piwik no script img

Bilanz von Joe Biden als US-PräsidentAußenpolitik eher so lala

Industrie stärken gegen den Klimawandel, Waffen gegen Russland: Wie fällt Joe Bidens bisherige Bilanz als US-Präsident aus? Ein Überblick.

„Wenn ich an den Klimawandel denke, denke ich an Arbeitsplätze“: Biden hinterlässt vor allem in der Wirtschaftspolitik Spuren Foto: Manuel Balce Ceneta/ap

Berlin taz | Einer der wichtigsten Präsidenten in der US-Geschichte – so lobte der frühere Präsident Barack Obama seinen Nachfolger Joe Biden nach dessen Verzicht auf eine erneute Kandidatur. Aber was hinterlässt Biden, wenn er im Januar 2025 das Weiße Haus verlassen wird?

Gesellschaftlich sind wichtige Entwicklungen eher an Biden vorbeigelaufen. Er ernannte mit Kentanji Brown Jackson zwar die erste schwarze Frau zur Richterin des Supreme Court. Aber als das höchste US-Gericht 2022 das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche kippte, konnte Biden nur zuschauen; die Mehrheitsverhältnisse im Kongress verunmöglichten jede Gesetzesänderung. Gleiches gilt für das Waffenrecht.

Einen großen Abdruck hat der 46. Präsident dagegen in der Wirtschaftspolitik hinterlassen. Im Gedächtnis bleiben werden vor allem drei Buchstaben: IRA. Sie stehen für „Inflation Reduction Act“ und bezeichnen das vor knapp zwei Jahren verabschiedete Gesetzespaket, mit dem Biden die Konjunktur ankurbeln, neue Jobs schaffen und die Energiewende vorantreiben will. Mehr als zwei Billionen US-Dollar will er dafür mobilisieren.

Eine neue Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung lobt die Initiative. „Der IRA ist ein sehr ausgeklügeltes Programm zur Förderung CO2-neutraler Energieerzeugungs- und Klimaschutztechnologie“, heißt es dort. Der IRA habe für eine Aufbruchstimmung in der US-Wirtschaft gesorgt – während in Europa weiter Sorge herrscht.

Insbesondere die deutsche Automobilindustrie sieht den IRA kritisch. Denn er verspricht milliardenschwere Prämien für E-Autos – die aber nur fließen, wenn die Fahrzeuge zu einem großen Teil in den USA gebaut werden. Die europäische Branche sieht sich deshalb benachteiligt. Letztlich macht Biden aber genau das, was sich Öko­no­m:in­nen auch für die Transformation Deutschland und Europa wünschen: aktiv und ambitioniert Industriepolitik betreiben und die dafür notwendigen Finanzmittel mobilisieren.

„Wenn ich an den Klimawandel denke, denke ich an Arbeitsplätze“, sagte Biden von Beginn an. Über 300.000 neue „grüne Jobs“ haben seine Investitionen laut der Klimaschutzorganisation Climate Power bereits geschaffen. Auch ein Projekt seiner Finanzministerin Janet Yellen war von Erfolg gekrönt: Auf ihre Initiative hin einigten sich die OECD-Staaten 2021 auf eine 15-Prozent-Mindeststeuer für Unternehmen.

Afghanistan, Ukraine, Israel

Außenpolitisch wird Bidens bisherige Amtszeit von drei Krisen bestimmt: Afghanistan, Ukraine, Israel – mit durchwachsener Bilanz. In Afghanistan erbte Biden einen Deal Trumps mit den Taliban, die nach 20 Jahren Truppenpräsenz einen Rückzug aus dem Land vorsah. Biden wollte diesen „forever war“ rasch abwickeln – um jeden Preis: Als die Taliban im August 2021 Kabul einnahmen, versuchten afghanische Zivilisten auf der Flucht vor den Islamisten verzweifelt in den Flughafen zu gelangen, klammerten sich an ausfliegende amerikanische Transportflugzeuge und fielen in den Tod. In Ländern wie Somalia oder Jemen reduzierte Biden die amerikanischen Drohnenschläge im Vergleich zu Trump drastisch.

Resolut dagegen war die amerikanische Antwort auf den russischen Angriff auf die Ukrai­ne im Februar 2022. Seitdem haben die USA der Ukraine 175 Milliarden US-Dollar an Hilfen bereitgestellt. Biden zeigte sich unverbrüchlich an der Seite seines Amtskollegen Selenskyj und lieferte schweres Geschütz, damit die Ukraine dem russischen Angriffskrieg trotzen kann. Die Regierung in Kyjiw sorgt sich deshalb um einen möglichen Sieg des Isolationisten Trump.

Zum Ende seiner Amtszeit setzt der Gaza-Krieg Biden unter Druck. Unmittelbar nach dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 sicherte der Präsident dem jüdischen Staat seine bedingungslose Solidarität zu. Doch dann trug Israel den Krieg mit voller Wucht nach Gaza und attackierte nicht nur die Hamas, sondern auch die Lebensgrundlagen der Zivilbevölkerung, während Regierungspolitiker wie Premier Netanjahu genozidale Sprache bemühen.

Trotzdem rückte Biden nur langsam von Netanjahu ab – was ihn bei studentischen und arabischstämmigen Wäh­le­r:in­nen politisches Kapital kostete. Beharrte Biden in der Ukraine noch auf dem Völkerrecht, blieb er hier stumm. „Internationales Recht für dich, aber nicht für mich“, ist ein lang bekanntes Motiv der US-Außenpolitik. Und es scheint auch in der Präsidentschaft Joe Bidens durch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Biden trägt ein hohes Maß an Verantwortung dafür, was Israel seit letzem Jahr in Gaza und in der Westbank macht.

    Seine Politik auf der Welt hat diesen Makel, weil es schon lange nicht mehr um Verteidigung und Rettung dort geht, sondern um eine militärische Machtpolitik, die kaum Gnade kennt. Biden war an der Spitze der Kräfte, die für Bewaffnung und Munition gesorgt haben. Das häufig übersehene Vorgehen von Siedlern und Sicherheitskräften in den Autonomigebieten der Westbank hat er auch hingenommen. Aber und an gab es mal ein schales Statement.



    Und Biden hat auch den katastrophalen Sturz von Kabul zu verantworten. Auch das hat er entschieden und durchgezogen. Viele Flüchtinge aus Afghanistan mit amerikanischen und englischen Abschlusszeugnissen hat er dann auch nicht aufgenommen, sondern die sind in EU-Staaten aufgetaucht und schlagen sich mit den entsprechenden Landessprachen rum. Für mich ist die Bilanz nicht so la la, sondern sehr negativ und vor allem unnötig negativ und einfach nicht human genug.



    Ja, er unterstützt die Ukraine, das stimmt, aber sonst?

  • Ich muss der Überschrift wiedersprechen. Bidens Außenpolitik war aus US-Sicht sehr gut (Ukraine sei hier als positives Beispiel genannt: Russland wird langsam aber nachhaltig geschwächt und Europa in eine größere Abhängigkeit gebracht).



    Positiv zu erwähnen ist auf jeden Fall, dass Biden völkerrechtswidrige Drohnenkriege stark reduzierte und sie "nur" noch in etwa 20 Ländern stattfinden.



    Für die Welt mag Biden vielleicht keine gute Außenpolitik betrieben haben für die USA jedoch sicherlich.

  • USA first, gilt/galt nicht nur bei Trump, sondern auch bei Biden. Und das wird mit Harris und/oder Trump nicht anders werden. Es ist die Chance für Europa ohne die USA eine eigene, selbständige Politik und vor allem Außenpolitik zu betreiben.

    • @Ernie:

      Das wird nicht passieren. Biden hat es sogar geschafft, dass viele europäische Staaten freiwillig gegen ihre eigenen Interessen verstoßen und sich in eine noch größere US-Abhängigkeit begaben. Aus europäischer Sicht sehe ich diese Leistung natürlich kritisch, aber objektiv betrachtet habe ich großen Respekt vor seinen Leistungen

  • Bevor jemand auf die Idee kommt, Biden als Klimaschützer zu sehen. Hier mal die Ölförderung der USA:

    de.statista.com/st...nd-barrel-pro-tag/

    Sie steigt seit Obama kontinuierlich. Es spielte keine Rolle ob Obama, Trump oder Biden im Weißen Haus saßen.

    Wie sieht es mit erneuerbaren Energien aus? Bremst Trump?

    de.statista.com/ou...gie/usa#produktion

    Sieht nicht so aus.

    Scheinbar schert sich die amerikanische Wirtschaft wenig um die Reden der Präsidenten...