Ein fiktives Pro und Kontra: Ferienwohnung putzen: ja oder nein?

Ein Urlaub ist zum Entspannen da, und Putzen ist streng verboten. Aber es ist auch sehr befriedigend, den Sand einfach wegzusaugen. Was also tun?

Ein Staubsauger mit weissem Gehäuse steht in einem hellen Flur

Saugen oder saugen lassen? Foto: Kirchner-Media/picture alliance

Als meine Frau vom Sport im Urlaubsinselfitnesscenter zurückkommt, ertappt sie mich mit dem Staubsauger in der Wohnküche unserer Ferienwohnung.

„Eigentlich haben wir für die Endreinigung bezahlt“, lässt sie so lässig fallen wie ihr stylishes Top und macht sich auf den Weg unter eine lange, heiße Dusche.

„Immerhin wäschst du dich noch, obwohl du im Urlaub bist“, maule ich ihr hinterher, doch die crunchigen Geräusche des Saugers schlucken das einfach weg. Und das ist auch gut so: Denn unangreifbar ist dieser argumentative Gegenschlag ja nun keineswegs, eher schon ziemlich unter der Gürtellinie.

Die Frage aber steht nun in den zur Erholung angemieteten Räumen: Soll maus die Ferienwohnung putzen ja oder nein? Hier ein durch und durch fiktives Pro & Contra:

JA

selbstverständlich gehört auch eine nur vorübergehend bewohnte Wohnung regelmäßig gereinigt! Wen das in seiner Erholung stört, der wird vielleicht auch darauf verzichten, am Urlaubsort regional und saisonal einzukaufen und zu kochen, also wenigstens minimal einen sinnlichen Erfahrungsansatz in den Ferien zu verfolgen, anstatt am All-you-can-eat-Büffet geistig zu verfetten. Auf Tiktok gibt es dazu das sehr schöne Video „Der erste Tag nach dem Urlaub in der Türkei“, in dem ein Mann mit einem leeren Tablett durch seine leere Küche fresswandelt.

Wie schön ist es dagegen, den Sand vom Strand, der seinen Weg auf die Dielen, Teppiche und Bettlaken gefunden hat, ganz entspannt wegzusaugen; wie große Verbundenheit mit dem Gastort drückt es aus, sich mit den lokalen Gepflogenheiten der Mülltrennung bekannt zu machen; wie selbstverständlich und normal ist es, ein Klo zu putzen, das 14 Tage lang täglich von vier Personen bestückt wird? Urlaub ist die Absage an entfremdete Arbeit und Selbstoptimierung, aber gerade nicht an solche zur Selbsterhaltung und Regeneration. Und am Ende steht auch noch ein solidarisches Argument: Denn natürlich ist die Endreinigung einer 14 Tage lang ungepflegten Wohnung anstrengender als die einer grundgereinigten!

NEIN

Gerade mit diesem letzten „Argument“ offenbart sich die Kleingeistigkeit der ganzen Herangehensweise. Niemand verlässt heute noch eine Ferienwohnung oder ein Hotelzimmer, ohne ein angemessenes Trinkgeld für die Reinigungskräfte zu hinterlegen. Wir alle wissen schließlich um die prekären Arbeitsbedingungen in dieser Branche. Konsequent wäre da nur, auf Urlaub überhaupt zu verzichten, weil Reisen nun mal niemals klimaneutral möglich ist und fair sowieso nicht – wäre es das, dürften schließlich alle Menschen überall hinreisen.

Innerhalb dieser Logik ist es vertretbar, sich zwei Wochen im Jahr vom Zwang des Dauerkampfs gegen die Materie („Schmutz ist Materie am falschen Ort“, Mary Douglas) zu befreien. Es zeugt eher von Unfähigkeit, sich tatsächlich einmal auf einen Bruch mit den Gewohnheiten einzulassen, wenn dumpf und stumpf weiter gerackert wird, wie es einst die deutsche Hausfrau tat, deren durch und durch neurotisches Ziel es war, die Ferienunterkunft sauberer zu hinterlassen als sie vorgefunden wurde. Wer im Urlaub staubsaugt, sollte sich also Gedanken um toxische Abhängigkeiten machen, um Fremdbestimmung und um Sexyness – denn ignoriert ist der Sand im Bett nicht nur halb so wild, sondern vielleicht sogar ganz aufregend.

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Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.

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