Lesbischer Dyke* March in Berlin: Aufruf zur Einigkeit

Der Nahost-Konflikt schwebte über dem diesjährigen Dyke* March am Vorabend des CSD. Doch die Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen wollten Spaltungsversuche nicht hinnehmen.

Frauen auf einer Demonstration, eine trägt ein Schild mit der Aufschrift "Kompromisslos lesbisch"

Kompromisslos lesbisch, aber beim Nahost-Konflikt muss ein Kompromiss her in der Queer Community Foto: Joerg Carstensen/dpa

BERLIN taz | In schwarzen Lederhosen und schweren Stiefeln saßen die „Dykes on Bykes“ kurz vor Beginn der Demonstration abfahrbereit auf ihren Motorrädern. An den Lenkrädern wehten Regenbogenfahnen. Traditionell führten sie den Dyke* March, eine Demonstration für lesbische Sichtbarkeit am Vorabend des Christopher Street Day (CSD), an. Bereits zum 11. Mal zogen am Freitagabend rund 10.000 Lesben und Un­ter­stüt­ze­r*in­nen durch Neukölln und Kreuzberg. Organisiert wurde der Dyke* March von sechs Ehrenamtlichen. Manuela Kay, Mitorganisatorin der Demonstration, betonte die Wichtigkeit des Dyke* March als Ergänzung zum CSD und als „Ausrufezeichen für lesbische Sichtbarkeit“. „Die kommt bei den großen CSDs oft zu kurz“, so Kay.

Doch das eigentliche Ziel der Demonstration wurde dieses Jahr von Konflikten innerhalb der queeren Community und Festnahmen überschattet. Denn ohne Zwischenfälle verlief der diesjährige Dyke* March nicht. Laut Pressestelle der Polizei wurden insgesamt 28 Personen festgenommen, gegen die unter anderem wegen Beleidigung Anzeige erstattet wurde.

Ungefähr auf der Hälfte der Route, an der Kreuzung der Donaustraße zur Fuldastraße im Berliner Bezirk Neukölln kam die Demo zum Stoppen. Propalästinensiche Demonstrierende stimmten Sprechchöre wie zum Beispiel „Stop the genocide“ an. Po­li­zis­t*in­nen drangen in die Demo ein und nahmen wiederholt Menschen fest.

Auch im weiteren Verlauf der Demo wurden immer wieder Menschen in Gewahrsam genommen. Schlagstöcke oder Pfefferspray setzte die Polizei laut Au­gen­zeu­g*­in­nen­be­rich­ten nicht ein. Die Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen können momentan noch nicht sagen, ob Demonstrierende verletzt wurden. Laut Angaben der Polizei waren ungefähr 300 Po­li­zis­t*in­nen im Einsatz, von denen vier verletzt wurden.

Zu Beginn der Demo war von den späteren Auseinandersetzungen noch wenig zu spüren. „Ich war letztes Jahr schon dabei und habe die Community sehr genossen“ sagte Monty, eine Demonstrationsteilnehmerin. „Der Dyke March ist nicht so kommerziell wie der CSD. Das ist mir wichtig“ fügte sie hinzu.

Später reihte sich im hinteren Teil des Demozugs eine Gruppe transfeindlicher Personen ein. Die ungefähr 15 Menschen mit transfeindlichen Schildern versuchten zeitweise den hinteren Teil der Demo zu blockieren. Ord­ne­r*in­nen lotsten Menschen um die Gruppe herum und schnell bildete sich eine Gegenreaktion der Demo. „TERFs raus“ riefen sie. Die Abkürzung TERF steht für transfeindliche exklusionäre radikale Feministinnen.

Andere Demonstrierende bildeten mit großen trans* Flaggen einen Kreis um die Gruppe, die schließlich von der Demo ausgeschlossen wurde. Atti Thießen, ein*e Demoteilnehmer*in, der*­die keine Pronomen verwendet, erklärte: „Für mich ist der Dyke* March ein explizit transfreundlicher Raum. Die Solidarität der anderen Menschen hier ist schön zu sehen, aber trotzdem hat mich die Situation komplett überwältigt.“

Auch zwischen proisraelischen und propalästinensischen Teil­neh­me­r*in­nen der Demo kam es zu verbalen Auseinandersetzungen. Bereits im Vorfeld hatte es Antisemitismusvorwürfe gegenüber den Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen des Dyke* Marches gegeben. Grund dafür ist ein Soli-Abend in der Bar Möbel Olfe am 7.Juli, bei dem eine Regenbogenflagge mit Davidstern für Auseinandersetzungen zwischen Gästen gesorgt hatte. Als Reaktion rief die East Pride, eine proisraelische queere Gruppe dazu auf, sich am Abend des Dyke* Marches am Startpunkt der Demo unter einer Regenbogenflagge mit Davidstern zu treffen. Annette Detering, Initiatorin der East Pride, schloss sich den Antisemitismusvorwürfen an: „Mein Gedanke war, dass man diese Kritik, auch auf dem Dyke* March selber ausdrücken sollte.“

Am Oranienplatz, dem Zielpunkt der Demo, standen sich proisraelische und propalästinensische Gruppen gegenüber. Gegenseitig versuchten sie sich mit Sprechchören zu übertönen. Zwischen ihnen stand die Polizei. Über das Mikrofon war die Stimme von Manuela Kay zu hören: „Wir lassen uns nicht spalten“ rief sie. Der taz gegenüber sagte sie im Vorfeld des Dyke* March: „Wir müssen Einigkeit und Stärke nach Außen zeigen. Je mehr wir uns spalten, desto mehr spielen wir den Rechten in die Hände. Wir müssen dagegenhalten.“

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