Angriff auf Hamas-Führer: Immerhin Netanjahu ist gut gelaunt

Für den Premierminister ist die Tötung von Ismael Hanijeh ein Erfolg. Die Angehörigen der Geiseln verlieren die Hoffnung auf eine Verhandlungslösung.

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu Foto: Ohad Zwigenberg/ap

JERUSALEM taz | Beim Treffen des nationalen Sicherheitsrates wirkte Benjamin Netanjahu aufgrund der Nachrichten aus Teheran gelöst wie selten. Israels Premierminister hatte ihn einberufen, nachdem der Tod des politischen Führers der Hamas, Ismael Hanijeh, die Region in Angst und Schrecken versetzt hatte.

Doch in Israel sieht man sich ebenso gut gerüstet wie unwissend. Weder Netanjahu noch Verteidigungsminister Joav Galant kommentierten den Vorfall – eine übliche Nichtreaktion, die Israel auch nach anderen erfolgreichen Tötungsaktionen an den Tag legte. Fast zeitgleich tagten auch Irans Machthaber, um über die Art der Antwort auf den Mord an ihrem Staatsgast zu entscheiden.

Der Schlag gegen den Hamas-Führer dämpft die Hoffnungen, dass ein regionaler Krieg noch zu verhindern sei. Vor allem den Geiselangehörigen wird klar, dass ein Abkommen zur Freilassung ihrer Geliebten in weite Ferne gerückt ist. Am vergangenen Wochenende waren in mehreren israelischen Städten wieder Tausende Menschen auf die Straße gegangen und forderten eine Abkehr von der kompromisslosen Strategie der Regierung.

Mit dem Tod von Hanijeh hat Israel auch den palästinensischen Chefunterhändler der seit Monaten laufenden Geheimgespräche über einen Waffenstillstand und der möglichen Freilassung der 115 noch in Gaza festgehaltenen israelischen Geiseln verloren. Die Radikalen der Regierungskoalition scheint das kaum zu stören. Sie verbreiten immer offener das Gerücht, dass sowieso nur noch bis zu 45 Geiseln am Leben sein.

Generalstreik im Westjordanland

„Wer von der Hamas soll denn zukünftig das Risiko eingehen, sich öffentlich zu exponieren und sich damit zum Ziel des nächsten israelischen Angriffs zu machen“, so ein palästinensischer Politiker aus Ramallah im Westjordanland, der anonym bleiben möchte. Der bewaffnete Widerstand der Hamas erscheint mittlerweile vielen erfolgversprechender als die Kooperation mit Israel, auf die Mahmoud Abbas, der Chef der Palästinensischen Autonomiebehörde, setzt.

Doch auch Abbas verurteilte am Mittwoch den Mord an seinem Kontrahenten, im Westjordanland begann am Mittwoch als Zeichen des Protests ein Generalstreik. Israelische Medien sehen die Solidarität mit Hanijeh im Westjordanland als Beweis für einen lange gehegten Verdacht: Im Fall einer Zweistaatenlösung würde Israel von zwei Seiten bedroht sein, so ein Kommentar der Times of Israel.

Irans oberster Führer Ajatollah Ali Chamenei ließ am Mittwoch keinen Zweifel daran, dass Iran den Angriff auf eigenem Hoheitsgebiet energisch beantworten würde. Israel habe den Grund für eine harte Bestrafung selbst geliefert, so der als enger Freund von Hanijeh geltende Chamenei. Ein iranischer Gegenschlag würde in der Region nur wenig Kritik auslösen.

Der türkische Staatspräsident Tayyip Erdoğan bezeichnete den Tod Hanijehs als „zionistisches Barbarentum“. Auch Erdoğan hatte immer wieder Hamas-Anführer empfangen und vor wenigen Tagen viel Beifall für seine Drohung erhalten, militärischen gegen Israel aktiv zu werden, sollte die Regierung von Benjamin Netanjahu die Angriffe gegen Zivilisten in Gaza nicht einstellen.

In Israel bereitet man sich nun insgeheim auf einen koordinierten Raketenangriff aus dem Libanon, Iran und dem Jemen vor. Hunderte zeitgleich anfliegende Raketen könnten das israelische Raketenabwehrsystem überlasten. Doch Armeechef Galant hofft auf die abschreckende Wirkung seiner Luftwaffe, die wie am Mittwoch offenbar auch in Iran ungestört Ziele treffen kann. Am Freitag wird Hanijeh in Doha beerdigt. Viele Vertreter der sogenannten Achse des Widerstands gegen Israel wollen nach Katar reisen und über eine gemeinsame Strategie entscheiden.

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