Homopolitik der AfD: Die Antiqueerte
Sie ist lesbisch und die Frontfrau der homophoben AfD. Wie geht das zusammen? Gar nicht. Alice Weidel ist eine Schande für die lesbische Bewegung.
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Möglich, dass es nicht notwendig ist, Geschichtsbewusstsein zu haben als Lesbe: Die AFD-Vorsitzdende Alice Weidel Foto: Annegret Hilse/reuters
Am 7. Juli verbrannten drei Rechte nach einer Veranstaltung des rechtsextremen Verlags Compact in Dresden eine Regenbogenflagge. Damit sagten diese Männer, einer war der ehemalige AfD-Chef von Sachsen-Anhalt, ganz klar, was sie nicht wollen: Eine Gesellschaft, in der alle nach ihrer Façon selig werden dürfen. Denn bei ihrer Attacke machten sie auch Witze über die LGBT-Community. Compact, lange vom Verfassungsschutz beobachtet, wurde in dieser Woche übrigens verboten.
Am selben Tag wie in Dresden skandierten Anhänger der AfD im sächsischen Freiberg bei einer Kundgebung die verbotene Naziparole der SA „Alles für Deutschland“. Björn Höcke wurde bereits zwei Mal verurteilt, weil er die Parole in seine Reden einbaute. Jetzt also brüllt der rechte Mob den Nazi-Spruch.
Die Moderatorin der Veranstaltung ist irritiert, stockt, und sagt dann: „‚Alice für Deutschland‘, die haben wir dann gleich hier.“ Darauf Gelächter. „Alice“ und „alles“ klingen fast gleich. Weidel, die AfD-Vorsitzende, ist eine der SprecherInnen bei der Veranstaltung. Vor Ort werden AfD-Plakate mit „Alice für Deutschland“ gezeigt.
So entstehen Memes. Denn nun wissen alle: „Alice für Deutschland“ steht für einen ganz anderen Spruch, der die direkte Verbindung zu den Nazis im Dritten Reich herstellt. Wer jetzt „Alice für Deutschland“ sagt, meint genau deren Parole.
Eine nützliche Idiotin in der AfD
Wie die beiden Situationen in Dresden und Freiberg zusammenhängen? Nun, Alice Weidel lebt mit einer Frau in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Alice Weidel ist eine Lesbe und gehört der LGBT-Zielgruppe an.
So eine ist in der AfD bestenfalls nützliche Idiotin, bis die Partei ihr Ziel, die Macht, erreicht hat. In ihren Parteiprogrammen steht nichts von queerer Lebensweise. „Gender“ und „Feminismus“ werden gebasht. An erster Stelle steht die Vater-Mutter-Kind-Familie – sofern sie nicht zugewandert ist. Im Programm für die EU-Wahl taucht das Wort „Homosexualität“ ein einziges Mal auf – in einem Zusammenhang, der den Islam diskreditiert. Die Ehe für alle soll es nicht geben. Wer unverheiratet zusammenleben will, kann es tun – aber ohne Rechtsform.
Möglich, dass es nicht notwendig ist, Geschichtsbewusstsein zu haben als Lesbe, besser allerdings wäre es. Vor allem, wenn sich Lesben als Politikerinnen geben.
Weidel profitiert und hölt aus
Dass Homosexuelle, also auch Lesben, heute sichtbar sind in der Öffentlichkeit, ist nicht einfach so gekommen. Es ist das Ergebnis eines langen zivilgesellschaftlichen Kampfes. Von dem profitiert Alice Weidel und lässt gleichzeitig zu, dass das Erreichte von innen wieder ausgehöhlt wird.
Alice Weidel hat nicht dazu beigetragen, dass lesbisches Leben heute normal ist. Aber sie tut alles, damit es zukünftig wieder unmöglich wird
Die Faschisten im Dritten Reich gingen nicht per se gegen lesbische Frauen vor, nur gegen homosexuelle Männer. Lesbische Sexualität schien ihnen womöglich nicht vorstellbar. Trotzdem wurde die lesbische Infrastruktur zerschlagen, Lesben verschwanden aus der Öffentlichkeit, auch wurden einige lesbische Frauen, wenn sie politisch oder jüdisch waren, verhaftet und in Arbeits- oder Konzentrationslager gesteckt. Erst im Zuge der Homosexuellenbewegung in den siebziger Jahren erkämpften sich die Lesben ihre Sichtbarkeit neu.
Alice Weidel, 1979 geboren, hat nichts zu diesem Kampf beigetragen. Wohl aber ruht sie sich darauf aus und lässt sich im gleichen Atemzug vor den Karren einer rassistischen, nationalistischen, ausgrenzenden, Wissenschaft negierenden, Klimawandel leugnenden, antifeministischen Ideologie spannen, die mit Homosexualität nichts am Hut haben will. Schlimmer noch, sie zieht den Karren mit. Sie ist die Frontfrau testosterongeschwängerter Alt- und Jungmänner, deren politische Tagesordnung sich in Hetze und Propaganda erschöpft.
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Lösungen für die in ihren populistischen Reden stets wiederholten Probleme hat sie keine, wie im „Sommerinterview“ des ZDF etwa deutlich wird. Ihre Ideen sind nur in einer Diktatur denkbar, die Ausgrenzung fördert sowie Zivilgesellschaft und Meinungsfreiheit untergräbt. Und deutsche Frauen wären dann, siehe AfD-Programme, dazu da, deutsche Kinder zu gebären.
Alice Weidel ist eine Schande für die lesbische Bewegung. Sie hat nicht dazu beigetragen, dass lesbisches Leben heute normal ist. Aber sie tut alles, damit das zukünftig wieder unmöglich wird.
Leser*innenkommentare
KatholischerVerbindungsstudent
Es ist immer wieder erstaunlich, daß davon ausgegangen wird, daß nur auf Grund der Sexualität eine bestimmte politische Einstellung als gesetzt angenommen werden kann. Der schwule Sohn "aus gutem Hause" in Berlin-Charlottenburg hat nun einmal mit einem heterosexuellen Wirtschaftsanwalt mehr gemein als mit einem schwulen türkischen Barber aus Berlin-Kreuzberg. Sexualität ist ein kleiner, nicht einmal unbedingt entscheidender Teil der Gesamtpersönlichkeit und der Gesamtidentität - familiäre Herkunft, schulisch-universitäre Bildung, Beruf, Glaube, soziales Umfeld, das sind die entscheidenden Faktoren für die Entwicklung eines (gesellschafts)politischen Standpunktes, nicht aber die Frage, mit wem man Sex hat.
Nachtsonne
Dazu einige kritische Anmerkungen. Alice Weidel wurde innerhalb der AFD zur Parteivorsitzenden gewählt. Wie ist ist das möglich in einer Partei, die die Regenbogenfahne ablehnt? Zunächst einmal ist die Regenbogenfahne nicht die alleinige Vertreterin der Homosexuellen. Darüber hinaus steht die Regenbogenfahne für mehr als "jeder Möge nach seiner Facon glücklich" werden. Es ist also durchaus möglich, Homosexualität völlig in Ordnung zu finden und gleichzeitig die Regenbogenfahne in ihrer heutigen Bedeutung abzulehnen.
mats
@Nachtsonne Ach so? Und was ist die "heutige Bedeutung" der Regenbogenfahne Ihrer Meinung nach?
White_Chocobo
Ich glaube, man kann Weidels Positionierung nur vor einem hochgradig individualistisch-neoliberalen Weltbild verstehen. In diesem geht es in erster Linie um ihren bisherigen und zukünftigen Erfolg und der hat sich gerade_wegen der Ressentiments ggü. der LGBTIQ-Szene eingestellt und das spielt sie eben so lange, wie es geht. Sie zählt sich ja gerade nicht zu dieser Community, deshalb wird sie nicht vor einen Karren gespannt, sondern zieht diesen (wie im Artikel kurz angedeutet) auch und solange deshalb selbst mit, wie es ihr eben nützt.
Die Nationalsozialist:innen haben mMn. vor allem auch deshalb Lesben weniger verfolgt als homosexuelle Männer, weil sich das Lesbische viel einfacher in einer heteronormativen Ideologie einhegen lässt. Das ist auch einer der Gründe, warum hetero-cis-Männer in der Pornografie wenig Probleme mit 'lesbischen' Frauen haben.
Der Text zeigt mMn. deutlich, dass eben nicht alle Schwestern in einem feministischen Sinne sind, sondern manche 'Schwestern' dezidiert Gegnerinnen sind und sich auch als solche sehen.
gyakusou
Ich finde es nicht so schockierend, dass auch Schwule und Lesben konservativ denken und wählen und sogar ganz Rechtsaußen aktiv sein können.
Bei einer Umfrage der männer* Redaktion Anfang des Jahres, bei der Nutzer der Datingplattform ROMEO teilnahmen, landete die AfD auf Platz 1.
Menschen aus der LGBT-Community sind nicht Single Issue Voters und haben bei bestimmten Themen teilweise andere Ansichten als linke Parteien, denen man sie aus dem Bauch heraus eher zurechnen würde.
Genauso sind die Leute immer wieder davon überrascht, dass viele Einwanderer/Latinos/Schwarze in den USA Trump und seinen Republikanern ihre Stimme geben.
Einar Loftsson
@gyakusou Ja ich verstehe auch nicht wieso man als homosexueller nicht auch rechtsradikal sein könnte: Pim fortyn, Jörg Haider, Ernst Röhm, die NSU Uwes und viele andere lassen grüßen.
DiMa
Ich finde es immer wieder höchst konträr, wenn sogenannte Feminisitinnen anderen Frauen vorwerfen, wie sie sich richtig zu verhalten haben. Was frührer das Patriarchat war ist heute das Matriarchat. Das ist übrigens eine Entwicklung, die es nur unter Frauen zu geben scheint. Mir ist nicht bekannt, dass es solche Anwürfe unter homosexuellen Männern gibt.
In der Sache selbst wird doch eher andersherum ein Schuh draus. Seht her, wie weit es mit der Gleichberechtigung steht; auch Lesben dürfen ranghohe NeonazisInnen sein.
gyakusou
@DiMa Ich finde es auch immer wieder erstaunlich, wie unterschiedlich Männer und Frauen behandelt werden, selbst innerhalb vermeintlich progressiver Gruppen wie der LGBT-Community.
Oliver Korn-Choodee
"Homopolitik der AfD"
Echt jetzt? - Homopolitik?!
Was soll das denn bitte sein, liebe taz?
Diskriminierender könnte es die AfD nicht formulieren!