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Wahlkampf in BrandenburgWoidke geht ins Risiko

Die Brandenburger SPD setzt ganz auf ihren Spitzenkandidaten. Wenn die SPD nicht vor AfD und CDU liegt, ist Dietmar Woidke weg. Wer könnte ihm folgen?

Brandenburg braucht Größe: Im Falle von Dietmar Woidke sind es 1,92 Meter Foto: Michael Bahlo/dpa

Berlin taz | Das war eine Ansage. „Mein Ziel ist es, gegen die AfD zu gewinnen – und wenn ich gegen die AfD verliere, bin ich weg“, sagte Brandenburgs Ministerpräsident und SPD-Spitzenkandidat Dietmar Woidke bei der Vorstellung der Plakatkampagne am Donnerstag in Potsdam. „Ich werde nicht mit irgendjemandem rumverhandeln, wenn ich auf dem zweiten oder dritten Platz gelandet bin.“

Alles oder nichts. So lautet also die Devise des 62-Jährigen. Damit hat er bereits bei der Landtagswahl 2019 die AfD auf den letzten Metern überholt. Am Ende landete Woidkes SPD bei 26,2 Prozent. Die AfD, die lange Zeit in Umfragen vor der SPD gelegen hatte, musste sich mit 23,5 Prozent und Platz zwei begnügen.

Dass sich Woidke ausrechnet, auch bei der Wahl am 22. September wieder an der AfD vorbeiziehen zu können, hat mit seinen guten persönlichen Umfragewerten zu tun. Laut jüngstem Brandenburg-Trend sind 55 Prozent der Befragten mit der Arbeit des Ministerpräsidenten zufrieden. Nur 33 Prozent sagten das Gegenteil. Woidke ist damit der einzige Spitzenkandidat, der mehr Zustimmung als Ablehnung erfährt.

Die Werte seiner Herausforderer liegen weit unter denen von Woidke. Jan Redmann von der CDU kommt nur auf 16 Prozent, ein Wert, der noch vor seiner Alkoholfahrt auf einem Elektroroller gemessen wurde. Der AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt liegt bei 9 Prozent. Die Grüne Antje Töpfer liegt – ebenso wie Sebastian Walter von der Linken – bei 11 Prozent. BSW-Spitzenkandidat Robert Crumbach kommt auf 7 Prozent.

„Wer Woidke will, wählt SPD“: Dieser Spruch ist schon seit Tagen flächendeckend in Brandenburg plakatiert. Dass die SPD nun ganz auf den Bonus des Amtsinhabers setzt, hat auch damit zu tun, dass sich Woidkes Beliebtheit nicht zwangsläufig in Stimmen für die SPD niederschlägt. Laut der aktuellen Umfrage von Insa liegt die SPD mit 19 Prozent nur auf Platz zwei und auch nur einen Prozentpunkt vor der CDU. Die AfD führt mit 23,6 Prozent. Das BSW kommt demnach auf 16,6 Prozent, die Grünen liegen bei 7 Prozent. Woidke müsste bis zu den Wahlen in sieben Wochen also noch fast 5 Prozentpunkte aufholen.

Wer würde nachfolgen?

Die Strategie, alles auf eine Karte zu setzen, birgt natürlich auch Risiken. Was ist, wenn die SPD hinter der AfD, aber vor der CDU und dem BSW liegt? Was, wenn es zu einer Fortsetzung der bisherigen Koalition mit CDU und Grünen reichen würde? Wer würde die Koalitionsverhandlungen führen, wenn sich Woidke in den politischen Ruhestand begibt?

Seine Nachfolge hat Woidke, der das Land seit elf Jahren regiert, bislang nicht geregelt. Gut möglich, dass in der SPD nach dem 22. September ein interner Machtkampf ausbricht. Immer wieder als Nachfolger genannt werden Finanzministerin Katrin Lange, Fraktionschef Daniel Keller und Kultusministerin Manja Schüle.

Letztere soll es sich Medienberichten zufolge mit Woidke verscherzt haben, als sie sich nach dem Rücktritt von SPD-Bildungsministerin Britta Ernst weigerte, ihre Nachfolge anzutreten. Doch die Distanz könnte auch ein Vorteil sein, könnte sie sich doch nach dem 22. September als echte Alternative für einen Neuanfang ins Spiel bringen.

Darüber hinaus hat Schüle die Gründung der Universitätsmedizin in Cottbus äußerst erfolgreich über die Bühne gebracht. Eine Erfolgsbilanz, die Katrin Lange, die ohnehin immer wieder mit Forderungen nach einem Ende der Sanktionen gegen Russland von sich reden macht, nicht vorweisen kann.

Mit seiner Strategie versucht Woidke auch, die Erfolge Brandenburgs in den letzten Jahren persönlich für sich zu vereinnahmen. Mit einer Arbeitslosenquote von 6,1 Prozent steht das Land gut da, mit der Ansiedlung von Tesla ist die Wirtschaft dynamisch gewachsen, der Strukturwandel in der Lausitz kommt voran. „Wir waren sieben Jahre lang immer unter den Top drei beim Wirtschaftswachstum in Deutschland“, sagte Woidke auf einer Wahlkampfveranstaltung.

Vor allem die Grünen müssen nun befürchten, dass ihre Wählerinnen und Wähler vor der unangenehmen Frage stehen: Woidke wählen und die AfD alt aussehen zu lassen? Oder das Kreuz bei Grün machen, damit bei einer künftigen Koalition auch Klimapolitik eine Rolle spielt?

Kritik an Woidkes Kurs kam vor allem von der Linkspartei. „Wer tatsächlich Ministerpräsident werden will, muss Verantwortung übernehmen, gerade in diesen für alle demokratischen Kräfte so schwierigen Zeiten“, sagte Linksfraktionschef Sebastian Walter. „Nicht nur, wenn ihm die Ergebnisse passen.“ „Woidke ist verzweifelt und setzt alles auf eine Karte“, sagte der AfD-Landesvorsitzende René Springer.

Angesichts schlechter Umfragewerte der SPD im Bund bauen die Brandenburger Sozialdemokraten nicht unbedingt auf Besuch von Kanzler Olaf Scholz oder anderen Promis. „Wir brauchen keine geborgte Prominenz aus anderen Bundesländern oder aus der Bundesebene“, sagte Woidke.

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7 Kommentare

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  • Wenn er verliert, will er den Schettino machen. Fehlt ihm das Rückgrat?

  • „Wer Woidke will, wählt SPD“:



    ==



    Woidke ist Treiber & der Entwickler Brandenburgs. Dass die Berliner Ampelregierung 10,3 Milliarden Euro für die Strukturstärkung in der Lausitz im Kohleausstiegsgesetz festgeschrieben hat ist auf die Zusammenarbeit Voidke/Ampel zurückzuführen.

    Brandenburg ist im Vergleich zu den anderen 3 Kohleländern - Sachsen, Sachsen-Anhalt & NRW - am weitesten in der Transformation weg von der Braunkohle - vorangekommen: Eröffnung des Bahnwerks in Cottbus, geplante Produktion hybrid-elektrischer Systeme, dem Lausitz-Science-Park und der startenden Uni-Medizin in der Lausitz.

    Wer also Voidke oder die SPD inklusive der erfolgreichen Transformationspolitik in Brandenburg nicht möchte kann auch was anderes wählen - genau das hat Voidke deutlichst klar gemacht.

    Brandenburg hat als einzigstes ostdeutsches Bundesland 2024 genau so viele Bewohner wie 1989 - was für den Erfolg von Voidke & seiner Landesregierung spricht.

    Das lässt sich abwählen - und durch rechtsradikale & rechtspopulistische Politik ersetzen.

    Kleiner Tip an die Brandenburger: Erst rechtsradikal wählen - aber dann nach Berlin flüchten ist unmöglich -



    Berlin ist jetzt schon voll.

  • Es ist schon gut, wenn eine Landtagswahl mal genau das ist, nämlich die Bewertung einer Regierung für das Bundesland. Natürlich kann sich Woidke die wirtschaftliche Entwicklung Brandenburgs ans Revers heften, schließlich arbeitet die Landesregierung offenbar erfolgreich am Strukturwandel.



    Das scheinen die BewohnerInnen Brandenburgs,



    angesichts der Beliebtheitswerte ihres



    Ministerpräsidenten, genau so zu sehen.



    Es bleibt zu hoffen, dass sich der Großteil der BürgerInnen genau diese, für sie erfolgreiche Politik, wählt, statt die Meckermänner der "afd", die keinerlei Verbesserung anzubieten haben.



    Dass ein CDU Kandidat, der noch nicht einmal



    Verantwortung im Straßenverkehr übernehmen kann, eine Fehlbesetzung wäre, dürfte Konsens sein.

  • Realistisch betrachtet könnte die SPD auch vierter werden. Nach AfD, BSW und CDU.

  • Woidke ist nicht der einzige MP, der gehen sollte.



    Nun stellt er sich trotzig, weil es ihm nicht gelungen ist, die Neonazi-Szene in Brandenburg in den Griff zu bekommen.



    Bald kommen die Armleuchter für Deutschland (AfD) an die Macht.

  • Die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg werden sehr wahrscheinlich wieder eine Abstrafung der Bundespolitik. Diesen Trend gab es ja auch schon bei den Landratswahlen zuletzt so zu beobachten und auch bei der Hessenwahl wurde hinterher dieser Umstand als Grund für die Niederlage der SPD von ihr selbst so kommuniziert.



    Was bleibt Woidke also anderes übrig? Immerhin hat es 2019 ja auch geklappt und er ist beliebt. Mehr bleibt ihm schlicht nicht 🤷‍♂️



    Auf Bundespolitiker als Unterstützer im Wahlkampf braucht Woidke nicht hoffen, allen voran Scholz hat im Osten derart unterirdische Beliebtheitswerte - und generell hat die SPD keinerlei politische Lösungen im Angebot zu allem was die Bürger bewegt, fällt in der Bundespolitik vor allem nur durch 'nichtauffallen' auf.



    Es bleibt also nur der Personenkult. Die SPD in Brandenburg wird es so probieren (und Die Linke in Thüringen mit Ramelow auch).



    Wenn es klappt 🤷‍♂️👍



    Gleichzeitig ist es auch ein Offenbarungseid sondergleichen - Personenkult ist eigentlich ein Merkmal von Diktaturen oder Monarchien, wenn den Demokraten im Land nichts besseres mehr einfällt ist es eigentlich schon 5 nach 12 🙈

    • @Farang:

      ""Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg werden sehr wahrscheinlich wieder eine Abstrafung der Bundespolitik.""



      ==



      1.. Hessenwahl: - Ist Ihnen bekannt welche bundespolitisch regierende Partei in der neu gewählten hessischen Landesregierung sitzt?

      2.. ""Was bleibt Woidke also anderes übrig?""



      ==



      Der geht - wenn er nicht gewählt wird - (warum sie das als Diktatur bezeichenen bleibt irgendwie unklar) und mit Ihm die bislang erfolgreiche Transformationspolitik - und mit ihm die begonnenen wirtschaftlichen Projekte, deren Zuwächse Brandenburg zum Spitzenreiter im Vergleich zu allen anderen Bundesländern gemacht haben.

      3.. Niemand hat derzeit die Absicht einen antifaschistischen Schutzwahl zu bauen.

      4.. Die Bundespolitik kann auch ohne Thüringen und Sachsen - zum Vergleich siehe die Zeit von 1949 bis 1990.

      Thüringen und Sachsen auch?