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Die WahrheitNashorn des Kabaretts

Statt eines Nachrufs: Würdigung des kürzlich verstorbenen gedankenreichen Polterers unter den bundesrepublikanischen Kabarettisten Richard Rogler.

Immer den Anschein des Aufgeregten: Richard Rogler (1949-2024)

K ürzlich verstarb Richard Rogler, eine der Kabarettgrößen der Bonner Republik und … – aber verdammt, das soll kein Nachruf werden. Ich bin es inzwischen leid, ständig Nekrologe auf Menschen zu verfassen, mit denen man es im Leben zu tun hatte. Allein deshalb gehört dieser Scheißtod endlich abgeschafft. Aber bevor ich mich aufrege wie der Rogler, erzähle ich lieber zum Gedenken an ihn eine persönliche Anekdote.

Im Sommer 2008 schrieb ich eine Glosse über die damalige Energiepreisdiskussion, warum eigentlich der Gaspreis an den Ölpreis gekoppelt sei. Dabei könnte in der Wirtschaft noch viel mehr gekoppelt werden, schlug ich vor: der Milchpreis an den Gaspreis, der Bierpreis an den Milchpreis, der Wasserpreis an den Bierpreis und schließlich der Ölpreis an den Wasserpreis. Ein ökonomisches Perpetuum mobile als Kern des Kapitalismus. Dafür würde dann mindestens der Nobelpreis für Wirtschaft winken. Aber nur gekoppelt mit dem für Literatur.

Wenig später bekam ich einen erstaunlich unaufgeregten Anruf von Richard Rogler. Ihm habe das Stück gut gefallen, er würde es gern in sein Programm einbauen, welches Honorar ich verlange. Nichts, erklärte ich, er sei schließlich ein Klassiker des Kabaretts, mir sei es eine Ehre, ihm den Text zu überlassen. Nein, nein, widersprach Rogler, eine angemessene Entlohnung sei notwendig, er wolle Arbeit nicht an Altruismus koppeln, dann würde er sich etwas einfallen lassen.

Wenig später traf ein Paket ein. Inhalt: eine Flasche Sechsämtertropfen. Ich verstand sofort die literarische Anspielung des im Wunsiedler Sechsämterland aufgewachsenen Rogler und antwortete ihm mit dem passenden Romantitel: „Geht in Ordnung, sowieso, genau!“

Richard Rogler war, um ausnahmsweise die Humorkritik mit der Großwildjägersprache zu kombinieren, einer der „Big Five“ des späten bundesrepublikanischen Fernsehkabaretts: Dieter Hildebrandt der Löwe, Gerhard Polt der Elefant, ­Georg Schramm der Büffel, Bruno ­Jonas der Leopard und Richard Rogler das Nashorn. Er war der Polterer, der sich so wunderbar aufregen konnte und mit seiner Schnodderschnauze alles aufs Horn nahm, was bei drei nicht auf den Bäumen war – wenn er seine Bühnenfigur „Camphausen“ selbst bei alltäglichsten Verrichtungen scheitern ließ, damit der Grantler zu röhrenden Monologen über das Große und Ganze ansetzen konnte.

Und um hier gar nicht erst wieder in den Nachrufjargon zu verfallen oder kulturpessimistisch den Zustand des aktuellen Kabaretts zu bejammern, das entweder in einer Verwahranstalt vor sich hin­vegetiert oder von den nichts als schlechte Laune verbreitenden „Ugly Five“ beherrscht wird – auf dieser kurzen Kabarett-Safari soll Richard „Rhino“ Rogler für seinen gedankenreichen Breitmaulhumor gewürdigt werden.

Möge er die himmlische Savanne oder den höllischen Dschungel von Kleinkunstbüh-nen, über die er gerade fegt, lautstark erbeben lassen. Schnaub!

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Michael Ringel
Wahrheit-Redakteur
Jahrgang 1961, lebt in Berlin-Friedenau und ist seit dem Jahr 2000 Redakteur für die Wahrheit-Seite der taz.
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11 Kommentare

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  • Ebenfalls danke, schöner wahrer Nachruf.

  • Der späte Richard Rogler saß Sonntagmorgens regelmäßig etwas versteckt vor einem Kiosk, rauchte dort seine Zigaretten und leerte 1 bis 2 Piccolöchen aus dem Plastikbecher. Das war natürlich illegal.

    Der Kioskbetreiber meinte: 'Der Rogler, der darf das!'

    Der Rogler meinte: 'Gesundheit ist das Wichtigste!'

    Ebenso 'durchwachsen’ war sein Wirken als Kabarettist.

    Ein 'normales' Leben voller Widersprüche, in einer verrückten Welt.

  • "Scheißtod" abschaffen bin ich auch dafür - ein bisschen

  • ps entre nous only - das einhornige 🦏 -



    Danke fürs Fotto - 🙀🥳💐 -



    So hab ich ihn in Erinnerung - nach Auftritt Atelier-Theater noch unter der Ägide von Mehmet Fistik - sitzend auf einer Bank am Rhing - wo sonst - schmunzelndes Nicken und weiter - er hatte grad wieder was auf dem Lappen.



    Am Abend dann im Atelier-Theater längerer Backstageplausch mit 🦬 Georg Schramm - Endbild: im Tanga!;)



    (Einzelkämpfer unter sich🤫 “…meinen Sie - das ist ein Tennisarm!!“)

    • @Lowandorder:

      &Däh&Zisch - Mailtütenfrisch hakt nach

      “Pig Feif. Als Nr. Six:



      Urban Priol. Sonst wird das nix.



      Wie sortiere ich den ein?



      Als Stachelschwein!“

      Liggers. Sein - Frisööer gibt all Müh sich



      Fein!

  • Danke für (Nach-) Ruf!



    Ich habe auch den Eindruck, dass solche Kaberettisten nicht mehr gebaut werden.



    Zu den großen dieser Zeit würde ich allerdings noch



    Jürgen Becker hinzufügen, der mit Hirschgeweih,



    als 5+ 1, einfach aus einem anderen Kulturkreis (Rheinland) stammt.



    Diese Art von Kabarett, die Rogler vertrat, hat wirklich politische Relevanz, da sie komplizierte Sachverhalte überraschend offenbart und entschlüsselt.



    Ein großer Mann, den ich gerne gesehen habe und der auch im Soloprogramm, jenseits seiner TV Bekanntheit, über die ganze Strecke fesselnd blieb.



    Ja, es gibt Menschen, die wird man vermissen!

  • Schreibt denn jetzt Richard Rogler die nächste Folge von Corinna Stegmanns Sommermärchen mit Knoten und Kellner auf dem Moon 🌜mit Schaf 🐑?



    Oder eher Michael Ringel?



    Who knows?

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      …bedanke mich 🦏 & harre der Dinge die da kommen sollen

      unterm—Das🦏 Schülerzeitung Bremen



      Harry Rowohlt: Gebet des Nashorns. Lieber Gott, Du bist der Boß, Amen!



      Dein Rhinozeros.



      isabelbogdan.de/2016/03/30/rhinozeros/

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      Oder wird es Eckhard Henscheid?



      Oder noch so'n posthumer, wie hieß er doch gleich?



      Ich hab's - WICHLAF

      • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

        Alter - WICHLAF? -

        Da steht die taz doch auf dem Schlauch!



        Sagte er doch einst zu Michael Ringel



        “Ich mach keinen Urlaub -



        Ich höre auf!“

        • @Lowandorder:

          Die Anekdote ist bekannt, aber



          1. kann ich Dir doch nicht die Butter vom Brot nehmen - und



          2. kann ich die Lebendigen schätzen,



          3. und die Toten auch (incl. Tränchen),



          4. kommt ja da die KI ins Spiel (siehe Moon bei Corinna Stegemann et al.)



          5. sehn wir's dann schon, wer der Mörder war, oder der Gärtner oder der Kellner.



          6. Schluck Wasser im Knoten, ick hör Dir Tropfen...