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Das Brandenburger Festival NNOIIm Echo der Bäume

In lauschig-idyllischem Ambiente ergibt sich produktive Reibung. Am Wochenende fand das experimentelle NNOI Festival in Zernikow statt.

Mit Maske und Laserstrahlen: Liz Kosacks Performance beim NNOI Festival Foto: Daniel Pepper

Was man in Sachen Alltagsphysik alles lernen kann! Nicht nur Felswände oder Bauwerke erzeugen ein Echo, sondern auch Bäume. Zumindest wenn sie dicht an dicht stehen wie nahe der Zernikower Mühle, wo von Freitag bis Sonntag die neunte Ausgabe des avantgardistischen NNOI Festivals stattfand.

Der Polzowkanal taugt als erfrischende Badewanne

Wenn ihnen ein Klangbrett entgegenschallt, schleudern die Bäume ein paar Fetzen zurück: Am frühen Freitagabend, die Waliserin Elvin Brandhi spielt ihr knirschend dissonantes Live-Set, kommt es zum eindrücklichen Pingpong. „Disintegrated from nature“ nennen die Ver­an­stal­te­r:in­nen die Konzerte, Filme, Soundinstallationen und Ausstellungen, die in diesen Tagen um die Mühle herum und im fußläufig erreichbaren Dorf zu erleben sind. Und sind mit dieser Selbstbezichtigung wohl um einiges ehrlicher als die vielen Kulturschaffenden, die ihr Tun gern als gelebten Gleichklang mit der Natur anpreisen.

Zernikow ist ein Dorf mit 152 Einwohnern (Stand 2022), nördlich von Berlin im Ruppiner Seenland gelegen. Vom Bahnhof muss man noch ein ganzes Stück Rad fahren oder den Rufbus vorbestellen. Zumindest gefühlt ist man weit weg von Berliner Projekträumen. Und doch kann man sich diese experimentellen, oft obskuren Performances in einem solchen Setting vorstellen – nur dass dort allzu oft die produktive Reibung fehlt, die sich in diesem lauschig-idyllischen Ambiente fast automatisch einstellt.

Zwischendurch gibt es immer mal Durchsagen. Etwa, dass Autos umgeparkt werden müssen, der Harvester komme nicht durch. Und wenn diese monströsen Holzeerntemaschinen von ihrer Arbeit abgehalten werden, sei die Polizei bald da. „Disintegration from nature“ allerorten.

Organisiert von Robert Schalinski und Ulrike Grittner

Programmatisch beschreibt sich das NNOI Festival als Ort für „12756 Tonmusik, Obskure Lehren & Organ der Weltbauchrednerloge“. Auf die Beine gestellt haben es der zwischen Klangforschung und bildender Kunst arbeitende Robert Schalinski (der unter anderem Anfang der Nullerjahre mit der „Sibirischen Zelle“ einen Club für experimentelle Kunst betrieb und mit dem Kollektiv Column One Musik machte) und seiner Frau Ulrike Grittner, die seit 2006 in der Mühle leben. Und natürlich die vielen Helfer: Die sorgen unter anderem dafür, dass die gut 200 Gäste verpflegt sind. Essen ist im Ticketpreis enthalten.

Unterstützt wurde Schalinski in diesem Jahr von zwei Co-Kuratorinnen, Ute Waldhausen und Xenia Helms. Zwischendurch sind dann auch Kurzfilme zu sehen, die man ebenfalls eher im Galerie-Setting erwarten würde, die hier aber auf ein bemerkenswert fokussiertes Publikum treffen. Vor allem die surrealen gefilmten Experimente des Schweizer Bildhauers Roman Signer sorgen für Vergnügtheit.

Am Samstag dann zaubert der britische Improvisationsmusiker Hilary Jeffery, der am Freitagabend schon einen Auftritt mit seiner Posaune hatte, ein Alphorn auf die Bühne. Er tritt als ein Teil von Organza Ray auf – dem Duo, das er mit Eleni Poulou (vormals Keyboarderin bei The Fall) vor zwei Jahren gegründet hat.

Auch Elvin Brandhi tritt am folgenden Nachmittag in der kleinen Zernikower Kirche noch mal auf, diesmal mit ihrem Vater Gustav Thomas – und lässt ihre mal gutturale, mal schrille Stimme über harsche Perkussion mäandern. Ihr Vater ist übrigens Dozent für Musik in Newcastle: Zusammen sind sie Yeah You.

Retrofuturistische Performance

Christian Gierden aka Karl Marx Stadt sorgt im Anschluss mit Flummiartigkeit, die er der Kirchenorgel entlockt, für einen schönen Kontrapunkt. Ein Highlight ist am Abend die retrofuturistisch anmutende Performance von Liz Kosack, die – wie immer eine selbst gebastelte Maske tragend – inmitten des Publikums sitzt und ihre Synthesizer bearbeitet, während Laserstrahlen aus ihrer Brust in die Dämmerung schießen.

Offenbar sind in dem bunt gemischten All-ages-Publikum viele Wiederkehrer, die genau wissen, wo man auf der Wiese sein Zelt aufschlägt, um morgens auszuschlafen. Die anderen werden schon früh von der knallenden Sonne durchgebritzelt.

Immerhin gibt es ein paar Meter weiter den Polzowkanal – an dieser Stelle eher ein lauschiges Bächlein, das als erfrischende Badewanne taugt. Nach einem Spaziergang mit dem Wildkräuter-Experten ist man dann endgültig wach. Und zumindest ein bisschen in die Natur integriert.

Der Spaziergang fungierte übrigens als Ersatz für den Programmpunkt Dadærobics, der ja schon die Neugierde der Autorin geweckt hatte. Sich mit Fremden bei motorischen Herausforderungen zum Affen machen hat ja eigentlich immer Unterhaltungswert. Und danach klang es zumindest. Schade, aber nun gut: Dass manche Dinge hier ungelöst bleiben, ist Teil des Konzepts. Ein Lob der praktizierten, produktiven Verwirrung.

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