piwik no script img

Indien in AufruhrProteste nach Vergewaltigung

Landesweit kommt es nach der Vergewaltigung und Ermordung einer Ärztin in Indien zu großen Protesten. Mediziner verlangen mehr Schutz vor Gewalt.

Protest am Montag in Mumbai gegen den Vergewaltigungsmord an einer angehenden Ärztin in Kolkata am 9. August Foto: Rafiq Maqbool/ap

Mumbai taz | Die Solidarität ist überwältigend. Seit dem Vergewaltigungsmord an einer jungen Ärztin am 9. August im ostindischen Kolkata finden landesweit Proteste statt. In mehreren Regio­nen streiken Beschäftigte von Krankenhäusern. Am Samstag rief In­diens Ärztevereinigung zur eintägigen Arbeitsniederlegung in Privatkliniken auf. Nicht zwingend notwendige Behandlungen wurden ausgesetzt.

Seitdem versammeln sich Menschen von Kolkata über Del­hi bis hin zu kleineren Städten wie dem westindischen Thane, wo die Fachärztin ­Sonal Chavan auf einer Kundgebung sprach. „Die jüngste Vergewaltigung und Ermordung einer Arztkollegin ist ein zutiefst beunruhigender Vorfall, der die wachsende Bedrohung der Sicherheit von Frauen deutlich macht“, sagte sie der taz. „Es ist alarmierend, dass solche Taten nicht nur auf der Straße, sondern auch an Orten geschehen, wo wir uns eigentlich sicher fühlen sollten: dem Arbeitsplatz.“

Der Mord an der 31-jährigen angehenden Ärztin ereignete sich in einem Krankenhaus. Zunächst hieß es, sie habe Suizid begangen, sagte der Vater des Opfers. Am Tag darauf kam die Tat ans Licht. Ihre Familie geht von einer Gruppenvergewaltigung aus. Die Verwaltung der Ausbildungsstätte geriet in die Kritik und wurde verdächtigt, die Tat vertuschen zu wollen.

Für Chavan ist der Vorfall ein Anlass, die Wirksamkeit der Strafverfolgung und der Sicherheit von Frauen zu hinterfragen. Sie fordert eine Beschleunigung juristischer Verfahren. Der gesellschaftliche Wandel, um Frauen in allen Lebensbereichen wirklich zu schützen, müsse aber aus der Gesellschaft kommen. Was dabei auffällt, ist, dass die Toleranz für solche Verbrechen schwindet. Meist werden höhere Strafen gefordert.

Auch der Zorn frustrierter Patienten bedroht Mediziner

Den Protestierenden geht es neben der Bestrafung der Täter um mehr Sicherheit in Krankenhäusern: Dazu gehören Aufenthaltsräume und mehr Videoüberwachung. Die Regierung von Westbengalen, dessen Hauptstadt Kolkata ist, hat schon Maßnahmen versprochen, um die Sicherheit von Frauen am Arbeitsplatz, insbesondere in staatlichen Krankenhäusern, zu verbessern.

„Mediziner stehen oft unter großem Stress und sind mitunter dem Zorn frustrierter Patienten oder deren Familien ausgesetzt, was zu verbalen und körperlichen Übergriffen führt“, sagt Chavan.

Der Mangel an angemessenen Sicherheitsmaßnahmen verschärfe das Problem und mache Ärz­t:in­nen anfälliger für Angriffe. Frauen stellen in Indien fast 30 Prozent der Ärzteschaft und 80 Prozent des Pflegepersonals. Manche befürchten, dass sich der Mordfall nachteilig auf die Karrieren von Ärztinnen auswirken könnte. Inzwischen wurden auch Rufe nach der Todesstrafe für die Täter lauter, wobei es zu dem Fall viele Gerüchte gibt. Für Dienstag hat das Oberste Gericht eine Anhörung des Falles angesetzt.

Der Aufruhr um den Mord hat längst auch die indische Politik erreicht. Premierminister Narendra Modi (BJP) sagte: „Abscheuliches Verhalten gegenüber Frauen sollte hart und schnell bestraft werden.“

Politiker werfen Gegnern Untätigkeit vor

Seine konservative hindunationalistische Volkspartei BJP versucht aus dem Vorfall politisches Kapital zu schlagen, indem sie den in Westbengalen regierenden All India Trinamool Congress unter Mamata Banerjee Untätigkeit vorwirft. Diese organisierte bereits letzte Woche eine Kundgebung, der sich viele Frauen anschlossen, um Gerechtigkeit für die Ermordete zu fordern.

Laut Indiens Kriminalamt wurden im Jahr 2022 landesweit im Schnitt fast 90 Vergewaltigungen pro Tag gemeldet, insgesamt mehr als 31.000. Doch bleiben viele Fälle undokumentiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Die wichtigste Maßnahme dürfte wohl ein Austausch eines großen Teils des Polizeiaparats sein, der die Vergewaltigungen - wie man immer wieder lesen kann - eher als Lappalie sieht. Aber das ist ja wohl kaum machbar.

  • Ich habe davon mitbekommen wie in einer Berliner Krankenhaus Station ebenfalls ein Soli Brief unterschrieben worden ist. Es wurde von einer ver.di Person rum gegeben.