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Gedenkstättenleiter von BuchenwaldEinen bedrohen, alle einschüchtern

Marie Sophie Huebner
Kommentar von Marie Sophie Huebner

Wer sich für die Demokratie engagiert, riskiert, von Nazis angefeindet zu werden. Nicht alle können danach auf Unterstützung aus der Politik zählen.

Jens-Christian Wagner, Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, steht hinter dem Haupttor zur Gedenkstätte Foto: Markus Schreiber/ap/picture alliance

J ens-Christian Wagner ist Leiter der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Er hat 350.000 Briefe an Thü­rin­ge­r*in­nen versandt und sie dazu aufgefordert, bei der anstehenden Landtagswahl demokratische Parteien zu wählen. Er hat nicht dazu aufgerufen, Faschos zu verprügeln. Sondern er hat daran erinnert, dass bei der Wahl viel auf dem Spiel steht und man bitte keine Rechtsextremen wählen soll.

Nun wird er bedroht. Dieser Satz verliert an Schlagkraft, weil ständig Leute bedroht werden. Aber wenn ich Wagners Tweet zu der Angelegenheit lese, dann halte ich einen Moment lang die Luft an. Er schreibt dort: „In der Gedenkstätte Mittelbau-Dora wurde mein Konterfei auf eine Todes­marschstele geklebt.“ Die Gedenkwand erinnert an die etwa 13.000 Opfer, die im KZ Buchenwald zu Todesmärschen gezwungen wurden. Eine Weimarer „Montagsspaziergängerin“ habe ihm geschrieben, der verstorbene SPD-Politiker Thomas Hartung habe die Quittung für sein Handeln bekommen – und auch er werde seine Strafe noch erhalten, zitiert Wagner auf X. Hartung war bildungs- und migrations­politischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion und engagierte sich gegen rechts. Im Juli starb er an Krebs.

Das Gefühl, das sich beim Lesen einstellt, ist das gleiche wie am Sonntag, als mir auf Instagram Videos von Rechtsextremen am Leipziger Bahnhof angezeigt werden. 400 Neonazis stehen am Bahnhof, rufen rechte Parolen, strecken die Fäuste in die Luft oder formen ihre Hände zu Okay-Zeichen, das Symbol für White Power. Die Polizei umzingelt die Neonazis. Setzt sie fest. Die rechte Demo in Leipzig fällt aus.

Zwar erklärt Wagner, beispielsweise im Interview mit der Süddeutschen Zeitung, vorsichtiger geworden zu sein, abends nicht mehr am offenen Fenster zu sitzen. Aber er sagt auch, im Austausch mit der Polizei zu stehen. Auch wenn Wagner nicht unter Personenschutz steht, ist er zumindest ein Stück weit durch die Beamten und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit geschützt – so wie die Leipziger queere Community am Sonntag.

Der Austausch und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit schützen niemanden komplett – das zeigt auf erschütternde Weise der Mord an Walter Lübcke, der heute 71 Jahre alt geworden wäre. Doch zugleich haben Menschen wie Wagner zumindest den Rückhalt anderer Demokrat*innen: Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt nannte die Drohungen gegen Wagner inakzeptabel. Der Thüringer CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt sagte, die Anfeindungen seien „unerträglich“. Wagner steht nicht allein da.

Schutz für alle De­mo­kra­t*in­nen

Viele andere Demokrat*innen, die sich im Privaten trauen, Widerstand gegen rechts zu leisten, erfahren diesen Zuspruch aber nicht. Sie werden nicht geschützt, wenn sie im Sportverein, bei der Arbeit oder in der Bar nicht weggucken, wenn jemand angefeindet wird.

Dirk Neubauer, mittelsächsischer Landrat, hat im Juli seinen Rücktritt damit begründet, dass „da draußen zu viele den Mund halten“. Das zeigt, wie wichtig es ist, dass De­mo­kra­t*in­nen ihre Stimme gegen rechten Hass erheben.

Doch die Bedrohungen gegen Wagner sollen nicht nur ihn einschüchtern, sondern alle De­mo­krat*in­nen – vor allem diejenigen, die nicht geschützt werden. Auch sie müssen in den Fokus der Politik kommen und konkret Unterstützung erfahren, immer und überall, wo die Demokratie und ihre Bür­ge­r*in­nen von den Rechtsextremen verächtlich gemacht und bedroht werden.

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