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Die WahrheitSchrunz und das Staubkorn

Der Knoten in den Akten. Eine Fortsetzungsgeschichte der etwas anderen Art (Teil 1). Heute zum Start der Wahrheit-Sommerserie: Wie alles begann …

Ein schwieriger Fall wird aus Einzelteilen zusammengesetzt Foto: AP

„Wo um alles in der Welt soll ich denn um diese Stunde einen Knoten hernehmen?“ Rechtsanwalt Doktor Schrunz drehte und wendete sich vor dem großen goldumrandeten Spiegel seines mit prachtvollem Ebenholz ausgestatteten Arbeitszimmers. Die neue blauschwarzsilbern marmorisierte Brille aus echtem Einhornhorn und Bergkristall stand ihm ganz ausgezeichnet, kein billiges Modell. Zusammen mit dem Pepita-Jackett aus ausbeuterischer Angorahaltung verlieh sie seinem Äußeren entfernt eine leichte Anmutung von Cary Grant. „Und wozu um alles in der Welt braucht Röder um diese Stunde plötzlich so dringend einen Knoten?“ Draußen quakten Frösche oder Unken.

Schrunzens Blick fiel auf einen Zettel, der wie zufällig aus einem riesigen Papierstapel auf seinem Schreibtisch hervorragte. Er schenkte dem Zettel aber keine weitere Beachtung. Das Leben war zu kurz, um sich mit irgendwelchen hervorragenden Zetteln zu beschäftigen. Außerdem interessierte es Schrunz nicht die Bohne, was auf diesem langweiligen Zettel stand.

Er ließ sich in den schweren Ledersessel fallen, in dem er auch die Nacht verbracht hatte, seufzte tief und versuchte, nicht weiter an den Zettel zu denken.

Aus der dritten Schublade seines Schreibtischs zog er einen kleinen Handspiegel hervor. Interessiert betrachtete er sein Gesicht. Da hatten sich in den letzten Tagen wilde Wülste unter seinen unteren Augenlidern gebildet, die ihm gar nicht gefielen. Er blickte einmal herrisch, und die Wülste zogen sich ohne große Diskussionen zurück.

Aktenstapel auf Teppich

Röder war mal wieder in Schwierigkeiten, so viel war klar. Röder war Schrunzens einziger Mandant. Schrunzens Blick glitt über die Aktenstapel, die den kostbaren Brokatteppich bedeckten: „Bundesverteidigungsministerium./. Röder“, „Röder./. Telekom“, „Trump./. Röder“, „Röder./. Kleingärtner e. V.“ und so weiter und sofort – Schrunz hätte sich übergeben können, aber das wäre niedrig und vulgär gewesen, daher sah er davon ab.

Er nahm sich eine Zigarette der Marke Stuyvesant aus dem Delphinlederetui und versuchte Delphinlederetui rückwärts zu buchstabieren, was ihm auch gelang. Gleichzeitig schoss ihm ein alter Abzählreim aus seiner Kindheit durch den Kopf: „Siehst du die Kreuze am Meeresstrand? Das sind die Raucher von Stuyvesant.“ Dann griff er nach dem schweren Marmorfeuerzeug, um die Zigarette anzuzünden. Das Feuerzeug war grün wie das Meer und ein Geschenk von Röder, das erinnerte Schrunz wieder an den Knoten. Da klingelte auch schon das Telefon. Es war Röder: „Hören Sie? Haben Sie denn mein Fax nicht bekommen?“

Schrunz wollte gerade anfangen, irgendeine Antwort zu stammeln, da hob Röder abermals zu sprechen an: „Hören Sie, ich bezahle Sie nicht für dumme Fragen. Ich befinde mich in einer Art von Bredouille … äh, hä, nun ja, Schwierigkeiten könnte man sagen, verstehen Sie?“

Tag der Entscheidung

Irgendwann würde der Tag kommen, an dem Schrunz einfach Nein sagen würde, an dem er sagen würde: „Nein.“ Aber noch war dieser Tag nicht gekommen. Der neue Bentley war nicht billig gewesen. Schrunz hatte sich lange nicht zwischen dem Aston Martin und dem Bentley entscheiden können, und manchmal zweifelte er an seiner Wahl, aber jetzt war es zu spät. Er würde Röder diesen verflixten Knoten irgendwie besorgen müssen.

Und da tat sich auch schon das erste Problem auf: Schrunz hatte nicht die geringste Ahnung, was ein Knoten überhaupt war. Stöhnend stand er auf und begab sich federnden Schrittes zur gegenüberliegenden Wand mit dem Bücherregal. Dabei buchstabierte er nicht nur „gegenüberliegend“, sondern auch „Uhu“ rückwärts.

Am Regal angekommen, zog er zielstrebig irgendeinen Band des Brockhaus-Lexikons in zwanzig Bänden hervor, um sich über Knoten zu informieren. Was er bei dieser Recherche erfuhr, raubte ihm beinahe den Atem. Diesmal hatte Röder sich offensichtlich mit den chinesischen Triaden angelegt, die keinen Spaß verstanden, wenn es um Knoten ging.

Schrunzens Kehle fühlte sich plötzlich so trocken an, wie ein einsames Staubkorn in der Wüste Gobi im Sommer. Da wusste Schrunz, dass er handeln musste. Besser jetzt als Donnerstag. Ein Blick in den Kalender verriet ihm, dass heute bereits Mittwoch war, es wurde also allerhöchste Zeit! Da verdunkelte sich der Himmel, und Gewitterwolken zogen auf …

Fortsetzung demnächst

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4 Kommentare

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  • Das kann spannend werden. Eine Fortsetzungsgeschichte im "Anwaltsmillieu". Davon habe ich schon wieder und ein mal mehr auch keine Ahnung. Der Anwalt...mal ist der der Liebling des Publikums, mal kämpft er im us-amerikanischen Film um die Rettung des Guten im amerikanischen Traum, z.B. wenn es um die Aufdeckung von Umweltskandalen geht. Dann wieder ist er der Consigliere des Bösen und muss Angebote überbringen, die man nicht ablehnen kann.

    Auch in Schrunz scheint der - innere - Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Falsch und Richtig sich noch zu regen. Wird Schrunz "nein" sagen können? Und in welchem dramtatischen außeren Geschehen wird sich das entscheiden? Denn da ist noch "Dark Röder".

    Dieser Schrunz, wie seltsam aus der Zeit gefallen er wirkt. Man merkt es an der Antiquiertheit des Luxus, mit dem er sich umgibt.



    Und an der Technik. Festnetztelefon, vielleicht ein analoges Diktiergerät. Und, hilf Himmel, ein Faxgerät!!! Aber da muss man Schrunz lassen - er versteht sich auf die Recherche "old school", greift zum Lexikon und schlussfolgert.



    Was also wird geschehen? Fortsetzung hoffentlich bald.

    • @Moon:

      Merke - als Folie -

      Anwalt - Kaufmann in Rechtssachen -



      &



      Auch hier gilt - Volkers 👄 -



      Du kannst den Leuten nur vor den Kopp gucken •

      unterm—-



      zB “der Cary Grant aus dem Sauerland“



      Die Mutter Zahnärztin - machte die 💵!;)



      Einer hatte seine Praxis Nähe Café Tuba.



      => Vertrat kölsches Schwarzafrika!



      “Nett. Aber von nix ne Ahnung!“ ff



      Normal

      kurz - ein weites Feld - 🙀🥳🧐 -

  • Fortsetzung[en] (hoffentlich) bald...

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      Schonn - anschließe mich - But!

      Klitzekleine Frage “Cary Grant“ ?



      Es handelt sich bei RA Schrunz - vieles erkenn ich zudem wieder - doch in echt nicht um den RA “Cary Grant des Sauerlandes“? odr? Wollnich



      Gut. Austin oder Bentley irritiert!



      Dieser fuhr immer nen Micedis 560 SLC - klar Coupé - der Olle subobtimale Silberrücken. Erschien mit seiner Perle mal in der Notaufnahme Chirurgie!



      Mehrere Rippenbrüche “kleine Rangelei unter Eheleuten! Wollnich“



      Und als der Richter nem kleinen typisch sürländchen Bierverleger eröffnen mußte - daß ihn die Schlamperei seines Anwalts unrettbar mehrere tausend Ocken kosten würde!



      Wiegelte er in bekannter Manier ab:



      “Ja - wenn das Gericht auch mit der Micrometerschraube beigeht!“

      kurz - anyway - wir dürfen gespannt sein! Wollnichwoll