Neue AfD-Fraktion in Brüssel: Rechtsextreme Resterampe

Am Mittwoch will die AfD im EU-Parlament die Fraktion „Europa der souveränen Nationen“ gründen. Dafür paktiert sie mit rechtsextremen Schmuddelkindern.

Kostadin Kostadinov bei einem Protestmarsch in Sofia, Bulgarien umringt von Männern, die genauso grimmig schauen wie er - in Hintergrund eine russische Flagge

Kostadin Kostadinov bei einem Protest gegen den Besuch des US-Verteidigungsministers in Sofia, 2022 Foto: Georgi Paleykov/imago

BERLIN taz | Vor gut einem Jahr hat Kostadin Kostadinov, der Vorsitzende der rechtsextremen bulgarischen Partei Wasraschdane (Wiedergeburt), auf dem AfD-Parteitag in Magdeburg ein denkwürdiges Grußwort gehalten. Er sagte unter anderem: „Im letzten Jahrhundert waren wir im Krieg zweimal verbündet. Nun sind wir verbündet in Friedenszeiten. Es ist höchste Zeit, dass Ihr Land seinen rechtmäßigen Platz als Großmacht einnimmt – und das nicht nur in Europa.“

Danach ging ein Raunen durch den Saal, das bei den AfD-Delegierten in großen Applaus mündete. Am Ende der Rede gab es Standing Ovations für Kostadinov. Der damals für die Europawahl aufgestellte Spitzenkandidat Maximilian Krah sagte zu dessen Rede, von den Bulgaren könne man sich noch eine Scheibe abschneiden.

Das Zitat klingt bis heute nach. Denn die Partei von Kostadinov ist eine der extrem rechten Parteien, die nun Partner der AfD im Europa-Parlament werden. Die neue Fraktion soll sich am Mittwochnachmittag konstituieren und „Europa der souveränen Nationen“ heißen. Kostadinov ist zwar nicht zur Wahl angetreten, aber seine Partei ist bekannt für Hetze gegen Roma und Homosexuelle, Parteianhänger solidarisierten sich mit „Z“-Symbolen mit Russland nach dem Überfall auf die Ukraine. Die Partei steht damit sinnbildlich für die Qualität der neuen Fraktion der AfD im Europaparlament.

Ein Sprecher von Alice Weidel bestätigte der taz, dass sie aus 29 Abgeordneten aus neun Ländern bestehen soll. In ihr werden damit teils noch radikalere Vertreter sein als in der gerade gegründeten Fraktion „Patrioten für Europa“, die unter anderem vom ungarischen Staatspräsidenten Viktor Orbán und den französischen Rechtsextremen vom Rassemblement National ins Leben gerufen wurde.

Who's who durchgeknallter Rechtsextremer

Die teilnehmenden Parteien der neuen Fraktion, an der nun die AfD beteiligt ist, lesen sich wie ein Who's who der durchgeknallten Rechtsextremen und Ultranationalisten Europas. Teil sollen demnach jeweils drei Abgeordnete der bulgarischen Wasraschdane („Wiedergeburt“), der polnischen Konfederacja („Konföderation“) und der spanischen Se Acabó La Fiesta („Die Party ist vorbei“) sein.

Zwei Abgeordnete kommen aus der slowakischen Hnutie Republika („Bewegung Republik“) und jeweils einer aus der tschechischen Svoboda a přímá demokracie („Freiheit und Demokratie“), der litauischen Tautos ir teisingumo sąjunga („Vereinigung von Nation und Gerechtigkeit“), der fanzösischen Reconquête („Rückeroberung“) und der ungarischen Mi Hazánk Mozgalom („Unsere-Heimat-Bewegung“).

Die AfD stellt in der neuen Fraktion mit 14 Abgeordneten die größte Delegation sowie die Leitung, die René Aust zufallen dürfte, einem engen Vertrauten des Rechtsextremisten Björn Höcke. Für eine Fraktion im EU-Parlament braucht es mindestens 23 Abgeordnete aus 7 EU-Staaten. Vom Fraktionsstatus hängt viel ab, unter anderem Gelder für Mitarbeiter und Redezeit.

Die Verhandlungen mit den europäischen Parteien soll der AfD-Delegationsleiter René Aust geführt haben, insbesondere die Kontakte von Petr Bystron sollen beim Netzwerken geholfen haben. Gegen Letzteren laufen weiter Ermittlungen wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit, seine Immunität ist mehrfach für Razzien in seinen Immobilien in Berlin, München, Tschechien und auf Mallorca aufgehoben worden.

Bei der ID rausgeflogen

Die AfD schließt sich nun mit Europas rechtsextremer Resterampe zusammen, weil sie nach dem bekannt gewordenen Treffen mit Rechtsextremisten in Potsdam sowie öffentlich gewordenen Ausfällen ihres Spitzenkandidaten Krah (Verharmlosung der SS) und dessen Spionageskandal aus der ID-Fraktion geflogen war und danach auch aus der ID-Partei ausgetreten war. In der Fraktion hatte sie in der bisherigen Zusammensetzung des EU-Parlaments unter anderem mit den französischen Rechtsextremen vom Rassemblement National, der österreichischen FPÖ und weiteren etablierteren rechten Partnern gesessen.

Direkt nach der EU-Wahl hoffte die AfD vergeblich darauf, hier wieder Anschluss zu finden. Es half auch nichts, dass die neue AfD-Delegation nach der Wahl ihren Spitzenkandidaten Maximilian Krah verbannt hatte, der daraufhin den neuen Leiter der Delegation, René Aust, implizit einen Verräter nannte. Die Verhandlungen zur Fraktionsbildung mit der ID-Fraktion scheiterten trotzdem.

Spitzenkandidat Krah war mehrfach in der letzten ID-Fraktion suspendiert worden und hatte stets dafür plädiert, mit deutlich radikaleren Vertretern in Europa zu paktieren; bis hin zu neonazistischen Kleinstparteien – sein Traum geht mit der neuen AfD-Fraktion nun in Erfüllung. Nur darf er – zumindest vorerst – nicht dabei sein. Das soll unter anderem auch eine Auflage für eine Zusammenarbeit der neuen Partner gewesen sein, so soll die polnische Konfederacja darauf bestanden haben, dass Krah nicht Teil der Fraktion ist.

Der wiederum für die Polen eingezogene Skandal-Politiker und offene Antisemit Grzegorz Braun (Konfederacja) soll ebenfalls nicht Teil der Fraktion sein – er ist unter anderem bekannt dafür, dass er im polnischen Parlament mit einem Feuerlöscher einen Channukkah-Leuchter gelöscht hat. Das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, wie radikal die neuen Partner der AfD sind. So gilt die polnische Konfederacja auch ohne Braun als Sammelbecken für Antisemiten, Monarchisten, Libertäre und Nationalisten. In die neue Fraktion sollen drei der insgesamt sechs Abgeordneten der Konfederacja einziehen.

„Ein Gruselkabinett“

Zwar soll Weidel zur Bedingung gemacht haben, dass der Fraktion „keine Antisemiten“ angehören, aber daraus wird wohl nichts: So soll aus der Slowakei auch etwa Milan Uhrik (Republika) dabei sein, der den Holocaust 2017 „weder gutheißen noch missbilligen“ wollte und 2023 wegen Desinformationen zur Pandemie verurteilt wurde.

Aus Frankreich kommt Sarah Knafo (Reconquête), die rechts von Marine Le Pen steht und die Verschwörungideologie vom „Großen Austausch“ propagiert. Für die Spanier kommt der rechte Influencer Alvies Pérez, der Fake News verbreitet, gegen Migration und Feminismus hetzt und die Einführung von Zwangsarbeit für Sexualstraftäter fordert.

Der Grünen-Abgeordnete Erik Marquardt sagte der taz: „Es ist eine Gruppe von Neonazis, Hooligans und Verschwörungstheoretikern, und in ihrem Zentrum steht die AfD. In jedem Drehbuch wären das die Bösewichte, ein Gruselkabinett.“ Dass die AfD nicht Teil von Orbáns und Le Pens Fraktion geworden ist, erklärt Marquardt so: „Es geht beim Ausschluss der AfD aus der rechtsextremen Fraktion auch um deren Stellung in Deutschland. Le Pen möchte im Europaparlament künftig auch mit den Konservativen zusammenarbeiten, und das ist leichter, wenn die CDU und die CSU sich nicht dafür rechtfertigen müssen, dass da auch die AfD drin sitzt.“

Mit der neuen Fraktion in Brüssel bildet sich die zweite extrem rechte Fraktion, nachdem unter anderem Viktor Orbán (Fidesz) und Jordan Bardella (Rassemblement National) die „Patrioten für Europa“ mit 84 Abgeordneten aus 12 EU-Ländern gegründet haben. Diese ist aus dem Stand drittstärkste Kraft in Brüssel. SPD-Abgeordnete Katarina Barley forderte eine standhafte Brandmauer nach rechts, auch die Grünen-Fraktionschefin Terry Reintke sprach sich gegen Ausschussvorsitze der Rechtsextremen aus.

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