Hamburger Polizei bei SPD-Mitgliedern: Hausdurchsuchung wegen Wahlplakat
Die Hamburger Polizei dringt frühmorgens in die Wohnungen von SPD-Mitgliedern ein. Sie sollen Wahlplakate parteiinterner Gegner abgerissen haben.
![Wahlplakat mit abgerissenen Streifen Wahlplakat mit abgerissenen Streifen](/picture/7135254/624/imago0476165426h-1.jpeg)
Kann mit bis zu zwei Jahren Haft geahndet werden: Beschädigung eines Wahlplakats Foto: Hanno Bode/imago
HAMBURG taz | Die Hamburger Polizei hat die Wohnungen mehrerer SPD-Parteimitglieder durchsucht, die die Wahlplakate einer Parteigenossin abgerissen haben sollen. Einer der Beschuldigten, K., war laut Staatsanwaltschaft für die Wahl zur Bezirksversammlung angetreten, die zusammen mit der Europawahl am 9. Juni stattfand. K. soll vier jugendliche Parteimitglieder angestiftet haben, Wahlplakate seiner Konkurrentin S. abzureißen, die ebenfalls für die Bezirksversammlung kandidierte. Hintergrund könnte ein schon länger schwelender Streit in der Harburger SPD sein.
Mathias Frommann, der Anwalt eines Beschuldigten, kritisiert das Vorgehen der Polizei. Am Bett eines der jugendlichen Beschuldigten hätten frühmorgens acht Polizisten gestanden, berichtet er. „Die Mutter durfte nicht aufs Klo.“ Im Zuge der Durchsuchung hätten die Ermittler Handys beschlagnahmt.
Frommann sagt, er habe ein derart drastisches Vorgehen „nicht für vorstellbar gehalten“. Schließlich werde den jungen Leuten – von den Beschuldigten sei keiner älter als 30 – nur geringfügige Sachbeschädigung vorgeworfen. Und der Anwalt fragt sich auch, was die Polizei mit der Beschlagnahme der Mobiltelefone bezwecke. Dass Parteimitglieder miteinander telefonierten sei ja nicht gerade ungewöhnlich. „Ob der Grundrechtseingriff vor diesem Hintergrund gerechtfertigt ist, daran habe ich erhebliche Zweifel“, sagt er mit Blick auf die Unverletzlichkeit der Wohnung.
Zu den Voraussetzungen einer Hausdurchsuchung gehört, dass sie verhältnismäßig ist und dass Beweismittel gefunden werden, die zur Aufklärung der Tat beitragen können. Das Hamburger Amtsgericht jedenfalls hat das so gesehen, so dass es den Durchsuchungsbeschluss erließ.
Möglicherweise interessant sein könnten die Handy-Verbindungsdaten, weil die Staatsanwaltschaft ja dem SPD-Kandidaten K. vorwirft, seine jugendlichen Parteigenossen angeworben zu haben, um mindestens acht Plakate seiner mutmaßlichen Konkurrentin abzureißen und wegzuwerfen.
Nach Darstellung des Anwalts Frommann, handelt es sich bei den insgesamt sechs Beschuldigten um türkischstämmige Parteimitglieder, die von einem deutschstämmigen Parteimitglied angezeigt worden seien. Dieses behaupte, gesehen zu haben, wie die Plakate der deutschstämmigen Genossin entfernt wurden und es wolle auch gehört haben, wie die Jugendlichen mit Hintermännern telefonierten.
Weder die Kreisvorsitzende noch der Fraktionsvorsitzende der Harburger SPD wollten sich gegenüber der taz äußern. Stattdessen wies der Sprecher des SPD-Landesverbandes, Manuel Preuten, „Behauptungen zurück, wonach es innerhalb des Kreisverbandes Harburg Diskriminierung gegenüber einzelnen Mitgliedern mit Migrationshintergrund gäbe“. Das Verfahren zur Vergabe der Listenplätze sei gemäß den SPD-Statuten offen, transparent und fair.
Anwalt Mathias Frommann vermutet, dass der Migrationshintergrund der Beschuldigten sehr wohl eine Rolle in dem Fall spielen könnte. „Hier möchte offenbar jemand verhindern, dass türkischstämmige erfolgreiche Mitglieder der SPD Harburg auf gute Listenplätze kommen“, sagt er.
Die Harburger SPD leistet sich hier einen Machtkampf zwischen ihrem alten Vorstand um den ehemaligen Kreisvorsitzenden und jetzigen Fraktionschef Frank Richter auf der einen Seite und dem seit zwei Jahren amtierenden neuen Kreisvorstand um die Bezirksabgeordnete Oksan Karakus. Dabei geht es offenbar auch darum, welche Ortsverbände im Kreisverband das Sagen haben und welche Möglichkeiten Genossen mit Migrationshintergrund offen stehen.
Vor einem Jahr erklärte der SPD-Bezirksabgeordnete Torsten Fuß laut Hamburger Abendblatt seinen Parteiaustritt, weil Teile des Kreisverbandes die Arbeit des Vorstandes torpedierten. Einige Ortsverbände lehnten Mitgliedsanträge ab, wenn sie vermuteten, dass die Neumitglieder zum neuen Vorstand tendierten, behauptete Fuß damals. Die Aspiranten hätten alle einen Migrationshintergrund gehabt.
Die Polizei hat bis zum 31. Mai, neun Tage vor der Wahl, landesweit 63 Ermittlungsverfahren wegen beschädigter Wahlplakate eingeleitet, wobei jeweils auch mehrere Plakate zerstört worden sein konnten. Bei den meisten Verfahren (20) geht es um Plakate der SPD, dann folgten die Grünen mit 15 und die AfD mit zwölf. „Unsere Kandidierenden sind gehalten, Beschädigungen an Wahlplakaten zur Anzeige zu bringen“, sagt SPD-Sprecher Preuten.
Leser*innenkommentare
Choronyme
„Zu den Voraussetzungen einer Hausdurchsuchung gehört, dass sie verhältnismäßig ist und dass Beweismittel gefunden werden, die zur Aufklärung der Tat beitragen können.“
Das ist schlicht falsch. Wie soll es die Voraussetzung sein, dass Beweismittel gefunden werden? Man weiß vor der Durchsuchung ja nicht was man findet. Voraussetzung ist die Vermutung, dass Beweismittel gefunden werden (vgl. § 102 StPO). Dies ist eine vollkommen andere Schwelle. Wenn die Polizei glaubte, die Jugendlichen könnten sich etwa per Telegram organisiert haben, wäre der Chatverlauf auf dem Handy ein entsprechendes Beweismittel. In der heutigen Zeit wohl eine schlüssige Vermutung. Ob dies im Nachhinein der Fall war, ist hierbei unerheblich. Für die Verhältnismäßigkeit einer Durchsuchung reicht auch gem BVerfG der Anfangsverdacht einer Straftat aus. Mit einer Zeugenaussage sollte ein solcher Verdacht gegeben sein und eine Sachbeschädigung stellt eine Straftat dar. Nur weil der Verteidiger meint, die Sache sei nicht so schlimm, muss der Staat nicht mal ein Auge zudrücken. Dies ist kein rechtlicher Maßstab
Bolzkopf
Soweit sind wir jetzt schon.
Aber neu ist das ja nicht.
Hatten wir ja schonmal.
Hausdurchsuchungen bei SPD Leuten.
Ein Vorwand wird sich immer finden...
Matt Gekachelt
Ist ja lustig! Von den SPD Steckbriefen hängen im Bezirk Süderelbe immer noch welche. Die können doch erstmal ihr Geraffel einsammeln und dabei das von der AfD mitnehmen.
Henning Reh
@Matt Gekachelt Einfach an harburg(at)spd-hamburg.de melden und mitteilen wo es steht und wer darauf ist. Die geben das dann an die Kandidierenden weiter und die räumen das dann ab. Kann immer mal passieren, dass jemand die Übersicht verliert. Da hilft meist ein kleiner Hinweis.
Hans-Rudolf Meier
Was glaubte man denn bei der Hausdurchsuchung zu finden? Die abgerissenen Plakatschnipsel?
Martin Sauer
@Hans-Rudolf Meier Steht doch im Artikel, es wurden Handys beschlagnahmt. Vielleicht haben sich die Jugendlichen beim abreissen gefilmt und dss ganze bei Tik Tok veröfentlicht.
pablo
@Martin Sauer Wenn das bei tiktok veröffentlicht wäre dann braucht es keine Durchsuchung denn dann wäre der Beweis im Internet.
Wurstfinger Joe
@pablo Aber Tiktok kann man über Fax nicht erreichen. 😁