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Präsidentschaftswahl VenezuelaHauptsache Machterhalt

Die Maduro-Regierung wollte sich endlich international legitimieren – das hat nicht geklappt. Welche geopolitischen Folgen hat die Wahl?

Keine Werbung für eine demokratische Wahl: Amtsinhaber Nicolás Maduro reklamiert den Wahlsieg kurzerhand für sich Foto: Maxwell Briceno/reuters

Der Chavismus erklärt sich zum Wahlsieger, die Opposition spricht von Wahlbetrug, seriöse ausländische Wahlbeobachtungsmissionen waren gar nicht erst zugelassen, und mit Ausnahme enger Maduro-Verbündeter wie Kuba und Russland erklären internationale Regierungen mindestens große Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ergebnisse – alles an dieser Wahl in Venezuela hört sich nach einem Déjà-vu an. Genau die gleiche Situation war nach fast allen Wahlen in den letzten Jahren entstanden und hatte die politische und ökonomische Krise Venezuelas rasant verschärft.

Im Ergebnis erkannten im März 2019 zeitweise 54 Staaten, darunter auch die Bundesrepublik, nicht Nicolás Maduro, sondern Juan Guaidó als legitimen Staatschef an. Der oppositionelle Parlamentspräsident hatte sich 2019 kurzerhand selbst zum Regierungschef erklärt. Anschließend versuchte er erfolglos, die Armee hinter sich zu bringen, inszenierte spektakulär und provokativ Hilfslieferungen aus dem Ausland, die von der Maduro-Regierung nicht ins Land gelassen wurden.

Er versuchte alles, um eine Dynamik in Gang zu setzen, die den Chavismus zu Fall bringen würde – aber das gelang überhaupt nicht. 2021 entzog die EU Guaidó die Anerkennung, 2023 verließ er das Land, so wie es vor ihm schon Millionen anderer Ve­ne­zo­la­ne­r*in­nen getan hatten.

Was blieb, waren eine Wirtschaftskrise und zunehmende internationale Sanktionen, unter anderem gegen zahlreiche Maduro-Vertraute und hohe Regierungsfunktionäre wegen Verwicklung in den Drogenhandel. Sanktionen seitens der Europäischen Union dienten der Maduro-Regierung auch als Rechtfertigung dafür, die ursprünglich eingeladene EU-Wahlbeobachtungsmission wieder auszuladen.

Eigentlich hatte die Maduro-Regierung mit diesen Wahlen endlich wieder internationale Legitimität erreichen wollen. Ziel war, an den leichten Wirtschaftsaufschwung 2023 mit rund acht Prozent Wachstum anzuknüpfen. Der konnte zwar das massive Schrumpfen der vom Ölexport abhängigen venezolanischen Ökonomie nicht annähernd ausgleichen, war aber ein Anfang.

„Schwer zu glauben“

Aber so wie es am Tag nach der Wahl aussieht, war das Bedürfnis nach Machterhalt doch stärker. „Maduros Regime muss verstehen, dass die Ergebnisse schwer zu glauben sind“, sagte Chiles Präsident Gabriel Boric. „Wir werden kein Ergebnis anerkennen, das nicht überprüfbar ist.“ Ähnlich äußerte sich Perus Außenminister Javier González-Olaechea. „Ich verurteile auf das Schärfste sämtliche von der venezolanischen Regierung mit betrügerischer Absicht begangenen Unregelmäßigkeiten“, sagte er.

Auch US-Außenminister Antony Blinken und die deutsche Bundesregierung gehen auf Distanz: „Die verkündeten Wahlergebnisse reichen nicht aus, um die Zweifel an der Stimmauszählung in Venezuela zu zerstreuen“, erklärte das Auswärtige Amt auf X. Die politische Krise Venezuelas geht weiter.

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13 Kommentare

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  • Da werden wir wohl auf die Beobachter aus Myanmar warten müssen, bis zweifelsfrei feststeht, ob die Wahl fair war. Aber Kuba und RU sind mit ihren Erfahrungen schon starke Garantiemächte für eine funktionierende Demokratie.

  • Wir hatten am WE Besuch von drei Venezuelanern. Zwei leben im holländischen Exil und der Vater noch in Venezuela. Der folgende Reuters Artikel schreibt ziemlich genau das, was uns die drei berichteten:



    e.vnexpress.net/ne...ctory-4775251.html

  • Ich wäre der TAZ sehr dankbar wenn sie darüber berichten würde ob internationale Wahlbeobachter anwesend waren.



    Ansonsten sind alle Berichte über Wahlmanipulationen Schall und Rauch.

  • Zusammen mit Russland, China, dem Iran und Kuba hat auch Serbien gratuliert. Sollte man sich merken.

  • Wie der Name zufällig verrät, war Maduro reif.

    Er hätte sich lieber im Vorfeld verhandelt abwählen lassen, um in 8 Jahren zurückkommen zu können. Wechsel gehört dazu, sonst hat man Ungarn, Niederbayern oder so.

  • Gibt es denn neutrale Hinweise für Wahlmanipulation oder passt den führenden westlichen Staaten lediglich das Ergebnis nicht?

    • @Uns Uwe:

      Die Opposition bezieht sich dabei auf Umfragen (und Beweise, die sie bis jetzt noch nicht vorgelegt hat), in denen González weit vorne gelegen haben soll. Es gab allerdings auch ganz andere Umfragen, die mehr oder weniger das jetzt verkündete Ergebnis widerspiegelten. Ich schätze, das hängt auch immer sehr davon ab, wen man fragt. Ansonsten wird sich in den nächsten Tagen und Wochen zeigen, ob die Opposition ihren Vorwurf untermauern kann.

      • @Gemeiner Hai:

        Ah ja. Dann warten wir mal ab, ob sich der Verdacht erhärtet oder sogar Beweise vorgelegt werden.

        Wie ich irgendwo gelesen habe, gab es übrigens sehr wohl einige Wahlbeobachter, nur eben keine aus der EU. Ich gehe davon aus, dass diese auch bald ihre Berichte vorlegen werden.

        • @Uns Uwe:

          Nachtrag: Kein Beweis, aber statistisch beinah unmöglich sind laut Süddeutsche die Stimmenanteile: „Exakt 5 150 092 Stimmen soll der venezolanische Staatschef Nicolás Maduro offiziellen Zahlen zufolge am vergangenen Sonntag bei den Wahlen erhalten haben. Das entspricht 51,2 Prozent – und zwar nicht gerundet, sondern ganz genau, sprich: 51,20000 Prozent.“ Oppositionskandidat: 44,20000 Prozent. Sonstige: Exakt 4,60000 Prozent.



          Dass das tatsächlich ein ausgezähltes Ergebnis ist und nicht ein vorab definiertes, kann man mir nicht erklären.

        • @Uns Uwe:

          Ich fand ja schon die Behauptung der Wahlkommission seltsam, dass bei erst 80% ausgezählte Bezirke Maduro nicht mehr einzuholen sei – obwohl er nur 7% in Führung läge. Und wenn es stimmt, dass in vielen Wahllokalen die örtlichen Ergebnisse nicht, wie das Gesetz es vorschreibt, direkt nach der Auszählung öffentlich verkündet werden, spricht das auch nicht für eine saubere Wahl.

  • Ohne die venezolanischen Verhältnisse beurteilen zu können ... Ich entnehme dem Artikel: 2019 hat sich dort ein Oppositionspolitiker zum Regierungschef erklärt. Er wurde von der Bundesregierung vorübergehend anerkannt, weil man darauf hoffte, dass er die Armee hinter sich bringen könne. Nachdem das nicht gelang, wurde ihm die Anerkennung wieder entzogen. Zur jüngsten Wahl in Venezuela äußerte sich das Auswärtige Amt nunmehr auf "X".

    Das alles sagt nicht viel über Venezuela aus, aber doch einiges über den Zustand deutscher Außenpolitik.

    • @Kohlrabi:

      Mehrere Millionen venezolanische Flüchtlinge in Kolumbien und Brasilien, sehr zurückhaltende Äußerungen zum offiziell verkündeten Wahlergebnis aus diesen links regierten Staaten mit allerdings demokratischer Legitimation, das einstmals reichste Land Südamerikas total heruntergewirtschaftet, Gebietsansprüche gegen einen Nachbarstaat nach russischer Manier....Vielleicht fahren Sie einmal hin und schauen es sich selbst an, statt gegen unsere Außenpolitik zu wettern

      • @Ralph Bohr:

        Aber er hat doch Recht! Dass sich da irgendjemand kurzerhand zum Präsidenten erklärte und daraus reale Macht ableiten zu können glaubte, ist ein Witz. Dass aber die westlichen Länder, denen es doch angeblich so sehr um Demokratie geht, einen solchen Schritt auch noch anerkannt haben, ist eine Farce. Das kann und sollte man kritisieren, unabhängig davon, um welches Land es geht.