Serien-Krimi „Briganti“ auf Netflix: Zwischen Räubern und Cowboys
Ein Mantel-und-Degen-Sechsteiler aus Italien funktioniert wie ein Videospiel. Und macht durchaus Spaß. Politische Implikationen gibt es aber auch.
You ain’t nothin’ but a lost cause“, singt Billy Eilish und „I know you think you’re such an outlaw. But you got no job.“ Das ist in nuce die Zusammenfassung der neuen sechsteiligen italienischen Serie „Briganti – Das Gold des Südens“ auf Netflix. Die Sache lebt von einer ausgedörrten Spaghettiwestern-Optik. Und insofern eignet sich das Ganze hervorragend, um dem trüben Blick aus einem norddeutschen Ferienappartement hinaus in den Dauerregen ein wenig Sonne drinnen auf dem Bildschirm entgegenzusetzen.
Historischer Hintergrund von „Briganti“ (Briganten) sind die Nachwehen des Einigungskriegs 1860 ff., der zum italienischen Nationalstaat führte. Der Norden, insbesondere das federführende Königreich Piemont, wurde von den Freischärlern rund um den italienischen Nationalhelden Garibaldi zum Jagen getragen, die Einheit der Nation durchzusetzen. Die Garibaldi-Truppen (nach ihrer improvisierten Uniform „Rothemden“ genannt) eroberten relativ mühelos das von einem Zweig der Bourbonen regierte Königreich Neapel, also Süditalien mit Sizilien.
Art und Weise der folgenden Vereinigung (Steuern, Wehrpflicht, gemäßigter Antiklerikalismus) brachten dann allerdings Ressentiments im Süden hervor, das Arrangement verlief zwischen Eliten der ehemaligen Staaten, die große Masse der Bauern blieb arm und besitzlos. Eine zeitgenössische Quelle sagt: „Der Bauer ist kein Mensch, sondern ein Anhang des Tierreichs. Er arbeitet, um zu essen, isst, um Kraft zum Arbeiten zu haben, dann schläft er – das ist sein Leben.“
Aus dieser Lage heraus bildete sich die in ihrer sozialen Zusammensetzung und in ihren Zielen bis heute diskutierte Bewegung der „Briganten“. Waren sie reine Räuberbanden, von katholischen Ajatollahs aufgehetztes Bauernproletariat, konservative Rebellen oder doch Sozialrevolutionäre?
Sich selbst nicht zu ernst nehmen
Im Plot der Serie geht es jedenfalls um den Staatsschatz Neapels, den die Garibaldi-Truppen sich als „Kriegsanleihe“ aneignen und im unzugänglichen Hinterland Süditaliens verstecken. Wie praktisch, dass es eine Karte gibt, nach der verschiedene Fraktionen gieren und versuchen, sich gegenseitig auszustechen, wie ein Videospiel eben.
Dass die Macher des Films das dazu aufwendig aufgezogene Mantel-und-Degen-Spektakel selbst nicht ganz ernst nehmen, zeigt sich spätestens an der Musik, die mal folkloristisch, mal humoristisch und oft schlicht kitschig das Geschehen untermalt.
Kernig ist er eben, der Brigant, die Frauen sind üppig, aber emanzipiert, der Chefpolizist aus dem Piemont preußisch-streng, und halt doch mit weichem Kern, alles irgendwo zwischen „Räuber Hotzenplotz“ (auf italienisch: „Il brigante Ozziplozzi“) und „Spiel mir das Lied von Tod“.
So weit, so in Ordnung, das kann man sich ruhig mal geben. Interessant ist, dass die Serie vom italienischen Kultusministerium gefördert wurde und in rechten, sogenannten neobourbonischen Kreisen Begeisterung auslöst. Der Neobourbonismus gründet sich auf die Darstellung, die Eroberer aus dem Norden hätten nur Unheil über Süditalien gebracht, jeden Widerstand genozidal unterdrückt und sich die üppigen Reichtümer des „Mezzogiorno“ unrechtmäßig angeeignet.
Das ist im Wesentlichen und Harmlosen Sozialkitsch, im Konkreten heute reaktionär und mafianah. Aber das Klischee vom armen, ehrlichen Süden oder Osten, von der guten, aber verlorenen Sache, der „lost cause“ eben, für die zu kämpfen sich gelohnt hat, ist halt unsterblich, weil nützlich. Gut, dass Billie Eilish in ihrem Supersong damit radikal aufräumt. Denn Brigant sein ist nett. Aber nett ist kein Beruf.
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