piwik no script img

Neue Arte TV-Serie über die MafiaLeben unter „Omertà“

Die Serie „Die Mafia mordet nur im Sommer“ erklärt aus der Sicht eines 10-Jährigen das Palermo der 1970er Jahre – mit ein bisschen Witz

Salvatore Giammarresi (Edoardo Buscetta) beobachtet in seinem Heimatort so einiges

Als Lorenzo Giammarresi (Claudio Gioe) fast mit einem Auto zusammenstößt, sieht er für einen kurzen Moment einen Mafioso, der gerade einen Polizisten ermordet hat. „Mein Vater hatte etwas gesehen. Er war ein Zeuge. Das war nach dem Tod das Schlimmste, was einem guten ­Christen in Palermo passieren konnte“, fasst der Erzähler diese für den Vater erschütternde Begegnung zusammen. Was soll er jetzt als guter Bürger tun? Zur Polizei gehen? Fortan plagt ihn sein Gewissen.

Die Serie „Die Mafia mordet nur im Sommer“, eine Fortsetzung des Kinofilms (2016) gleichen Titels, erzählt aus der Sicht eines 10-jährigen Jungen von den Ereignissen in Palermo Ende der 70er Jahre, als die Gewalt der Mafia eskaliert. Die Familie von Salvatore Giammarresi (Edoardo Buscetta) kommt mehr schlecht als recht über die Runden. Der Vater arbeitet als kleiner Angestellter im Büro, Mutter Pia (Anna Foglietta) ist Aushilfslehrerin oder arbeitslos. Salvatores Schwester Angela (Angela Curri) ist mit dem Motorrad fahrenden Berufsrevolutionär Rosario (Dario Aita) zusammen und von der Familie genervt, während ­Salvatore unglücklich in Mitschülerin Alice (Andrea Castellana) verliebt ist.

Eher zufällig lernt Salvatore Kommissar Boris Giuliano (Nicola Rignanese) kennen, den Polizeichef von Palermo, der kurze Zeit später von der Mafia hingerichtet wird. Nicht anders ergeht es dem bekannten Journalisten Mario Francese (Roberto Burgio), der als Kriminalreporter in Palermo über die Mafia schreibt und zu Salvatore in die Schule kommt, um dort etwas über Journalismus zu erzählen.

Die juristische Aufarbeitung seiner Ermordung fand erst 2003 statt. „Die Mafia mordet nur im Sommer“ des sizilianischen Fernsehmoderators, Drehbuchschreibers, Regisseurs und Schauspielers Pierfrancesco Diliberto, der auch für den Kinofilm verantwortlich ist, mischt reale Geschichte mit der fiktiven Erzählung über die streitbare, aber stets loyal zueinander stehende Familie Giammarresi.

Menschen, die gegen die Mafia kämpfen

Die bekommt im Lauf der Zeit immer mehr mit der Mafia zu tun, ohne das zu wollen: egal ob es um die Freundschaft des kleinen Salvatore mit seinem Vorbild Mario Francese geht oder um den Kredit für eine neue Wohnung, die dem kleinen Angestellten in der Bank verwehrt wird.

Im Schatten der Mafia

12 Folgen ab 2. August auf Arte.tv

Die Serie ist all den Menschen gewidmet, die gegen die Mafia kämpfen, heißt es im Abspann. Dabei macht Pierfrancesco Diliberto, der gemeinhin „Pif“, wie italienisch „Knall“ genannt wird, die Mafia lächerlich. Die Mafiosi sind hier keine Drogen schmuggelnden, stylischen oder coolen Männer, sondern Bauunternehmer in feinem Zwirn, christdemokratische Politiker oder brutale Schläger.

Auf die sonst in Mafiafilmen von „Der Pate“ bis zur Netflix-Serie „Narcos“ oft so unkritisch reproduzierte männliche Gewaltästhetik verzichtet „Die Mafia mordet nur im Sommer“ gänzlich. Die Serie erzählt vielmehr von den Bürgern und wie sie diese Bedrohung, die Gewalt und das verordnete Schweigen gemäß dem Code der „Omertà“ im Alltag erleben. Als die Mafia wegen fehlender Abrissgenehmigung eine historische Villa in die Luft sprengt, zeigt die Serie witzig, wie alle die nächtliche Explosion überhören. „War da etwas?“, fragen mehrere. „Nein, da war nichts!“, ist die Antwort des Ehepartners im Bett und des Streifenpolizisten zum Kollegen.

Das wird mit viel Ironie erzählt und ist trotz expliziter Kritik am sizilianischen Machismus manchmal auch etwas altbacken in Sachen Geschlechterrollen. Die Coming-of-Age-Geschichte fängt aber den sozialpolitischen Alltag im Palermo der späten 1970er lebendig ein, etwa wenn es um die schlechte Wasserversorgung oder die katastrophale Beschäftigungssituation geht.

Trotz des satirischen Charakters gelingt der Spagat, auch aufwühlende Momente von Gewalt und Tod angemessen in Szene zu setzen und ein wichtiges Stück italienischer Zeitgeschichte einzufangen. „Die Familie Giammarresi sind wir, nicht nur aus Palermo, sondern wir Italiener, mit all unseren Mängeln, Kompromissen, Ambitionen und Widersprüchen.“, so Serienmacher Pierfrancesco Diliberto gegenüber der Tageszeitung La Republica. Das Credo der Serie ist klar: Wir haben genug von der Mafia!

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Ich habe gestern angefangen, die Serie zu schauen. Sie ist wirklich apart. Ist man des Italienischen nicht mächtig, muss man mächtig auf Zack sein, die ratternden Dialoge per Untertitel zu erfassen.

    Aber das ist wirklich das einzige Manko.