktionen werden die Grünen in Thüringen sicherlich nicht die 5-Prozent-Hürde hinter sich lassen können... WO bleibt das vielversprochene inhaltliche Stellen?

  • Das ist juristische Haarspalterei. Dafür wurde der Paragraph 130 StgB nicht geschaffen. Aus einem Lied über die Thüringer Landschaft eine Theorie zu konstruieren das der öffentliche Frieden verletzt wurde und diese Theorie noch in einen rechtlichen Rahmen einzubetten, zeugt schon von juristischer Finesse.

    Es sollte aber besser bei der Theorie bleiben und nicht noch die in der Praxis ohnehin schon überlasteten Gerichte damit behelligt werden. Aber Anwalt will ja auch leben.. daher einige Vorschläge:

    Ernst Jünger hat Hitler bereits 1926 mit der Widmung "Dem nationalen Führer Adolf Hitler" in seinem Buch "Feuer und Blut" gehuldigt und später Werke im Geist des Nationalsozialismus verfasst wie "Der Arbeiter". Gottfried Benn hat sich 1933 in die "gesäuberte" Akademie der Dichtung berufen lassen etc. Da ginge juristisch noch einiges.

  • Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Bundesverfassungsgericht es zulässt, das Zitat eines sentimentalen und harmlosen Heimatliedchens, auch wenn es von einem Nationalsozialisten verfasst wurde, als strafbare Handlung einzuordnen.

  • Das weiß Höcke auch und er macht es absichtlich. Die Strafe nimmt er wissend in Kauf, weil er dann behaupten kann, wegen harmloser Texte politisch verfolgt zu werden. Und die Staatsanwaltschaft macht einfach mit.

    Wichtig wäre, dass bei Wiederholungstaten die Strafen entsprechend höher ausfallen. Ein echter Rassist wird sich aber auch freuen, für ein paar Monate inhaftiert zu werden. Dann kann man absurd verworrene Bücher wie "Mein Kampf" verfassen und sich dafür feiern lassen.

  • Mir scheint, die Grünen wollten mit solchen sinnarmen Scharmützeln (um es freundlich zu formulieren) à tout prix aus den ostdeutschen Landesparlamenten fliegen wollen....Andererseits könnte man natürlich beginnen darüber zu diskutieren, welche "Geistesgrößen" dem NS und insbesondere seinem Führer gehuldigt haben, um post festum nichts mehr davon gewusst zu haben (Gehlen, Heidegger, Benn e tutti quanti)...

  • das Lied ist von 1912

  • Wo findet man denn mehr zur person langheinrich?



    Wikipedia bietet ja nich grade aussagekräftiges.

    • @Hannes Petersen:

      Sie nicht? Also ich schon. In dem dort verlinkten Artikel der "Welt" findet sich IMO mehr als genug.

    • @Hannes Petersen:

      Das hat dann ja wohl "gute" Gründe.



      Offensichtlich ist die Sparte eher was für Ewiggestrige oder das "Darknet".

  • .... jajajaja ...



    klar kann Herr H. nur Nazisprech.



    Wissen wir doch alle.

    Diese Diskussionen und Wortklaubereien werden oft im Sand der (wahrscheinlich) reaktionären Justiz ihr Ende finden.

    Ignorieren fände ich angemessener.

    Gruß



    Fritz

    • @Fritz Müller:

      Ignorieren = Nazis tun und machen lassen.

      Nein. Mit Verachtung reagieren ist angemessen. Nazis zeigen, dass ihr Müll unwillkommen ist.