Inhaftierte als Druckmittel in Belarus: Vom Besuch ist abzuraten

Vorsicht ist geboten für den, der nach Minsk reisen will. Zu leicht kann man in die Fänge des gnadenlosen Alexander Lukaschenko geraten.

Rico Krieger im belarussischen Fernsehen

Rico Krieger im belarussischen TV Foto: Beltelerradio via reuters

Eine Reise nach Belarus, um dort ein Musikfestival zu besuchen, birgt das Risiko, im Knast zu landen. Dieser Tage so geschehen im Fall von vier jungen Leuten aus Lettland. Angeblich, so heißt es, habe eine Durchsuchung ihres Wagens Marihuana zutage gefördert. Dubiose Drogenfunde, nicht selten im eigenen Auto, das ist mittlerweile ein Klassiker – vor allem auch in Russland.

Erinnert sei an den tschetschenischen Menschenrechtsaktivisten Ojub Titijew, in dessen Privatfahrzeug Beamte einer Spezialeinheit 2018 ebenfalls Gras aufgespürt haben wollten. Das Urteil lautete auf vier Jahre Straflager, die Titijew glücklicherweise nicht absitzen musste. So weit muss es bei den Letten nicht kommen, doch es geht auch noch viel schlimmer. Das zeigt das Schicksal des Deutschen Rico Krieger, der, unter anderem wegen Terrorismus, im Juni in Minsk zum Tode verurteilt wurde.

Vorläufig letzter Akt in diesem Fall, der nach wie vor viele Fragen aufwirft, ist ein Video im belarussischen staatlichen Fernsehen. Darin bettelt Krieger um Gnade. Über die Motive von Präsident Alexander Lukaschenko, sich immer öfter auch an ausländischen Staats­bür­ge­r*in­nen zu vergreifen, lässt sich nur mutmaßen. Adres­sa­t*in­nen des autokratischen Dauerherrschers, der nicht nur gesundheitlich angeschlagen wirkt, ist zweifellos das heimische Publikum.

Dieses gilt es, im Sinne der Domestizierung, auch weiter in Angst und Schrecken zu versetzen. Die Botschaft richtet sich auch an das westliche Ausland. Dort ist Lukaschenko ein Nobody und ergo von Rachegelüsten getrieben. Menschen in Geiselhaft zu nehmen und die Gegenseite erpressen zu können, scheint da ein probates Mittel, um wahrgenommen zu werden und vielleicht kurzzeitig im Kreis der „Großen“ mitzureden.

A propos Belarus: Reiselustige sollten von Exkursionen Abstand nehmen. Etwas erleben lässt sich auch woanders. Zudem ist die Chance ungleich höher, unbeschadet nach Hause zurückzukehren.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

Mehr Geschichten über das Leben in Belarus: In der Kolumne „Notizen aus Belarus“ berichten Janka Belarus und Olga Deksnis über stürmische Zeiten – auf Deutsch und auf Russisch.

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