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Sozialer Wohnraum in Pankow in GefahrProblem bekannt und nicht gebannt

In Pankow fallen 3.600 Wohnungen aus der Sozialbindung. Die Mie­te­r protestieren, warten aber vergeblich auf ein Entgegenkommen des SPD-Bausenators.

Protest gegen Verdrängung in der Pankower Florastraße (ein Archivbild) Foto: dpa/Jörg Carstensen

Berlin taz | Das Mie­te­r*in­nen­bünd­nis „Pankow gegen Verdrängung“ verliert die Geduld mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Diese sabotiere den Kampf der Mie­te­r*in­nen gegen den drohenden Verlust ihrer Wohnungen: „Es gibt praktikable, nach Meinung von Ex­per­t:in­nen umsetzbare Lösungen. Wir fordern von Senator Christian Gaebler, jetzt endlich zu handeln und konstruktiv mit uns an diesen Lösungen zu arbeiten“, sagt Anna Wenzel von der Initiative der taz.

Der Hintergrund: Im Bezirk Pankow fallen in diesem und in den kommenden Jahren insgesamt rund 3.600 Wohnungen aus der Sozialbindung und landen auf dem freien Markt. Viele der betroffenen Häuser waren in den 1990er Jahren mit öffentlichen Mitteln saniert worden. Die Mie­te­r*in­nen befürchten horrende Mieterhöhungen sowie Eigenbedarfskündigungen – und haben sich in dem Bündnis zusammengeschlossen, um diese Entwicklung zu verhindern. Sie argumentieren, dass das Problem der auslaufenden Sozialbindungen seit 20 Jahren bekannt sei.

Neben mehreren Protestkundgebungen hat das Bündnis im Frühjahr einen Krisengipfel in den Räumen der Bezirks­verordneten­versammlung Pankow organisiert. Dort drängten rund 150 Be­woh­ne­r*in­nen auf schnelle Lösungen, damit sie weiter in ihren Wohnungen bleiben können.

Vier Monate später ist die Enttäuschung groß. „Die Senatsverwaltung verweigert sich Treffen mit dem Bündnis ‚Pankow gegen Verdrängung‘, um weitere Schritte nach dem Krisengipfel zu besprechen“, beklagen die Mieter*innen.

An gemeinsamer Lösungssuche interessiert

Ulrike Hamann-Onnertz vom Berliner Mieterverein unterstützt die Pankower Mieter*innen. „Die Initiative hat viel Sachverstand gesammelt und ist an einer gemeinsamen Lösungssuche interessiert. Wir appellieren eindringlich an den Senat, an den Besprechungstisch zurückzukehren und deutlich zu machen, dass Interesse an einer Lösung mit den Betroffenen besteht“, betont sie.

Die SPD-geführte Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hingegen weist die Kritik der Mie­te­r*in­nen­in­itia­ti­ve als unberechtigt zurück. Viele der Forderungen der Pankower Mie­te­r*in­nen könnten nur teilweise oder gar nicht umgesetzt werden, erklärte ein Sprecher gegenüber der taz.

Einen von der Initiative geforderten Härtefallfonds für die Mie­te­r*in­nen hält die Senatsverwaltung mit Verweis auf das Bürgergeld für nicht erforderlich. Darüber hinaus liege das von den Mie­te­r*in­nen geforderte Verbot von Eigenbedarfskündigungen nicht in der Kompetenz des Berliner Senats.

Die von den Mie­te­r*in­nen erhoffte Kommunalisierung der Wohnungen sei ebenso wenig geplant wie eine besondere Kontrolle für die Pflichten der Vermieter*innen. Laut dem Sprecher sind aktuell keine weiteren Gespräche mit der Mie­te­r*in­nen­in­itia­ti­ve vorgesehen. Dass sich die Mie­te­r*in­nen damit zufriedengeben, ist unwahrscheinlich. Sie geben sich kämpferisch. Bis Ende September erwarte man Ergebnisse. Gerne hole man sich diese „im Büro von Herrn Gaebler persönlich ab“, schreiben sie.

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23 Kommentare

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  • Der Fall zeigt die vollkommen verfehlte Politik im sozialen Wohnungsbau, die die Regel und keine Ausnahme ist. 910.000 Sozialwohnungen fehlen bundesweit laut Bündnis Soziales Wohnen. Davon 131.000 allein in Berlin.



    Der Staat gibt bundesweit horrende Summen fürs Wohngeld Bedürftiger aus, insgesamt fünfmal so viel wie für den Bau neuer Sozialwohnungen. An der Misere verdienen private Wohnhauseigentümer in starken Maße, die auch noch wie in Pankow gefördert wurden. Am Ende schaut die Kernwählerschaft der SPD in die Röhre. Respekt vor den Wählern der SPD in der Wohnungsbaupolitik - ein Fremdwort für die SPD.

    • @Lindenberg:

      Der Fall zeigt die vollkommen verfehlte Politik im sozialen Wohnungsbau, die die Regel und keine Ausnahme ist.

      Das ist ja eine schöne Behauptung, nur was hätte der damalige Senat Ihrer Meinung nach machen sollen und was bringt uns eine Diskussion über die Fehler der Vergangenheit?

      • @DiMa:

        was hätte der senat damals machen sollen? der damalige senat hätte die landeseigenen wohnungsbestände anfang der nullerjahre nicht privatisieren dürfen. jetzt zahlt er das x-fach der unterhaltungskosten für die subjektförderung (siehe dazu die ergebnisse der anfang 2024 veröffentlichten studie des pestel-instituts: mieterbund.de/them...4-in-deutschland/)

        was bringt eine diskussion über die fehler der vergangenheit? eine diskussion über die fehler der vergangenheit ist die voraussetzung, um dafür sorge tragen zu können, das diese fehler in zukunft nicht zu wiederholt werden.

        • @Pflasterstrand:

          "der damalige senat hätte die landeseigenen wohnungsbestände anfang der nullerjahre nicht privatisieren dürfen."

          Ja, da gehen wir vollkommen d'accord. Wirklich keine Glanzleistung von rot-rot.

          "um dafür sorge tragen zu können, das diese fehler in zukunft nicht zu wiederholt werden."

          Auch insoweit stimmen wir vollständig einhundertprozentig überein.

          Nur steht das derzeit wirklich zur Diskussion?

  • Wenn den Mietenden das Problem seit 20 Jahren bekannt ist, hätten diese 20 Jahre Zeit gehabt entsprechend zu handeln.

    Im Nachhinein ist es immer leicht, die Schuld bei jemand anderen zu suchen

  • Drehen wir mal den Spieß um



    Wenn die Vermieter ach so üppig Geld an den Mietwohnungen verdienen wie gerne behauptet wird, warum baut so gut wie kein privater Investor dann mehr Mietwohnungen?



    Warum sollte man noch investieren, wenn man Dank Mietpreisbremsen und anderen kostspieligen Regulierungen (Gebäudeenergiegesetz) gar nicht mehr weiß, ob man überhaupt noch eine schwarze Null schreibt. Und wer jetzt schreibt "die verdienen genug", möge einfach selbst eine Mietwohnung bauen lassen.

    Die Sozialbindung war ein Anreiz, dass überhaupt gebaut wurde. Ohne diese hätte es diese Sozialwohnungen gar nicht gegeben.

    • @Rudi Hamm:

      ganz nebenbei haben Sie gerade dargelegt, warum der markt die krise bezahlbaren wohnraum nicht lösen kann, sondern nur zu ihrer verschärfung beiträgt. auf dem markt wird eben nicht nach nachfrage, sondern nur nach kaufkräfitger nachfrage produziert. wird also zeit, anderen akteuren als der profitorienierten wohnungswirtschaft den wohnungsbau und den vorhandenen wohnraum zu überantworten.

      • @Pflasterstrand:

        Wo sind denn diese anderen Akteure? Diese könnten ja aktiv werden, machen sie aber offenkundig nicht

        • @eicke81:

          akteur nr. 1: genossenschaften:



          genossenschaften sind angesichts der durch spekulation mit möglichen profiten in astronomische höhen gestiegenen bodenpreise (lesetipp für gänzlich unbeleckte zu einführung: hans-jochen vogel: "mehr gerechtigkeit") kaum in der lage sich auf dem freien markt mit baugrundstücken zu versorgen. sie sind von politischer förderung abhängig (z.B. vergabe landeseigener grundstücke) und die bekommen sie – insbesondere was den neubau angeht – trotz eines spd-geführten stadtentwicklungssenates in berlin nicht (siehe dazu u.a. die beantwortung der anfrage des abgeordneten otto (GRÜNE) vom 12.06.24)

          akteur nr. 2: die landeseigenen wohnungsunternehmen:



          die sind aktiv und bauen bereits (bislang als einzige in berlin in relevanten größenordnungen) bezahlbaren wohnraum. Siehe dazu u.v.a. die beantwortungen der anfragen des abgeordndeten schenker (LINKE) vom 26.06.23 und vom 24.01.24

          die genannten schriftlichen anfragen und ihre beantwortungen können Sie bei pardok runterladen.

          • @Pflasterstrand:

            Der große Kostenblock sind die Baukosten. Der Preis des Grundstück macht vielleicht 10 bis 15% des Gesamtpreis aus.



            Und Bauarbeiter arbeitet nicht ehrenamtlich.

            • @Christoph Strebel:

              als jemand, der in der genossenschaftlichen projektentwicklung in berlin tätig ist, muß ich Ihnen mitteilen, dass Ihre angabe in dieser pauschalität nicht haltbar ist, denn in den ballungsräumen sieht das doch etwas anders aus:

              in berlin sind die kosten für baureife grundstücke in den letzten 15 jahren in manchen innenstadtlagen teilweise um mehr als 1000% gestiegen, der durchschnittliche kaufpreis für bauland lag hier 2022 bei über 1.700 €/qm. da landen sie dann eher bei anteilen von 20-25% an den gesamtkosten.

              aber davon unbenommen: jetzt stellen sie sich mal vor, sie könnten für eine projektentwicklung, deren ziel eine bewirtschaftung und refinanzierung der gebäude zu kostenmieten ist, 10 bis 15% der gesamtkosten sparen, weil sie das grundstück von der öffentlichen hand kostenfrei zur verfügung gestellt bekommen, wenn sie dafür als gegenleistung dauerhaft bezahlbaren wohnraum schaffen.

      • @Pflasterstrand:

        An dem was sie schreiben ist ein dicker Kern Wahrheit. Das Hauptproblem aber ist, dass Deutschland nach der Schweiz die niedrigste Wohneigentumsquote in ganz Europa hat (DE 53%, Spanien 83%Rumänien 97%.) Quelle: www.presseportal.de/pm/35604/2322072



        Was auch kein Wunder ist bei unseren extremen Boden- und Baupreisen, vom Staat durch teils unsinnige Verordnungen nach oben getrieben.

        • @Rudi Hamm:

          und? ist in spanien das wohnen in den ballungsräumen bezahlbarer als in deutschland? i doubt it.

  • Was soll den der Senat aus der Sicht der Mieter machen? Eine Sozialbindung hat immer ein Ablaufdatum. Das kann der Senat nicht gegen den Willen der Eigentümer ändern.

    Und was sollten Gespräche bringen, bei denen es schlichtweg keine Lösung im Sinne der Mieter geben kann? Wenn die Initiative doch angeblich so viel Sachverstand gesammelt hat, warum stellt sie dann überhaupt noch irgendwelche Forderungen?

    • @DiMa:

      "Wenn die Initiative doch angeblich so viel Sachverstand gesammelt hat, warum stellt sie dann überhaupt noch irgendwelche Forderungen?"

      Weil die Lösungsvorschläge, die das Zwischenergebnis des gesammelten Sachverstandes sind, nur durch politischen Willen umsetzbar werden.

      Und es ist eben eine Frage des politischen Willens, ob man z.B. mehr Zeit und Geld in die Sicherstellung der Einhaltung der Förderverträge investiert oder nicht.

      • @Pflasterstrand:

        Schön, dass sie die Lösungen zu kennen meinen. Das ist mir zuviel Orakel.

        Wäre doch schön, wenn das offen und ehrlich benannt werden würde. Dann könnte zunächst mal über die Zuständigkeit des Senates nachgedacht werden, bevor diesem politischer Unwille vorgeworfen wird.

        Dann könnte man in einem weiteren Schritt die Sinnhaftigkeit der unterbreiteten Massnahmen erörten (auch unter Berücksichtung der Fiskalinteressen).

        Die Einhaltung der Förderverträge steht laut Artikel garnicht in Abrede. Zumindest das nahende Ende der Sozialbindung scheint unstreitig zu sein und wird von mir dementsprechend auch unterstellt.

        • @DiMa:

          bezugnehmend auf Ihren letzten absatz, zitiere mal aus dem obigen artikel: "Die von den Mie­te­r*in­nen erhoffte Kommunalisierung der Wohnungen sei ebenso wenig geplant wie eine besondere Kontrolle für die Pflichten der Vermieter*innen." es geht, wie bereits erwähnt um die kontrolle der einhaltung der förderverträge - siehe das vorgehen von padovics, dass in einem anderen heute erschienen artikel in der taz thematisiert wird.

          zu den forderungen, von denen sie behaupten, sie würden nicht öffentlich benannt werden, hier zwei weiterführende links:

          pankow-gegen-verdr...irbleibenalle.org/

          www.berliner-miete...ngipfel-nl0424.htm

          dass die handlungsspielräume begrenzt sind, ist hinlänglich bekannt. dass es keine handlungsspielräume gäbe, ist eine irreführende aussage.

          • @Pflasterstrand:

            Na dann fassen wir doch mal zusammen:

            - Härtefonds, bereits abgelehnt.



            - Verbot der Eigenbedarfskündigung, Bundesrecht



            - Pilotprojekt für die betroffenen Wohnungen (auf welcher Grundage?)



            - Erarbeitung gemeinsamer, verbindlicher Lösungen mit den Vermietern (auf welcher Grundlage?),



            - Kontrolle und Durchsetzung der bestehenden gesetzlichen Pflichten (Zivilrechtsweg)

            Es gibt keinen Grund, Wohnungen die jetzt zufällig aus der Sozialbindung fallen anders zu behandeln, als andere Wohnungen. Die Eigentümer haben sich soch ganz offensichtlich jahrelang an die Vorschriften gehalten.

            In Sachen Padovicz scheint allenfalls gegen ein Vorschlagsrecht (nicht Belegungsrecht) verstoßen worden zu sein. Das ist jetzt kein Skandal.

            Wenn man es hätte anders machen wollen, dann hätte man die Sozialbindung ohne Ablaufbindung ausgestalten müssen. Fraglich welcher Eigentümer sich darauf eingelassen hätte.

            • @DiMa:

              - Härtefallfonds: Lobbyismus ist keine Angelegenheit, bei der man bei ablehnender Haltung einfach aufgeben kann. Fazit: Ein Härtefallfonds wäre grundsätzlich machbar, auch wenn er aktuell am politischen Willen scheitert.

              - Hinsichtlich des Verbots der Eigenbedarfskündigung könnte das Land Berlin (zusammen mit anderen Ländern) mit einer Bundesratsinitiative aktiv werden. Fazit: Es gibt Handlungsmöglichkeiten

              - Ein Pilotprojekt wäre wie der Name sagt, ein Pilotprojekt, die Grundlagen dafür müssten geschaffen werden. Wie z.B. bei den aktuellen KOOPV's des Landes Berlin. Das ist eine Frage des politischen Willens und nicht der Machbarkeit. Fazit: Grundsätzlich machbar.

              - Erarbeitung gemeinsamer, verbindlicher Lösungen mit den Vermietern. Ist in der Vergangenheit bereits praktiziert worden. Fazit: machbar.

              - Was die Durchsetzung und Kontrolle bestehenden VERTRAGLICHEN (nicht gesetzlichen) Pflichten angeht: Es geht hier nicht um Zivilrecht, sondern um Förderverträge, die die Eigentümer*innen der Häuser mit der öffentlichen Hand abgeschlossen haben, dafür, dass sie Steuermittel in Millionenhöhe erhalten haben. Fazit: machbar.

              • @Pflasterstrand:

                - Härtefallfonds: Weshalb sollen diese Mieter besser gestellt werden als andere? Mit dem Wohngeld gibt es bereits eine Möglichkeit von der alle Mieter Gebrauch machen können; Fazit: Unnötig.

                - Bundesratsinitiativen des Landes Berlin scheitern stets in der Leipziger Straße (so wohl auch absehbar hier); Fazit: Nutzlos.

                - Pilotprojekt: Weshalb sollte ein Eigentümer da mitmachen? Pilotprojekt ist in diesem Zusammenhang doch allenfalls ein leeres Schlagwort. Fazit: Zeitverschwendung.

                - Vereinbarung mit den Vermieten: dito.

                - Prüfung der vertraglichen Pflichten: Es gibt uberhaupt keinen Anhaltspunkt, dass die betroffenen Vermieter derzeit ihre Pflichten brechen. Demnächst endet die Sozialbindung, dann ist die Kiste aus. Jetzt anlasslose Kontrollen sind allenfalls (Achtung Fazit:) Schikane.

                • @DiMa:

                  Ihr politikverständnis ist mir wirklich ein rätsel, aber es soll Ihnen natürlich unbenommen bleiben.

                  dennoch: die behauptung, es gäbe keinen anhaltspunkt, dass vermieter ihre pflichten brechen würden, ist angesichts dessen, was auf dem krisengipfel des BMV vor einigen monaten in pankow von unzähligen unmittelbar betroffenen, juristinnen und dem baustadtrat selbst geschildert wurde, einfach nur irrwitzig.

    • @DiMa:

      Bitter, aber wahr was sie schreiben.