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SPD in BayernFraktion sucht neuen Chef

Die SPD im bayerischen Landtag hat genug von Florian von Brunn. Der ist nun als Fraktionschef zurückgetreten, aber dabei bleibt es vielleicht nicht​.

Pressekonferenz im Bayrischen Landtag: Florian von Brunn gibt den Fraktionsvorsitz auf Foto: Peter Kneffel/dpa

München taz | Und schon? Da sucht also eine Partei in Bayern neues Führungspersonal. Eine Randnotiz allenfalls, möchte man meinen. Schließlich handelt es sich um die bei weitem kleinste im Landtag vertretene Fraktion; mit gerade mal 8,4 Prozent hat sie es im vergangenen Herbst noch mal in den Landtag geschafft, in der öffentlichen Wahrnehmung spielt sie keine allzu große Rolle. Und doch: Es ist nicht irgendeine Partei.

Es ist die SPD, die älteste der Parteien, die Partei von Wilhelm Hoegner, Hans-Jochen Vogel und Renate Schmidt. Unter letzterer hat sie die CSU in den Neunzigern tatsächlich einmal das Fürchten gelehrt, Stimmenanteile von über 30 Prozent erreicht. Es ist die Partei, die seit vielen Jahrzehnten, von einem kurzen Ausrutscher mal abgesehen, in der Landeshauptstadt den Oberbürgermeister stellt, und ja, die Partei, die im Bund noch den Kanzler stellt.

Es mag also doch angemessen zu sein, ein paar Worte darüber zu verlieren, dass die Landtagsfraktion eben dieser SPD ihrem Chef Florian von Brunn nun das Vertrauen entzogen hat – mit der Folge, dass dieser seinen Rücktritt verkündete.

Dass es Spannungen in der Fraktion gab, war nicht neu – und auch nicht gänzlich verwunderlich, da von Brunn ein durchaus streitbarer Politiker ist, der nicht gerade als harmoniesüchtig gilt. Auch bei seinen Reden und Zwischenrufen im Landtag fällt der 55-jährige Münchner gerne mal durch seine polternde Art auf.

Nachfolger unklar

Von Brunn gehört dem Landtag seit 2013 an, zuvor war der studierte Historiker als IT-Berater tätig. Im Parlament machte er sich zunächst vor allem als Umwelt- und Verbraucherpolitiker einen Namen. Gemeinsam mit Ronja Endres übernahm er im April 2021 nach dem Rücktritt der glücklosen Natascha Kohnen den Vorsitz der bayerischen SPD, kurz darauf setzte er sich in einer Kampfabstimmung dann auch gegen den amtierenden Fraktionsvorsitzenden Horst Arnold durch.

Als angezählt galt Florian von Brunn spätestens seit der Niederlage bei der Landtagswahl im Oktober 2023, in die er seine Partei als Spitzenkandidat geführt hatte. Mit 8,4 Prozent blieb die SPD sogar noch unter den 9,7 Prozent der vorigen Wahl und fuhr ihr historisch schlechtestes Ergebnis ein. Dennoch wurde der Fraktionschef damals noch einmal knapp im Amt bestätigt.

So kam es dann trotz Endzeitstimmung und blank liegender Nerven überraschend, dass die Fraktion ihrem Vorsitzenden am Mittwoch in einer Kampfabstimmung das Misstrauen aussprach. Für von Brunn sollen hierbei nur noch vier Abgeordnete, darunter mutmaßlich er selbst, votiert haben. Elf der 17 SPD-Parlamentarier stellten sich übereinstimmenden Medienberichten zufolge gegen ihren Chef, zwei enthielten sich.

„Das ist auch für mich ein klares Signal“, sagte von Brunn tags darauf, am frühen Donnerstagnachmittag, als er vor die Presse trat und kundtat, was allseits erwartet worden war: Er trete vom Fraktionsvorsitz zurück. Zu einem ebenfalls erwarteten Rücktritt als Parteichef wollte sich von Brunn jedoch nicht äußern. Darüber habe er noch nicht entschieden.

Die Fraktion dürfte am kommenden Dienstag einen Nachfolger wählen. Wen, ist unklar. Unter den verbliebenen zehn Frauen und sechs Männern, ist niemand, der sich aufdrängt. Im Gespräch ist der Unterfranke Volkmar Halbleib, der schon im Herbst erwogen haben soll, gegen von Brunn anzutreten.

Für den Fall, dass von Brunn auch vom Parteivorsitz zurücktritt, ist ebenfalls unsicher, ob von Brunns loyale Co-Vorsitzende Endres sich im Amt wird halten können. Am Mittwoch wies sie laut Abendzeitung noch Mutmaßungen von sich, sie könne hinwerfen.

Wenn der Ausgang auch offen ist, so ist zumindest kaum zu erwarten, dass das sozialdemokratische Gemetzel am Abgrund geräuschlos über die Bühne geht: Einer der ureigensten Charakterzüge der bayerischen SPD war von jeher ihr Hang zur Selbstzerfleischung.

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3 Kommentare

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  • Es waren die bayerischen Sozialisten, die nach dem Ersten Weltkrieg für den "Freistaat" sorgten.



    Und die anschließend niederkartätscht und von den Klerikalen niedergehalten wurden. Bayern wurde zur braunen Keimzelle.



    Man darf aber auch als Katholik SPD wählen. Und München zeigt, dass dann etwas Gutes herauskommen mag.



    Die guten SPD-Leute versuchten in Bayern stets nach Bonn oder Berlin zu entkommen. Das war keine gute Idee für die Partei, denn die CSU ist jämmerliche PR-Tapete. Ein Wechsel täte dem Lande gut, die Rolle darf man doch nicht einem irrwischenden Niederbayern-Bauern-Darsteller überlassen.

  • Well depends on conditions

  • Ach, die gibt’s noch. Wer hätte das gedacht?