Attentate auf Hamas-Führer: Eine Demonstration der Präzision

Immer wieder tötet Israel hochrangige Offizielle seiner Gegner. Wie sinnvoll sind solche Operationen?

Ein Plakat mit dem verstorbenen Hisbollah-Militärkommandeur Imad Mughnijeh (l-r), Hisbollah-Führer Sajjid Hassan Nasrallah und dem verstorbenen General der Revolutionsgarden Kassem Soleimani ist in der Nähe eines beschädigten Gebäudes zu sehen, das bei einem israelischen Luftangriff in Beirut getroffen wurde.

Plakate wie dieses in Beirut erinnern an den durch Israel getöteten General der Revolutionsgarden Kassem Soleimani Foto: Hussein Malla/ap/dpa

Nicht ein Luftschlag soll Ismael Haniyeh, Chef des Politbüros der Hamas, getötet haben – sondern eine Bombe, platziert in dem Gästehaus in Teheran, in dem sich Haniyeh zur Amtseinführung des neuen Präsidenten Irans aufhielt.

So berichtet es die New York Times mit Bezug auf Insiderangaben: Bereits vor zwei Monaten soll die Bombe in das für Haniyeh vorgesehene Zimmer in dem vom Staat Iran selbst betriebenen Anwesen geschmuggelt worden sein. Das Gelände soll nicht nur genutzt worden sein, um prominente Gäste zu beherbergen, sondern auch für geheime Treffen der Revolutionsgarden.

Wer auch immer den Anschlag ausgeführt hat – denn auch wenn Israel naheliegt, hat Jerusalem bisher nichts bestätigt –, hatte intime Kenntnisse des Geländes und Kontakte, die vielleicht sogar bis in die Revolutionsgarden selbst reichen könnten.

Haniyeh ist der jüngste Fall einer langen Reihe von gezielten Tötungen, zu denen sich Israel entweder bekannt hat, oder als Ausführer naheliegt. Gerade in den vergangenen Wochen häuften sie sich: Haniyeh in Teheran. Fuad Shukr, wichtiger Kommandant der Hisbollah und wohl verantwortlich für den Raketenangriff auf das auf den Golanhöhen gelegene Dorf Majdal Shams, in einem südlichen Vorort von Beirut. Und letzten Monat Muhammad Deif, oberster Befehlshaber des militärischen Flügels der Hamas, in Gaza.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Allen ist gemein: Um die Angriffe auszuführen, waren präzise Insiderinformationen notwendig. Sie führen die Sicherheitsmaßnahmen Irans und seiner Milizen Hisbollah und Hamas regelrecht vor. Die Botschaft Israels ist deutlich: Greift uns an, und wir finden euch, egal wo.

Allein im vergangenen Jahr hat Israel 13 Offizielle seiner Gegner in hohen Positionen getötet – und dabei sind nur die Vorfälle außerhalb seiner eigenen Staatsgrenze, sowie außerhalb des besetzten Westjordanlands und Gaza mitgezählt.

Die Antwort Irans und seiner verbündeten Milizen wird sicherlich mit einer gewissen Härte ausfallen. Alles andere wäre für die Islamische Republik ein weiterer Gesichtsverlust. Doch nicht nur für Hamas und Iran, sondern auch für die noch immer über 120 im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln bedeutet der Tod von Haniyeh nichts Gutes.

Auch wenn Haniyeh entgegen vielen Medienangaben die Geiselverhandlungen wohl nicht selbst führte, ist es unrealistisch, dass die Hamas nach seinem Tod alsbald mit williger Mine an den Verhandlungstisch zurückkehren wird.

Manche Tötungen verlangsamen den Gegner

In Anbetracht dieses wohl hohen Preises stellt sich die Frage: Bringen diese gezielten Tötungen Israel überhaupt etwas?

Die so Getöteten befinden sich in Entscheidungspositionen, die Fäden essenzieller Informationen laufen oft bei ihnen zusammen. Ein gutes Beispiel ist Qassem Soleimani, Kommandeur der Eliteeinheit Quds der iranischen Revolutionsgarden und 2020 in der irakischen Hauptstadt Bagdad von den USA mit einem gezielten Luftschlag getötet.

Soleimani stand Ali Chamenei, dem obersten Führer Irans nahe, und galt als Hüter von Informationen, der Entscheidungen gerne selbst traf. Ihn auszuschalten, so Analysten, setzte die Operationsfähigkeit der Quds-Einheit zeitweise deutlich zurück. Ein weiteres Beispiel ist Mohsen Fakhrizadeh, der als Architekt des iranischen Atomprogramms galt, und 2020 von einer wohl aus der Ferne von Israel kontrollierten Schusswaffe getötet wurde. Auch sein Wissen galt als spezialisiert.

Anders ist es wohl bei Haniyeh. Er ist einfacher ersetzbar, seine Fähigkeiten und sein Wissen weniger einzigartig. Im Gegensatz zu Shukr in der Hisbollah im Libanon hatte er außerdem keine tragende Rolle in der Kommandostruktur des militärischen Flügels der Hamas.

Sein Tod erinnert an Sheikh Yassin Ahmad, Mitbegründer der Muslimbruderschaft und damit schließlich der Hamas in Gaza. Im Jahr 2004 tötete Israel ihn mit einem Luftschlag in Gaza. Die Proteste in den palästinensischen Gebieten waren damals immens. Rückblickend scheint seine Tötung keinen großen Unterschied für die Fähigkeiten der Hamas und damit für Israel gemacht zu haben.

Eher im Gegenteil: Nach Yassins Tod rückte die Hamas näher an Iran heran. Wer Haniyeh nachfolgen wird – und in welche Richtung der Nachfolger die Hamas lenken wird – ist noch unklar.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben