Entwicklungspolitik in der Sahel-Region: Mit Bildung gegen den Terror

Die Geberkonferenz der Sahel-Allianz beschließt Finanzhilfen für Westafrika. Auch in Putsch-Staaten will die Vorsitzende Svenja Schulze viel erreichen.

Svenja Schulze spricht mit Frauen in Benin

Entwicklungsministerin Svenja Schulze will auch die Nachbarstaaten der Sahel-Zone stabilisieren: im Gespräch mit Frauen in Benin Foto: Christina Peters/dpa

BERLIN taz | Die Bundesregierung will sich weiter in der Sahelzone in Westafrika engagieren. Im Vordergrund steht die Zusammenarbeit mit lokalen Behörden und der Zivilgesellschaft und langfristige Investitionen in Bildung, Arbeit und soziale Sicherung, um den terroristischen Gruppen den Nährboden zu entziehen – so die Bilanz der Geberkonferenz der Sahel-Allianz, die am Dienstag in Berlin endete.

Seit Jahren machen terroristische Milizen die Sahel-Staaten unsicher. In Mali, Burkina Faso und Niger haben Putschisten die Macht übernommen und sich vom Westen abgewandt. Russland schickt hingegen militärische Unterstützung. Das Bündnis der Sahel-Allianz dient als Forum zur Koordination der internationalen Entwicklungszusammenarbeit der größten westlichen Unterstützer der krisengebeutelten Region.

„Die Sahelzone hat sich zu einem Epizentrum des Terrorismus entwickelt“, sagte Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD), die den Vorsitz der Sahel-Allianz hat. Aber junge Menschen schließen sich den Terrorgruppen nicht aus Überzeugung an, sondern weil sie keine anderen Perspektiven haben, erklärte sie. Diese Perspektiven wolle das Bündnis schaffen.

Der mauretanische Wirtschaftsminister Abdessalam Saleh begrüßte das Engagement der Bundesministerin in einer Zeit, in der die Welt zahlreiche Krisen durchlaufe und das Risiko bestehe, dass die Sahel-Zone an den Rand gedrängt werde. „Wir beobachten einen Rückgang der multilateralen Kooperation und auch der Entwicklungszusammenarbeit auf internationaler Ebene“, sagte Saleh.

Gleichzeitig hatte die Sahel-Region noch nie einen so starken Bedarf an internationaler Hilfe wie jetzt: „Die Ernährungssicherheit ist zurückgegangen, die Sicherheitssituation ist fragil, der demografische Druck gehört zu den stärksten weltweit und es gibt wenig Wertschöpfung.“

Bildung als Schlüsselfaktor

Die Weltbank stellte auf der Konferenz ein umfangreiches Bildungsprogramm vor, das in den nächsten sieben Jahren über zwei Millionen Kinder in Burkina Faso, Mauretanien, Niger und Tschad erreichen soll, die aktuell keinen Zugang zu Bildung haben. Deutschland unterstützt die Initiative mit 60 Millionen Euro. In der Vergangenheit wurden Schulen vermehrt Ziel von Angriffen terroristischer Gruppen, die in der Region um Einfluss buhlen.

Mehr als 11.000 Schulen sind aktuell geschlossen, weil sie in den Terroreinflussgebieten liegen. So bleibe der Schulbesuch rund 40 Prozent aller Kinder der Sahel-Region verwehrt, teils müssten die Familien der Kinder die Region wegen der anhaltenden Terrorgefahr sogar ganz verlassen.

Fokus auf lokale Zusammenarbeit

Die Organisation der Entwicklungszusammenarbeit gestalte sich angesichts der Militärjunten und Terrorgruppen in den Putsch-Staaten als schwierig, gab Schulze zu. Um sicherzustellen, dass der Geldfluss am Ende dennoch die Richtigen erreiche, greife man auf langjährige Erfahrung vor Ort zurück: In Mali, Burkina Faso und Niger liege der Fokus auf der lokalen Ebene und in der Zusammenarbeit mit Partnern vor Ort wie dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef) oder dem World Food Program (WFP). Trotzdem wolle das Entwicklungsministerium „mit den Putsch-Staaten im Gespräch bleiben“, so Schulze. Klar ist: Das Problem Terror will man inzwischen entwicklungspolitisch lösen, „nicht militärisch“.

130 Millionen Euro stellte das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) in einem ersten Schritt für das gemeinsame Projekt Sahel Resilience Partnership von Unicef und WFP und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Aussicht. Gemeinsam mit Dorfgemeinschaften in Burkina Faso, Tschad, Mali, Mauretanien und Niger wurden bereits 300.000 Hektar vertrocknetes Ödland wieder begrünt, sagte Martin Frick, Direktor des WFP-Büros in Berlin der taz. Bis 2027 sollen 150.000 Hektar hinzukommen und acht Millionen Menschen in 6.000 Dorfgemeinschaften erreicht werden.

Für die Begrünung werden alte Techniken angewendet erklärt Frick. „Die Frauen graben in dem sehr harten Boden einen Halbkreis, in dem sich Wasser sammelt. Darin wird ein Baum gesetzt. Ist der erst mal angewachsen, spendet er Schatten und hält die Feuchtigkeit im Boden“. So wird nach und nach aus der Wüste ein Wald und landwirtschaftliche Flächen, die der Ernährungsversorgung dienen. „Die Bäuerinnen sind in der Lage sich selbst zu versorgen“, berichtet Frick.

Das Projekt ist ein Beispiel für die Verzahnung von Sicherheitsinteressen, Ernährungssicherheit und Klimaschutz. Dass das Projekt weiter finanziert wird, begrüßt Frick. Gleichzeitig stünden aber grundsätzlich viele andere wichtige Projekte auf die Kippe, die wie dieses aus der sogenannten „Übergangshilfe“ aus dem BMZ finanziert werden. Denn diese ist als kurzfristiges Krisenmittel von den Haushaltskürzungen besonders betroffen. Gegen die geplanten Kürzungen in der humanitären Hilfe und im Entwicklungsetat wendet sich ein breites Bündnis der deutschen Zivilgesellschaft.

Am Mittwoch soll das Kabinett den Haushaltsetat für 2025 beschließen. Der sieht vor, dass beim BMZ rund eine Milliarde gegenüber dem diesjährigen Etat gekürzt wird. Im Auswärtigen Amt (AA) sollen es laut Medienberichten 836 Millionen sein. Damit würde das Budget für Humanitäres innerhalb dieser Legislaturperiode um ein Viertel gekürzt.

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