Meduza-Auswahl 13. – 19. Juni: Ringtausch für russisches Erdgas

Um Transitstreits zu klären, soll wohl bald russisches Gas an Aserbaidschan und dessen Gas nach Europa fließen. Texte aus dem Exil.

Hochhaus im Sonnenuntergang.

Gazprom-Zentrale in St. Petersburg Foto: Pond5/imago

Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.In der Woche vom 13. bis zum 19. Juni 2024 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:

Enkeltrick auf Russisch

Im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine grassieren Telefonbetrügereien, die darauf abzielen, die Angst der Bür­ge­r:in­nen vor Strafverfolgung auszunutzen. Eine gängige Masche funktioniert so: Anrufer:innen, die sich als Beamte der Strafverfolgungsbehörden ausgeben, überzeugen die Opfer davon, dass ihre Identität missbraucht wurde – um Geld in die Ukraine zu schicken. Wenn sie eine Anklage wegen dieses Verbrechens vermeiden wollten, sollten sie ihre Ersparnisse auf „sichere Konten“ überweisen.

In einem neuen Bericht von BBC News Russian werden die Geschichten von zwei Personen erzählt, die auf diese Art von Betrug hereingefallen sind. Meduza fasst den Bericht auf Englisch zusammen.

Was „Zahltagskredite“ über Russlands Wirtschaft aussagen

Die Inflation in Russland steigt, alles wird teurer – nur die Löhne steigen kaum. Gleichzeitig lehnen russische Banken immer häufiger die Kreditanträge der Bür­ge­r:in­nen ab. Wer dringend einen Vorschuss braucht, wendet sich an sogenannte Zahltagskreditgeber, um etwa Lebensmittel oder Kleidung zu kaufen.

Journalisten des unabhängigen russischen Magazins Holod sprachen mit zwei Wirtschaftswissenschaftlern und einem Rechtsanwalt darüber, wie diese Zahltagskredite funktionieren und was ihr Aufstieg für Russlands Wirtschaft bedeutet. Meduza veröffentlicht eine englischsprachige Zusammenfassung.

Im Jahr 2023 nahmen die Rus­s:in­nen eine rekordverdächtige Summe von einer Billion Rubel (etwa 11,2 Milliarden Dollar) an Zahltagskrediten auf – 30 Prozent mehr als noch 2022. Einige Experten sagen voraus, dass diese Zahl im Jahr 2024 nochmals um bis zu 25 Prozent steigen könnte.

Nach Ansicht des Wirtschaftswissenschaftlers Jewgeni Nadorshin ist die Wachstumsrate der Zahltagskredite ein schlechtes Zeichen für die Gesundheit der russischen Wirtschaft: „Die Rus­s:in­nen nehmen aggressiv Kredite und Zahltagskredite auf, obwohl die Zinssätze schneller steigen als ihre Einkommen. Die Wirtschaft des Landes wächst derzeit nicht durch Importsubstitution oder Investitionen, sondern durch einen Anstieg der Verbrauchernachfrage, die durch Kredite angeheizt wird. Diese Art des Wirtschaftswachstums kann nicht lange aufrechterhalten werden. Eine Verlangsamung oder gar ein Rückgang sind die wahrscheinlichsten Szenarien für die Zukunft.“

Streit um Gaslieferungen nach Europa

Europa diskutiert mit der Ukraine über die Fortsetzung der Gastransits aus Russland. Ein Vertrag mit Gazprom läuft Ende 2024 aus, berichtete Bloomberg am 10. Juni. Wie es 2025 weitergehen soll, ist unklar. Eine Idee ist, die Interaktion zwischen Moskau und Kijew zu minimieren – etwa durch einen Zwischenhändler wie Aserbaidschan. Meduza erklärt, wie es um die Erfolgschancen eines solchen Abkommens steht und warum die Rechtsstreitigkeiten der europäischen Käufer mit Gazprom sogar zu einer vorzeitigen Einstellung der Lieferungen führen könnten (Text in russischer Sprache).

Die Struktur eines möglichen Deals mit Aserbaidschan ist nicht ganz klar, doch es gilt als wahrscheinlich, dass es sich um einen Tausch von russischem gegen aserbaidschanisches Gas handeln soll: Die staatliche aserbaidschanische Öl- und Gasgesellschaft Socar übernimmt die Lieferungen an die Abnehmer von Gazprom, und Gazprom liefert wiederum Gas an Socar. Europäische Unternehmen seien bereit, diesen Plan zu diskutieren, schrieb die Branchennachrichtenagentur Icis unter Berufung auf ein von Vertretern der Unternehmen unterzeichnetes Dokument.

Aserbaidschan liefert derzeit über den südlichen Gaskorridor – ein Netz von Gaspipelines, das auch durch die Türkei führt – nach Europa. Im Jahr 2023 exportierte das Land 12 Milliarden Kubikmeter nach Europa (eine Menge, die mit den derzeitigen Lieferungen von Gazprom über die Ukraine vergleichbar ist).

Wie Russlands Ärzte über Abtreibungen denken

Das Gesundheitsministerium Russlands hat neue klinische Empfehlungen für die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen veröffentlicht. Dieses Dokument, das im Wesentlichen für Kliniken und Ärzte verbindlich ist, wurde von der Russischen Gesellschaft der Geburtshelfer und Gynäkologen erstellt.

Diese Leitlinien enthalten auch einige umstrittene Ideen. So ist etwa die Konsultation eines Psychologen vor dem Abbruch nun obligatorisch. Das Dokument enthält außerdem sachliche Fehler und betont das Risiko eines Abbruchs: „Während des Eingriffs können folgende Komplikationen auftreten: Narkosekomplikationen, Trauma und Perforation der Gebärmutter mit möglicher Verletzung innerer Organe und Blutgefäße, Blutungen, die eine Ausweitung des Eingriffs bis hin zur Bauchfellresektion und Entfernung der Gebärmutter erforderlich machen können, usw.“

Meduza hat die Aussagen analysiert und auf Wahrheit geprüft (Text in russischer Sprache).

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