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Wahlen in FrankreichWenn zwei sich streiten

Bei der Stichwahl in Frankreich haben sich die Macronisten mit der Brandmauer gegen den Rassemblement National schwergetan. Das hat Folgen im Parlament.

Verzichtbar: Macronistin Émilie Chandler wollte ihre Kandidatur nicht zurückziehen – der Wahlkreis ging an die Rechtsextremen Foto: Yara Nardi/reuters

Berlin taz | In einigen Wahlkreisen kam es in der zweiten Runde der Parlamentswahlen in Frankreich zu einer Stichwahl zwischen drei Kräften: dem Linksbündnis (NFP), der Rechtsextremen (RN) und dem Lager der Macronisten. Wer im ersten Wahlgang mehr als 12,5 Prozent der Anzahl eingeschriebener Wäh­le­r*in­nen holte, wurde für die zweite Wahlrunde zugelassen.

Das linke Bündnis „Nouveau Front Populaire“ (NFP), auf Deutsch „Neue Volksfront“, hatte direkt angekündigt, überall dort seine Kan­di­da­t*in­nen zurückzuziehen, wo sie sich als Drittplatzierte in einer solchen Dreieckswahl befanden. So wollte man sichergehen, dass in dem betreffenden Wahlkreis alle verbleibenden Stimmen gegen den rechtsextremen Rassemblement National gingen, statt sich zwischen links und Mitte aufzusplitten.

Es gab also einen kollektiven Rückzug und eine Wahlempfehlung für die Macronisten überall dort, wo Linke drittplatziert waren – trotz aller Feindschaft zur Partei des Präsidenten.

Umgekehrt druckste die Partei von Macron, Ensemble!, erst herum, fand keine klaren Worte für jene Wahlkreise, in denen sie selbst drittplatziert war und wo sie sich hinter das zweitplatzierte Linksbündnis hätte stellen müssen. Ex-Premierminister Édouard Philippe warnte vor „beiden Extremen“ und sagte, er wolle weder dem NFP noch dem RN seine Stimme geben. Eine Gleichsetzung, die für Empörung sorgte.

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Hachdünn, aber verloren

Aus Machtkalkül zogen dann auch nicht alle Kan­di­da­t*in­nen der Macron-Partei Ensemble! ihre Kandidatur dort zurück, wo sie als Drittplatzierte standen. In mindestens zwei Wahlkreisen hat das den Rechtsextremen in die Hände gespielt: Im ersten Wahlkreis von Val d’Oise setzte sich die Rechtsextreme Anne Sicard mit 37,51 Prozent hauchdünn gegen den linken Kandidaten Maximilien Jules-Arthur durch, der 36,63 Prozent erhielt.

Die Macronistin Émilie Chandler erhielt hier 25,8 Prozent – Stimmen, die im Falle ihres Rückzugs wohl zumindest zu großen Teilen an den Linken gegangen wären und einen Parlamentssitz der Rechtsextremen verhindert hätten.

Dasselbe ist in der 14. Circonscription von Bouches-du-Rhône passiert, wo der Rechtsextreme Gérault Verny sich mit 37,26 Prozent knapp gegen den Sozialisten Jean-David Ciot (36 Prozent) durchsetzte und somit einen Sitz im Parlament gewann. Zu diesem Kopf-an-Kopf-Rennen kam es nur, weil die Macronistin Anne-Laurence Petel nicht aus dem Rennen gehen wollte und als Schlusslicht 26,71 Prozent auf sich vereinte.

Profitiert von der Rückzugstaktik haben hingegen einige von den zwei Dutzend Regierungsmitgliedern, die sich zur Wiederwahl stellen mussten. Innenminister Gérald Darmanin etwa gewann seinen Wahlkreis, nachdem sich die NFP-Kandidatin zurückgezogen hatte.

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5 Kommentare

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  • Wenn Macronisten gerne mal den RN mit der insgesamt doch sehr gemäßigten NFP gleichsetzen, so ist das halt mal wieder ein Beispiel für Extremismus der (so called) Mitte. Bzw. auch ein gleichermaßen (nach weiter rechts) feiges wie (nach 'links') durchaus hysterisch-hetzerisches Bürgertum, das lieber dem Nationalismus huldigt, als sich so entsetzlicher Vergehen wie "Umverteilung" oder "Gleichmacherei" bezichtigen zu lassen. Ein öffentliches Gesundheitswesen und/oder Bildungssystem sind demzufolge schon der reine Bolschewismus.

  • Ja. Nicht allen ist die Kampf gegen RN wichtig...

  • Das zeigt doch, wie kritisch die Lage ist: nur durch solche merkwürdigen Massnahmen können die Rechtspopulisten in Schach gehalten werden. Mit Demokratie hat das nicht mehr viel zu tun, nur noch mit Verhinderung… Mal sehen, wie schnell das Zweckbündnis auseinanderfällt.

  • Brandmauern



    Zitat: „Bei der Stichwahl in Frankreich haben sich die Macronisten mit der Brandmauer gegen den Rassemblement National schwergetan. Das hat Folgen im Parlament.“



    In der Tat: So erfreulich es ist, daß die Blütenträume des RN (vorerst) geplatzt sind, so gewagt ist es, da schon gleich von dessen „Wahlniederlage“ und „Scheitern“ zu sprechen: Eine politische Formation, die ihren Stimmenanteil im ersten Wahlgang auf 10 Mio nahezu verdreifachen konnte, hat keine „Niederlage“ erlitten, sondern geht eher als strahlender Sieger vom Platz. Daß sich dies nicht proportional in Parlamentssitzen niederschlägt, ist v .a. der republikanischen Disziplin der NFP-Kandidaten zuzuschreiben, die sich im 2. Wahlgang als Drittplatzierte konsequent zugunsten eines bürgerlichen RN-Gegners zurückzogen („désistement“), was überproportional vielen „Ensemble“-Kandidaten zum Sieg verhalf, signifikant mehr als in umgekehrter Konstellation: In dem honorablen 2. Platz des Macron-Blocks stecken viele Stimmen originärer Linkswähler, die sich beim Wahlakt die Nase zugehalten haben, nur um einen noch größeren Gestank zu verhindern. Hingegen gaben bei manchen RN-Siegen Stimmen des Macron-Blocks den Ausschlag.

  • Schade, jung aber starrsinnig