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„A l’Arme“-Festival für ungestüme MusikLaut ist gut, lauter noch besser

Statt Schönklang gibt es fiese Störgeräusche zum Verzücken der Noise-Aficionados. Die haben glückliche Momente beim „A l’Arme!“-Festival in Berlin.

Keiji Haino ist bekannt für sein explosives Gitarrenspiel Foto: Kazuyuki Funaki

D ieser Lärm immer, es nervt. Da hupt wieder einer, weil es nicht nach seinem Willen vorangeht. Hupt noch einmal, dringlich. Über die Straße hinweg grölen die Leute, ein Lastwagen donnert vorbei, langsam schiebt sich eine Sirene ins Bild, so laut, lauter, ohrenbetäubend, dass man gleich woanders sein möchte.

In Bhutan zum Beispiel, wo es doch stiller und geruhsamer zugeht, wenn man diesem Film glauben darf, „Was will der Lama mit dem Gewehr?“, der gerade in den Kinos zu sehen ist.

Da gibt es schon auch Konflikte. Aber halt nicht so schrill.

Andererseits: Laute Musik ist gut. Noch besser ist sie lauter. Einfache Rechnung: Mit dem Hochdrehen des Lautstärkereglers gewinnt die Musik an Intensität. Leise ist indifferent, das Laute zieht einen in den Bann. Das weiß natürlich auch Keiji Haino, der japanische Gitarrenberserker, der so einen Lärm machen kann wie den, als sich einst im Märchen Rumpelstilzchen zerrissen hat vor Wut.

Zickig-hohl-drehende Spielautomatenmusik

„A l‘Arme!“ im Berliner Radialsystem geht noch bis zum 10. August, an dem auch Keiji Haino einen weiteren Auftritt hat. Die 12. Aus­gabe des Fes­ti­vals wird die letzte sein: Weil überall gespart wird, verknappen sich auch für die etwas lautere und ungestüme Musik die Fördermittel.

Keiji Haino ist ein Stargast des Berliner „A l’Arme!“-Festivals, das ja bereits im Namen anklingen lässt, dass es da nicht unbedingt still und leise zugehen wird mit dem Schlachtruf „Zu den Waffen!“, der in dem deutschen „Alarm“ drinsteckt. Und dadrin steckt der Lärm.

Um Keiji Haino den rechten Resonanzboden zu bereiten, gab es vorab beispielsweise mit dem Elektronik-Schlagzeugduo Elias Stemeseder und Christian Lillinger einen zersplitterten Jazz und zickig-hohl-drehende Spielautomatenmusik zu hören.

Und die aus Frankreich kommende und in New York lebende Laura Bordreuil präsentierte ein harsches Cello-Elektronik-Brett, auf dem bereits alles draufgenagelt war: mit den fiesen Störgeräuschen, dem Fiepen und ohrenklingelnden Donnergrollen, was Noise-Aficionados ins Verzücken bringt. Wurde es noch lauter, schauten viele auch gleich verzückter.

Es klimpert und kracht

Lärm ist was Wunderbares. Er macht Spaß.

Denn es war doch so, damals in den Kinderzimmern: Dieses Aufgehobensein im Lauten, diese mit den Lärmziegeln aufgeschichtete Mauer, hinter der man sich verbergen konnte.

Mach doch mal die Musik leiser!, brüllte es dann ins Zimmer. In autoritärer geführten Haushalten wurde sie einfach ausgeknipst.

Keiji Haino sah aus wie immer. Ein schmächtiger Mann, schwarz gekleidet. Natürlich Sonnenbrille. Lange Haare, die mal grau waren und davor schwarz und die jetzt eben weiß sind. Mittlerweile 72-jährig ist dieser japanische Zenmeister des Lärms, und so schleuderte er wenigstens am Anfang seine zuckenden Explosionen auf dem Stuhl sitzend aus seiner Gitarre heraus. Rupfte Klangfetzen aus den Saiten, klimperte, krachte über verstümmelte Melodien und freute sich am Ungestalten. Wie eine musikalische Übersetzung eines Bildes von Jean Dubuffet. Gekrakel, formlose Schlieren. Art brut.

Er rupfte Klangfetzen aus den Saiten, klimperte, krachte über verstümmelte Melodien

Manchmal lief das, vorangetrieben von den wuchtigen Schlägen von Paal Nilssen-Love und dem röhrenden Geschnatter der Saxofonistin Sofia Salvo als Keiji Hainos Begleitung, zum brachialen Free Jazz auf, in dem man sich immer neu anrennend gegen die Wand krachen ließ. Tief drinnen auch in dieser Musik steckt aber der Blues, den Keiji Haino als einen wesentlichen Einfluss zitiert, so wie den Jazzer Charlie Parker, den Avantgardekomponisten Iannis Xenakis und Pink Floyds einstigen Mastermind Syd Barrett. Und, für den Glamour: Marlene Dietrich.

Schwere Klangschlacken wur­den auf der Bühne des Radialsystems herumgewuchtet. Manchmal dröhnte und vibrierte die Musik wie ein startender Düsenjet.

wochentaz

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Abheben. Wegfliegen.

Die schiere Gegenwärtigkeit in diesem Moment. Aufgehoben im Lärm. Glück.

Tatsächlich ist das Laute ja auch eine Form der Meditation, und dazu und zum Geschehen auf der „A l’Arme!“-Bühne hätte gut das Tröten und Trommeln der Mönche aus dem besagten Film gepasst, das in „Was will der Lama mit dem Gewehr?“ zu hören ist. Es gefällt nicht allen. Diejenige, die die Moderne ins stille Hinterland bringen möchte, seufzt da und fragt, warum die immer so einen Lärm machen müssen.

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Thomas Mauch
Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1960, seit 2001 im Berlinressort der taz.
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