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Ehrengrab für Charlotte von MahlsdorfSpäte Ehre für eine queere Ikone

Das Grab von Charlotte von Mahlsdorf soll offiziell ein Berliner Ehrengrab werden. Die BVV Marzahn-Hellersdorf schickt das Bezirksamt in die Spur.

So zeigte sie sich gern: in einer Küche aus Großmutters Zeiten steht Charlotte von Mahlsdorf in ihrem Museum, ein Foto von 1995 Foto: picture-alliance/dpa/Hubert_Link

Berlin taz | In der Bezirksverordnetenversammlung Marzahn-Hellersdorf wurde jetzt ein Antrag für ein Ehrengrab für Charlotte von Mahlsdorf beschlossen. „Sie war und ist eine der bedeutendsten queeren Ikonen Marzahn-Hellersdorf und eine stadtbekannte trans Frau“, heißt es hierzu von der Grünen-Fraktion, die den Antrag eingebracht hat.

Das Bezirksamt wird mit dem einstimmig angenommenen Beschluss aufgefordert, erneut einen Antrag an den Senat zu stellen, die Grabstelle von Charlotte von Mahlsdorf als Ehrengrabstätte des Landes Berlin anzuerkennen.

Marzahn-Hellersdorfs Grünen-Fraktionschefin Chantal Münster sagt, sie freue sich, dass mit der Ehrung Charlotte von Mahlsdorfs im Pride Month ein Zeichen gesetzt werden konnte. „Nicht nur der Nollendorfkiez hat queere Kultur und Ikonen, auch wir haben mit Lottchen eine wahrlich beeindruckende Person hier gehabt.“

Die queere Ikone wurde 2002 auf dem Evangelischen Waldkirchhof Mahlsdorf an der Rahnsdorfer Straße neben ihrer Mutter beigesetzt. Ehrengrabstätten sind dabei als solche gekennzeichnet und werden vom Senat per Beschluss bestätigt. Das zuständige Bezirksamt übernimmt die Kosten für die Grabpflege. Mit Ehrengrabstätten werden Verstorbene gewürdigt, die zu Lebzeiten hervorragende Leistungen mit engem Bezug zu Berlin erbracht oder sich durch ihr überragendes Lebenswerk um die Stadt verdient gemacht haben.

Ihr Museum gibt es immer noch

Das ist bei Charlotte von Mahlsdorf (1928–2002) der Fall, sagen nicht nur die Grünen. Ihr Lebenswerk kann bis heute im von ihr gegründeten Gründerzeitmuseum Mahlsdorf begutachtet werden, es wird in ihrem Geist fortgeführt. Das Museum entstand bereits 1959/60 im Gutshaus Mahlsdorf, das abgerissen werden sollte.

Das Haus wurde zu einem wichtigen inoffiziellen Treffpunkt von Lesben und Schwulen in der DDR. Veranstaltungen und Feste fanden hier statt. Zur Geschichte gehört aber auch die Verpflichtung Charlotte von Mahlsdorfs als IM des Ministeriums für Staatssicherheit.

Zu Wendezeiten wurde sie auch im Westen bekannt, ließ sich in Talkshows einladen, schrieb ihre Autobiografie „Ich bin meine eigene Frau“, die 1992 von Rosa von Praunheim unter gleichem Titel verfilmt wurde.

Vielleicht sollte man das Buch aus diesem Anlass noch einmal lesen. Denn Charlotte von Mahlsdorf war entgegen eines weit verbreiteten Irrtums keine Transperson, sondern ein männlicher Transvestit – genau so erzählte sie es auch in den Talkshows. Das Wort „queer“ war damals noch nicht in Mode.

So oder so bleibt sie eine Ikone der queeren Bewegung. Der Bund hat das erkannt, als sie 1992 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt wurde. Das sollte nun auch der Berliner Senat anerkennen. Der Bezirk hat 2018 eine Straße nach ihr benannt.

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1 Kommentar

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  • Finde ich gut, das hat sie verdient.

    Sie war cool und gleichzeitig unaufgeregt. Eine feine Person.

    Erwähnen sollte man noch, dass Charlotte von Mahlsdorf nach der Wende Deutschland als Reaktion auf einen Nazi-Überfall auf ihr Frühlingsfest verlassen hat:

    "1991 überfielen etwa 70 Neonazis ihr Frühlingsfest der Lesben und Schwulen auf dem Gutshof und verletzten mehrere Teilnehmer. Einer der Rechtsradikalen hielt mit vorgehaltener Pistole eine Gruppe von etwa 80 Gästen in Schach.[10]

    Zu dieser Zeit kündigte von Mahlsdorf an, Deutschland zu verlassen. 1992 wurde sie vom deutschen Staat mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Der Entschluss wegzuziehen, sorgte dafür, dass sie 1995 das letzte Mal Besucher durch das Gründerzeitmuseum führte, ehe sie 1997 nach Porla Brunn in Schweden umsiedelte."

    de.wikipedia.org/w...der_Bundesrepublik