Eröffnung der Olympischen Sommerspiele: Merci für die tolle Party

Die Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele in Paris zeigt, warum es ein Glück für Frankreich ist, dass der identitäre Nationalismus die Wahl verloren hat.

Frauen mit Kostümen auf einer Treppe

Sängerin Lady Gaga trat vor der Eröffnungsfeier auf Foto: Sina Schuldt/dpa

Die 33. Olympischen Sommerspiele sind in Paris am Freitagabend offiziell eröffnet worden. Es war ein tolles, grandioses und sogar mitreißendes Fest. Trotz Regens, trotz aller schier unüberwindbar scheinenden Schwierigkeit bei der Vorbereitung eines solchen Events mitten im Hauptstadtzentrum und dann auch noch auf der Seine, trotz zum Teil hämischer Einwände. Denn ehrlich gesagt: Die meisten hier waren bis zum Schluss skeptisch und zweifelten daran, dass diese außergewöhnliche Zeremonie gelingen würde, die den historischen Kern der Hauptstadt in die Bühne eines völlig verrückt anmutenden Spektakels verwandeln sollte.

Die Party auf und entlang der Seine begann zunächst mit Lady Gaga in einer Retro-Kabarettnummer im Stil des Moulin Rouge oder der Folies Bergère und „French Cancan“-Tänzerinnen. Doch die Klischees und die Nostalgie wurden danach rasch von einem phantastischen Wirbel von Bildern zu den Themen wie Liberté, Egalité, Fraternité, Sororité (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit) abgelöst. Damit feiert Frankreich nicht nur die eigenen Grundwerte seiner Republik, sondern auch seinen Anspruch einer universellen Ausstrahlung. Dazu gehörte nicht zuletzt die Toleranz – manche Szene dürfte provoziert oder gar schockiert haben.

Die Zeitzeugen der Geschichte wie Notre-Dame, die Conciergerie, der Louvre oder der Grand Palais dienten dabei als Bühne einer waghalsigen und ständig den Ort und die Epochen wechselnden Inszenierung, die der Seine entlang auf Großbildschirmen und für mehr als eine Milliarde Zuschauer in der Welt am Fernsehen übertragen wurde. John Lennons Lied „Imagine“ erklang, von den Fassaden an den Ufern widerhallend, wie eine olympische Hymne des Friedens und der Verständigung.

Die Delegationen aus mehr als 200 Ländern mit den Fahnen schwenkenden und tanzenden Sport­le­r*in­nen paradierten in einer Reihe wie vorgesehen auf den Flusskähnen und Booten. Unter ihnen die Teams aus Israel und aus Palästina, aus der Ukraine, aus dem Iran, beiden Koreas, aber auch kleinen Inselstaaten, die man auf der Weltkarte suchen muss. Besonders zahlreich waren die „Passagiere“ auf den Schiffen der USA und des Gastgeberlandes Frankreich.

„Unheimlich modern und kreativ“ oder „völlig verrückt“, so lauteten die meisten Kommentare im Publikum. Manche unter den etwa 300.000 Menschen, die während Stunden dem Regen trotzten, waren sogar zu Tränen gerührt, als Céline Dion vom Eiffelturm aus zum Abschluss Édith Piafs „L'hymne à l’Amour“ sang, und als das Duo der mehrfachen Olympia-Medaillensieger Marie-José Pérec und Teddy Riner nach anderen prominenten Fackelträgern wie Zinédine Zidane oder Rafael Nadal die Olympische Flamme entfachten, die dann von der Concorde in einem Ballon in den Himmel aufstieg.

Es war ein gelungenes Fest der Liebe, mit dem sich Frankreich wieder einmal von seiner besten, universell kreativsten und revolutionären Seite gezeigt hat. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass noch vor ein paar Wochen zu befürchten war, dass im selben Land eine rückwärtsgewandte, nationalistische und auf identitärem Egoismus gegründete Ideologie kurz vor einem Wahlsieg stehen würde. Merci!

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Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.

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